Gewerbs- und bandenmäßiger Betrug durch "falsche Polizeibeamte" – BGH Urteil ​zum "Abholer"

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Anlässlich eines Urteils des BGH vom 19. Oktober 2023 (3 StR 181/23) erklärt Ihnen Fachanwalt für Strafrecht Heiko Urbanzyk (Kreis Coesfeld) die Strafbarkeit eines sogenannten „Abholers“ beim Polizistentrick. Sollten Sie beschuldigt werden, Mittäter bei einer solchen Straftat gewesen zu sein, dann kontaktieren Sie umgehend einen Rechtsanwalt. "Abholer" wissen oft gar nicht, was sie wirklich für wen transportieren; angeworben werden sie oft durch Internet-Stellenanzeigen. Im Folgenden wird Ihnen näher erläutert was Sie erwartet und wie Ihr weiteres Vorgehen aussehen sollte. Dies ist auch interessant für Angehörige von Verdächtigen in Untersuchungshaft. 


Was ist der „Polizistentrick“ / falsche Polizisten?

Beim Polizistentrick werden ältere Personen durch Anrufer – meist aus der Türkei – kontaktiert. Diese Anrufer benutzen oftmals ein Caller-ID-Spoofing, sodass auf den Telefonen der älteren Personen die Rufnummer 110 steht. Der Anrufer teilt den älteren Personen dann mit, dass sie im Visier einer z.B. osteuropäischen Bande sind und diese planen bei ihnen einzubrechen. Sie werden aufgefordert ihr Bargeld und ihre Wertsachen zusammenzutragen und diese zur zeitweiligen Aufbewahrung an einen Polizeibeamten zu übergeben, welcher dann zeitnah vor ihrer Haustür erscheint. Teilweise wird auch die Übergabe der EC-Karte sowie dessen Pin gefordert. Die „Polizeibeamten“ holen dann das Geld und die Wertsachen ab. Sie behalten einen Teil der Beute für sich und der Rest wird auf Konten in der Türkei überwiesen. Dieses Vorgehen ist als Betrug gemäß § 263 StGB strafbar.


Sachverhalt des BGH vom 19. Oktober 2023

Der Fall, über den der BGH entschied, hatte genau diese Konstellation als Sachverhalt. Der Angeklagte war ein solcher „Abholer“. Er wurde im Internet über ein Chatportal angeworben als „falscher Polizist“ Sachen abzuholen. Während der Taten telefonierte der Angeklagte durchgängig mit einer Person A, während Person B auf die ältere Person einwirkte und diese dazu brachte ihre Wertsachen und das Geld zusammen zu sammeln. Person A teilte dem Angeklagte die Adresse mit, an der er die Wertsachen und das Geld abholen konnte, sobald alles geregelt war. Vor Ort gab der Angeklagte sich dann als Polizist in Zivilkleidung aus und nahm die Sachen entgegen. Er behielt 1.000 Euro und sendete den Rest des Geldes auf das Konto eines Dritten in der Türkei. Der BGH stufte dieses Vorgehen des Angeklagten als gewerbsmäßig begangenen Betrug ein, welcher zusätzlich noch als Mitglied einer Bande verübt wurde.


Wann wird eine solche Tat gewerbsmäßig als Mitglied einer Bande verübt?

Eine Bande liegt vor, wenn sich mehrere Personen dazu verbinden zukünftig für eine gewisse Dauer mehrere noch im Einzelnen ungewisse Straftaten zu begehen. Man kann auch später zu einer solchen Bande hinzukommen und der Bandenabrede zustimmen. Für eine Bande sind mindestens drei Personen erforderlich.

Bei dem Fall des BGH übte der Angeklagte dauerhaft und zuverlässig eine wesentliche Rolle bei den Betrugstaten aus. Er wurde durch das Chatportal angeworben und über seine Rolle informiert. Ihm war bekannt das mindestens zwei weitere Personen in die Taten involviert waren, denn mit Person A telefonierte er während der Tat und Person B telefonierte mit den älteren Personen, um diese zu überzeugen ihre Sachen herauszugeben. Dementsprechend wusste der Angeklagte, dass außer ihm noch mindestens zwei andere Personen involviert sind. Der Angeklagte kannte die andere Personen oder deren Identität nicht, denn der Kontakt entstand via Internet in einem Chatportal. Es ist in einer Bande jedoch auch nicht erforderlich, dass sich die Mitglieder kennen. Die Unkenntnis der Identität von A und B half dem Angeklagten also nicht. Der Angeklagte handelte als Mitglied einer Bande.

