HessVGH: Keine Nachholung des Visumsverfahrens infolge der Schutzwirkungen von Ehe und Familie

  • 2 Minuten Lesezeit

Mit Beschluss vom 23.10.2015, Az. 6 B 1259/15, hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof entschieden, dass im Einzelfall wegen der aufenthaltsrechtlichen Schutzwirkungen des Art. 6 Abs. 1 GG  und Art. 8 Abs. 1 EMRK (Schutz von Ehe und Familie) vom formellen Erfordernis der Durchführung des Visumsverfahrens abzusehen ist und eine Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug auch im Inland durch die Ausländerbehörde erteilt werden kann.

Eine algerische Staatsangehörige reiste wiederholt mit einem Besuchervisum nach Spanien zu ihren dort lebenden Eltern. Als sie in Algerien einen in Deutschland lebenden deutschen Staatsangehörigen heiratet, reist sie wiederholt mit dem noch gültigen Besuchervisum zu ihren Eltern in Spanien und anschließend auch zum Ehemann in Deutschland. Eine zwischenzeitlich in Algerien besuchte Sprachschule konnte sie erstmal nicht mit Erfolg bestehen. Der Ehemann hat 3 Kinder aus vorausgegangener Ehe, welche bei ihm leben, während zu der Kindesmutter nur regelmäßiger Umgang besteht.

Beim 2. Besuchsaufenthalt der Betroffenen erfährt der Ehemann kurzfristig, dass die Mutter seiner Kinder aus Deutschland endgültig auswandert. Die Betroffene beantragt daraufhin während des Zeitraums des noch gültigen Visum eine Aufenthaltserlaubnis zur Familienzusammenführung ohne Nachholung des Visumsverfahrens, da der allein erziehende und erwerbstätige Ehemann und die schulpflichtigen Stiefkinder auf ihre familiäre Unterstützung angewiesen sind, welche noch zuvor zumindest teilweise von der Kindesmutter erbracht wurde.

Die zuständige Ausländerbehörde lehnt den Antrag ab, weil die Betroffene die erforderlichen Sprachkenntnisse nicht nachweisen kann und man keine besonderen Umstände sehe, die eine Durchführung des Visumsverfahrens als unzumutbar erscheinen lassen. Auch das hiergegen von Rechtsanwalt Zeljko Grgic eingelegte Rechtsmittel lehnt das Verwaltungsgericht Gießen ab.

Der hiergegen von Rechtsanwalt Grgic erhobenen Beschwerde gibt der HessVGH dann jedoch statt. Zu Recht habe man unter Berufung auf die Rechtsprechung des EuGH in Frage gestellt, ob und inwieweit die Sprachanforderungen für den Nachzug zu einem deutschen Ehegatten mit Unionsrecht überhaupt vereinbar sind. Wie die erst zum 01.08.2015 in Kraft getretene Härtefallregelung in der Praxis umgesetzt wird, sei auch noch nicht abzusehen, so dass die zwischenzeitlich zudem auch noch schwanger gewordene Betroffene im Falle der Nachholung des Visumsverfahrens voraussichtlich nicht zum vorgesehenen Geburtstermin wieder einreisen könnte.

Infolge der aufenthaltsrechtlichen Schutzwirkungen des Ehe- und Familienlebens ist daher von den formellen Erfordernissen des Visumsverfahrens abzusehen.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Zeljko Grgic

Beiträge zum Thema