Insolvenzverwalter darf Mitgliedschaft des Schuldners in Wohnungsbaugenossenschaft nicht kündigen

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Da ein gekündigter Genosse einer Wohnungsbaugenossenschaft bereits „mit einem Bein auf der Straße" steht und nach der Insolvenzordnung bei privater Insolvenz der Schuldner vor dem Verlust der Wohnung geschützt werden soll, ist es nach Ansicht des Landgerichts Berlin dem Insolvenzverwalter nicht möglich, die Mitgliedschaft des Schuldners in der Wohnungsbaugenossenschaft zu kündigen.

Mit Beschluss des Amtsgerichts Frankfurt/Oder vom 28. April 2006 wurde über das Vermögen eines Genossen einer Wohnungsbaugenossenschaft das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Schuldner bewohnte selbst eine Wohnung der Genossenschaft. Trotzdem meinte der Insolvenzverwalter, die Mitgliedschaft des Schuldners in der Genossenschaft kündigen zu müssen, um das Geschäftsguthaben zur Masse ziehen zu können. Die Genossenschaft wies die Kündigung der Mitgliedschaft durch den Insolvenzverwalters zurück.

Das Amtsgericht hat die Klage des Insolvenzverwalters auf Feststellung, dass die Mitgliedschaft des Schuldners an der Wohnungsbaugenossenschaft durch Kündigung beendet sei, zurückgewiesen.

Auch vor dem Landgericht kam der Insolvenzverwalter mit seinem Begehren nicht durch.

Zur Realisierung eines etwaigen Auseinandersetzungsguthabens des Schuldners an der Genossenschaft sei der Insolvenzverwalter (Treuhänder) vom Grundsatz her befugt, die Mitgliedschaft in der Genossenschaft zu kündigen. Jedoch bewohnt der Schuldner die Wohnung und die Insolvenzordnung bestimme, dass der Insolvenzverwalter eine Kündigung des Mietverhältnisses einer Mietwohnung des Schuldners nicht aussprechen könne, vielmehr an die Stelle der Kündigung das Recht des Insolvenzverwalters trete, zu erklären, dass Ansprüche, die nach Ablauf einer Frist fällig werden, nicht im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden könnten.

Jedoch ist der Schuldner kein Mieter und sein Verhältnis zur Genossenschaft ist kein Mietverhältnis, so dass sich die Frage stelle, ob die Norm, die die Kündigung eines Mietverhältnisses ausschließe, hier analog anzuwenden sei.

Eine analoge Anwendung eines Gesetzes setze eine planwidrige Regelungslücke voraus. Die sei hier gegeben.

Der gekündigte Genosse könne nicht einem normalen Mieter gleichgesetzt werden. Während der gekündigte Genosse seinen Wohnraum schon dann verliert, wenn ein weiterer Interessent die Wohnung beanspruchen möchte, so sei bei nicht genossenschaftlich gebundenem Wohnraum ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses nur dann gegeben, wenn der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat. Hinzukomme, dass die Fortsetzung eines Mietverhältnisses über eine Genossenschaftswohnung mit einem gekündigten Mitglied oder einem Nichtmitglied zu einer statuswidrigen Benachteiligung eines Bewerbers an einer Genossenschaftswohnung führe, der Genosse ist.

Somit stehe ein gekündigter Genosse schon „mit einem Bein auf der Straße". Nach dem Sinn der Insolvenzordnung sei aber davon auszugehen, dass jedenfalls bei privater Insolvenz der Schuldner vor einem Verlust seiner Wohnung geschützt werden soll.

Nach alledem sei die Norm analog anzuwenden, da anderenfalls Nutzern von Genossenschaftswohnungen der Schutz verwehrt würde, den Mieter von Wohnungen vom Gesetzgeber zugebilligt worden ist. Dies habe der Gesetzgeber sicherlich nicht so beabsichtigt.

Die Kündigung der Mitgliedschaft des Schuldners durch den Insolvenzverwalter ist von der Genossenschaft daher zu Recht zurückgewiesen worden.

(Quelle: Landgericht Berlin, Urteil vom 29.11.2011; 51 S 253/07
Vorinstanz: Amtsgericht Berlin-Charlottenburg, Urteil vom 23.05.2007; 203 C 473/06)

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