Gewerbsmäßig handelt, wer sich aus wiederholter Tatbegehung eine nicht nur vorübergehende, nicht ganz unerhebliche Einnahmequelle verschaffen will. Der Angeklagte half bei einer Vielzahl von Taten und erlangte jedes Mal einen nicht unerheblichen Anteil an der Beute. Demnach bildetet die Teilnahme an den Taten eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle des Angeklagten und er handelte gewerbsmäßig.

Ein erfahrener Strafverteidiger kann für Sie überprüfen, ob Sie tatsächlich eine dauerhafte und zentrale Rolle bei den Betrugstaten innehatten. Es ist maßgeblich, ob Sie wußten, was Sie transportieren, sich mit den anderen Personen abgesprochen haben, wie wichtig Ihre Rolle war und ob Ihnen bewusst war das noch mindestens zwei weitere Personen in die Tat involviert waren. Sollte dies nicht vorliegen, dann haben Sie gegebenenfalls nicht als Mitglied einer Bande gehandelt. Ebenfalls ist maßgeblich, ob Sie wiederholt solche Taten begangen haben oder begehen wollten. Sollte nur eine einmalige Tat mit geringer Beteiligung vorliegen, dann handelten Sie nicht gewerbsmäßig. Ein Strafverteidiger kann diese Merkmale für Sie prüfen und in Ihrem Verfahren für Sie entlastende Umstände herausarbeiten.


Weshalb ist diese Einstufung des BGH relevant? 

Relevant ist diese Einstufung im Betracht auf das Strafmaß der Taten. Betrug gem. § 263 Abs. 1 StGB wird mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. Handelt der Täter jedoch gewerbsmäßig und/oder als Mitglied einer Bande, dann erhöht sich das Strafmaß für den Betrug gem. § 263 Abs. 2 StGB auf eine Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Agiert der Täter als Mitglied einer Bande und gewerbsmäßig wird dies im Strafmaß berücksichtigt und das Gericht verhängt eine wesentlich höhere Strafe. 

Die hohe Strafandrohung und Verdunkelungsgefahr aufgrund der weiteren, unbekannten Bandenmitglieder wiederum kann und wird oft herangezogen zur Anordnung von Untersuchungshaft. Sie lesen als Verdächtiger also diesen Bericht gar nicht selbst, sondern als Freund oder Angehöriger eines Festgenommenen.   

Dementsprechend ist es essentiell, ob Sie wirklich als Mitglied einer Bande gehandelt haben und ob die Tat tatsächlich gewerbsmäßig erfolgte. Sollt dies vorliegen erhöht sich das Strafmaß beachtlich und eine Geldstrafe ist nicht mehr möglich. Das Gericht wird eine Freiheitsstrafe verhängen. Ob eine Bewährung möglich ist, hängt von der Höhe der Strafe ab. Somit sollte man, insbesondere im Hinblick auf diese nicht unbeachtliche Erhöhung des Strafrahmen, einen Rechtsanwalt in Strafsachen engagieren, der Sie umfassend berät und Ihren Fall eingehend überprüft.


Welche Faktoren sind bei Ermittlung des Strafmaßes entscheidend?

Für die Ermittlung des Strafmaßes wird die Stellung des Täters im Bandengefüge in den Blick genommen. Personen mit einem besonders hohen Maß an Verantwortung erhalten in der Regel höhere Strafen. Sollte wie vorliegend die Tat auch noch gewerbsmäßig begangen worden sein, wird dies auch berücksichtig werden. Die Höhe der Taterträge und die Anzahl der Taten sind ebenfalls Faktoren, welche die Ermittlung des Strafmaßes beeinflussen. Taterträge unterliegen im Übrigen der Einziehung durch die Staatskasse, und zwar auch für die Beute, die weitergegeben wurde, also nicht ins Vermögen des Abholers geflossen sind. 

Der gewerbs- und bandenmäßig begangene Betrug ist ein ernstzunehmender Vorwurf, bei dem eine hohe Strafe droht. Dies sollte nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Engagieren Sie zum frühestmöglichen Zeitpunkt einen versierten Strafverteidiger, welcher Ihnen zur Seite steht. Sie sollten bei einer Verhaftung, einer Hausdurchsuchung oder einer Vorladung vor allem keine Aussagen gegenüber der Polizei tätigen. Schweigen Sie und kontaktieren Sie einen Rechtsanwalt in Strafsachen! Tip bei Untersuchungshaft / Festnahme: Auch Familienmitglieder dürfen einen Anwalt beauftragen; im Idealfall sind sie dazu sogar vom Festgenommen bevollmächtigt. 

Foto(s): Heiko Urbanzyk

Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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