Fahrtenbuchauflage für Motorrad bei nicht aufklärbarer Identität des Fahrers rechtmäßig

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Verwaltungsgericht Neustadt, Beschluss vom 04.11.2015 – 3 L 967/15.NW

Erweiterung der Fahrtenbuchauflage für alle weiteren genutzten Fahrzeuge bedarf der vorherigen Verhältnismäßigkeitsprüfung

Wurde mit einem Motorrad die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf der Bundesstraße um 73 km/h überschritten und wirkt der Halter bei der Ermittlung des Fahrers nicht ausreichend mit, kann ihm für die Dauer von 12 Monaten eine Fahrtenbuchauflage auferlegt werden. Dies entschied das Verwaltungsgericht Neustadt in einem Eilverfahren.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der im Landkreis Südliche Weinstraße wohnhafte Antragsteller ist Halter eines Motorrads und zweier Pkw. Mit seinem Motorrad wurde im Juni 2015 auf der Bundesstraße 48 in der Gemarkung Leimen, Fahrrichtung Johanniskreuz, die dort zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 73 km/h überschritten. Die Bußgeldstelle versuchte durch Anhörung des Antragstellers, den Fahrer des Kraftrades zu ermitteln. Der Antragsteller bestritt seine Fahrereigenschaft, woraufhin bei ihm eine Wohnungsdurchsuchung zum Auffinden des auf dem Messfoto ersichtlichen Motorradhelms sowie der im Tatzeitpunkt getragenen Motorradkleidung durchgeführt wurde. Die Wohnungsdurchsuchung blieb jedoch ergebnislos.

Antragsteller wird Führung eines Fahrtenbuchs auferlegt

Nach Einstellung des Bußgeldverfahrens gab der Landkreis Südliche Weinstraße dem Antragsteller unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die Führung eines Fahrtenbuchs für die Dauer von 12 Monaten für das Motorrad und die beiden Pkw auf.

Antragsteller hält Anordnung der Fahrtenbuchauflage für die beiden Pkw für rechtswidrig

Der Antragsteller hat im Oktober 2015 um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Zur Begründung führte er aus, dass die Polizei ihrer Ermittlungspflicht nicht ausreichend nachgekommen sei, da sie ihn im Ordnungswidrigkeitenverfahren nicht als Zeugen, sondern als Betroffenen angehört habe. Ferner sei die Anordnung der Fahrtenbuchauflage für die beiden Pkw rechtswidrig, weil nicht zu befürchten sei, dass mit diesen Fahrzeugen verkehrsrechtliche Zuwiderhandlungen begangen würden.

Verkehrsverstoß rechtfertigt Anordnung eines Fahrtenbuchs

Den Eilantrag des Antragstellers lehnte das Verwaltungsgericht Neustadt hinsichtlich der Fahrtenbuchauflage betreffend das Motorrad ab. Zur Begründung führte das Gericht aus, dass die Fahrtenbuchauflage für das Motorrad rechtmäßig sei. Mit dem auf den Antragsteller zugelassenen Kraftrad sei den Verkehrsvorschriften zuwidergehandelt worden, indem der Fahrer dieses Fahrzeugs am 14. Juni 2015 um 10.48 Uhr auf der Bundesstraße 48 in der Gemarkung Leimen, Fahrrichtung Johanniskreuz, statt der dort zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h 173 km/h (nach Toleranzabzug) gefahren sei. Dieser Verkehrsverstoß sei geeignet, die Anordnung eines Fahrtenbuchs zu rechtfertigen. Es habe sich bei der Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit außerorts von 100 km/h um 73 km/h um einen Verkehrsverstoß gehandelt, der nach dem Bußgeldkatalog mit einer Geldbuße in Höhe von 600 Euro, einem Fahrverbot von drei Monaten und der Eintragung von zwei Punkten im Fahreignungsregister geahndet werde. Bereits im Fall der erstmaligen Begehung eines Verkehrsverstoßes, der bei seiner Ahndung zur Eintragung von wenigstens einem Punkt im Fahreignungsregister geführt hätte, sei die Auferlegung eines Fahrtenbuchs gerechtfertigt und verhältnismäßig. Nicht erforderlich sei, dass es zu einer konkreten Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer gekommen sei und eine Wiederholungsgefahr bestehe.

Durchgeführte Maßnahmen zur Ermittlungen des Täters ausreichend

Der für die Begehung des Verkehrsverstoßes verantwortliche Fahrzeugführer habe auch nicht ermittelt werden können. Die Bußgeldstelle habe durch Anhörung des Antragstellers versucht, den Fahrer des Kraftrads zu ermitteln. Der Antragsteller habe seine Fahrereigenschaft bestritten – ferner habe die beim Antragsteller durchgeführte Wohnungsdurchsuchung zum Auffinden des auf dem Messfoto ersichtlichen Motorradhelms sowie der im Tatzeitpunkt getragenen Motorradkleidung keine Anhaltspunkte auf den Fahrer ergeben. Damit habe es keine Ansatzpunkte für weitere Ermittlungen hinsichtlich des Täters gegeben. Auch die behördliche Ermessensentscheidung, die Dauer der Fahrtenbuchauflage auf ein Jahr festzulegen, sei nicht zu beanstanden.

Erstreckung des Fahrtenbuchs auf alle weiteren Fahrzeuge unzulässig

Der Eilantrag des Antragstellers sei aber hinsichtlich der Fahrtenbuchauflage betreffend die beiden Pkw begründet. Eine Anordnung, die mehrere oder alle Fahrzeuge eines Halters betreffe, stelle im Verhältnis zur Einzelanordnung eine erhebliche Erweiterung dar und bedürfe deshalb einer ihre Auswirkungen berücksichtigenden Verhältnismäßigkeitsprüfung.

Die Behörde müsse eine Prognose darüber anstellen, ob über das Fahrzeug, mit dem die der Fahrtenbuchauflage zugrunde liegende Verkehrszuwiderhandlung begangen worden sei, hinaus Verkehrsverstöße mit anderen Fahrzeugen des Halters ebenfalls nicht aufgeklärt werden könnten. Vorliegend habe der Antragsgegner in der angefochtenen Verfügung nicht begründet, warum das Fahrtenbuch auf alle Fahrzeuge zu erstrecken sei. Bei der Einschätzung, ob sich das Verhalten des Antragstellers in dieser Form bei einem der anderen auf ihn zugelassenen Personenkraftwagen auch so zutragen könnte, seien nicht nur der Fahrzeugbestand, sondern auch die Handlungsweise des Antragstellers in den Blick zu nehmen. Hinsichtlich der Fahrweise sei zu berücksichtigen, dass der Tatort auf der B 48 zwischen Leimen und Johanniskreuz auf einer bei Motorradfahrern äußerst beliebten Fahrstrecke liege, was allgemein bekannt sei. Aus einer Geschwindigkeitsüberschreitung mit einem Kraftrad speziell auf dieser Strecke könne daher zur Überzeugung des Gerichts nicht zwangsläufig geschlossen werden, dass auch mit den auf den Antragsteller zugelassenen Personenkraftwagen Verkehrsverstöße, wie der am 14. Juni 2015 festgestellte, begangen würden und anschließend der Fahrer nicht benannt würde.


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