Filesharing: der unqualifizierte Rat von der Rechtsschutzversicherung

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Immer wieder werden uns Mandate aus dem Bereich Filesharing zur Bearbeitung übergeben, nachdem die Angelegenheit zunächst ohne anwaltliche Beratung gelöst werden sollte. In den meisten Fällen erfolgt die Übertragung des Mandats in fortgeschrittenen Verfahren dann, wenn aufgrund vorangegangener Falschberatung oder vollständig fehlender Beratung bereits ein für den Mandanten nachteiliger Weg eingeschlagen wurde, der nunmehr korrigiert werden muss. Das ist zwar in vielen Fällen – so auch in dem folgenden Beispielsfall – noch möglich, geht aber oft mit erheblich höheren Kosten einher. Gerade bei rechtzeitiger Inanspruchnahme fachkundiger Hilfe können die allermeisten Angelegenheiten wegen Urheberrechtsverletzungen in Tauschbörsen besser gelöst werden, als dies von Betroffenen oftmals angenommen wird.

Der vorliegende Fall: Reaktion auf eine Abmahnung nach „Beratung“ durch die Rechtsschutzversicherung

Der vorliegende Fall entspricht in seiner Ausgangslage so ziemlich jeder Abmahnangelegenheit aus dem Bereich Filesharing: Der Anschlussinhaber hatte eine Abmahnung wegen einer Urheberrechtsverletzung in einer Tauschbörse erhalten, mit der gegen ihn Ansprüche auf Abgabe einer Unterlassungserklärung sowie die Zahlung von Schadenersatz und Anwaltskosten in Höhe von ca. 900,- Euro begehrt worden waren. Die angebliche Rechtsverletzung bezog sich dabei auf ein Computerspiel. Der Internetanschluss des Beklagten wurde im Familienverbund genutzt.

Nach Erhalt der Abmahnung versuchte der Anschlussinhaber erfolglos, die Rechtsverletzung aufzuklären. Allerdings ließ sich nicht feststellen, ob die Rechtsverletzung durch ein Familienmitglied oder eine unzureichende Absicherung des Internetanschlusses zustande gekommen war. Zweifel an der Rechtsverletzung über den Internetanschluss hätte es indessen zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr geben dürfen, da der Anschluss nach damaliger Kenntnis mindestens zweimal als Quelle einer Rechtsverletzung ermittelt worden war.

Nach einer kurzen Internetrecherche u.a. in einschlägigen Foren gelangte der betroffene Anschlussinhaber zu der Annahme, dass es sich bei der Abmahnung um Abzocke handeln müsse, wollte aber gleichwohl eine anwaltliche Beratung in Anspruch nehmen. Er wandte sich daher zunächst an seine Rechtsschutzversicherung, um eine Deckungszusage zu erhalten.

Von seiner Rechtsschutzversicherung erfuhr der betroffene Anschlussinhaber indessen, dass in der vorliegenden Angelegenheit kein Versicherungsschutz bestehen würde und dementsprechend die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übernommen würden. Allerdings würde die Rechtsschutzversicherung selbst eine kostenlose Beratung in derartigen Fällen anbieten, die der Anschlussinhaber sodann in Anspruch nahm.

Im Rahmen dieser Beratung wurde dem Anschlussinhaber erläutert, dass er anstelle der, dem Abmahnschreiben beigefügten Unterlassungserklärung eine modifizierte Unterlassungserklärung abgeben solle. Die Zahlung solle er indessen vollständig verweigern. Nach Auskunft der Rechtsschutzversicherung handle es sich um Massenverfahren, die ohnehin nicht vor Gericht gelangen würden.

Diesem Rat folgte der betroffene Anschlussinhaber.

Falschberatung und ihre Folgen

Nachdem der betroffene Anschlussinhaber die Unterlassungserklärung abgegeben hatte, hielt er die Angelegenheit für erledigt. Wie von der Rechtsschutzversicherung angekündigt, folgten zwar weitere Schreiben der Gegenseite, mit der die gerichtliche Geltendmachung der Zahlungsansprüche angedroht wurde. Auch damit hatte der Anschlussinhaber aber gerechnet.

Womit er nicht gerechnet hatte, war, dass die Gegenseite der Drohung tatsächlich Taten folgen lassen und Klage erheben würde. Genau dies geschah dann aber binnen Jahresfrist; der betroffene Anschlussinhaber wurde am AG München auf Zahlung in Anspruch genommen.

Klageverfahren am AG München

Nunmehr wandte sich der betroffene Anschlussinhaber an uns. Bei Sichtung der Unterlagen fiel sofort auf, dass die Begehung der Rechtsverletzung über den Internetanschluss des Beklagten nicht ernsthaft bestritten werden konnte. Mehr als 20 Rechtsverletzungszeitpunkte waren ermittelt worden, sodass eine Falschermittlung oder Falschzuordnung ausgeschlossen waren.

Das war aber noch nicht alles: Zahlreiche Rechtsverletzungszeitpunkte lagen nach der Abgabe der Unterlassungserklärung vor. Ohne es zu ahnen, hatte der Beklagte damit gegen die abgegebene Unterlassungserklärung verstoßen, sodass nunmehr auch die Geltendmachung einer Vertragsstrafe drohte.

Die Konsequenz: Aus der ursprünglichen Forderung von rund 900,- Euro war zwischenzeitlich – unter Berücksichtigung der Verfahrenskosten sowie der drohenden Vertragsstrafe – eine Forderung geworden, die sich in einem Bereich von ca. 6.000,- Euro aufwärts bewegte.

Im Ergebnis wurde das Verfahren mittels Vergleich beendet, der dem beklagten Anschlussinhaber die Zahlung der Vertragsstrafe ersparte, ihn allerdings zur Tragung eines erheblichen Teils der geltend gemachten Schadenersatzansprüche und Verfahrenskosten verpflichtete.

Was war falsch gelaufen?

Auf Rechtunkundige mag der obige Verlauf erschreckend und nicht nachvollziehbar wirken, er ist aber leider weder ein Einzelfall noch überraschend. Ausschlaggebend für die Entwicklung war der unqualifizierte Rat der Rechtsschutzversicherung bzw. der Verzicht auf das Einholen anwaltlichen Rats.

Der viel zu allgemeine Ratschlag der Rechtsschutzversicherung orientierte sich nämlich nicht an dem konkreten Einzelfall, sondern gab unreflektiert eine aus dem Internet stammende Handlungsempfehlung wieder: Auf jede Abmahnung wegen einer Urheberrechtsverletzung müsse eine modifizierte Unterlassungserklärung abgegeben werden, bei Verweigerung der Zahlung würde im Übrigen schon nichts passieren. Dieser mittlerweile seit mehreren Jahren im Internet verbreitete Rat ist aber weder der aktuellen Rechtslage angepasst noch kann er in dieser Allgemeinheit als sinnvoll erachtet werden.

In der vorliegenden Konstellation war es dem betroffenen Anschlussinhaber nicht möglich gewesen, die Ursache der Rechtsverletzung zu ermitteln. Der spätere Beklagte wusste daher weder, wer die Rechtsverletzungen begangen hatte noch, ob sich diese in Zukunft wiederholen würden. Trotzdem hatte die Rechtsschutzversicherung dem Anschlussinhaber dazu geraten, eine Unterlassungserklärung abzugeben, mit der er sich verpflichtet hatte, zukünftige Rechtsverletzungen über seinen Internetanschluss zu verhindern. Andernfalls wäre eine Vertragsstrafe fällig.

Der spätere Beklagte hatte also – ohne dass er sich der Folgen bewusst war – erklärt, dass er für zukünftige Rechtsverletzungen einstehen würde, obwohl er gar nicht wusste, wie diese entstanden waren oder ob sie sich wiederholen könnten.

Diese Handlungsempfehlung hat dem Anschlussinhaber daher nicht nur das spätere gerichtliche Verfahren beschert, sondern zudem zur lebenslangen Bindung an eine Unterlassungserklärung geführt, die nach wie vor bei zukünftigen Verstößen eine Vertragsstrafe nach sich zieht.

Viel wichtiger als die vorschnelle Abgabe einer Unterlassungserklärung wäre vorliegend gewesen, zunächst die Quelle der Rechtsverletzung ausfindig zu machen und diese anschließend abzustellen. Anschließend hätte geklärt werden müssen, ob der Anschlussinhaber sich – z. B. aufgrund der gegebenen Mehrpersonenkonstellation – ausreichend hätte entlasten können, sodass ggf. eine Unterlassungserklärung gar nicht erforderlich gewesen wäre. Und erst dann wäre es um die Frage gegangen, welche Auswirkungen dies auf die Zahlungsansprüche gehabt hätte.

Bei einer entsprechenden Beratung durch einen erfahren Anwalt hätten so die Folgen aus dem ursprünglichen Vorwurf einer Urheberrechtsverletzung in Grenzen gehalten werden können.

Fazit

Auch wenn viele Betroffene es nicht wahr haben wollen: Abmahnungen wegen Urheberrechtsverletzungen sind im Kern keine Abzocke und können auch nicht mit standardisierten Handlungsempfehlungen abgearbeitet werden. Jeder, der ohne ausreichende Kenntnisse im Urheberrecht oder ohne entsprechende anwaltliche Beratung reagiert, nimmt das Risiko in Kauf, dass er sich falsch verhält. Die Beratung sollte daher unbedingt durch einen im Urheberrecht erfahrenen Rechtsanwalt erfolgen, nicht aber durch – im schlimmsten Fall – juristische Laien.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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