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Kaffeefahrten – Kommerz statt Kurztrip

  • 7 Minuten Lesezeit
Gabriele Weintz anwalt.de-Redaktion

Wer kennt das nicht: Im Briefkasten liegt eine Einladung zu einer Kaffeefahrt bzw. Tagesreise an einen schönen Ort oder man erhält eine persönliche Gewinnmitteilung, deren Gewinn auf besagter Kurzreise übergeben werden soll. Schöne Aussichten. Allerdings haben diese Einladungen meist einen Haken, denn höchstwahrscheinlich wird im Rahmen der Einkehr in eine Gaststätte eine Verkaufsveranstaltung stattfinden. Hauptsächlich Senioren nutzen diese Angebote, denn wer freut sich nicht über ein paar Stunden Abwechslung, Geselligkeit und Kommunikation, die eine solche Busreise, verbunden mit einem Mittagessen, Kaffee und Kuchen und sogar einem Geschenk oder Gewinn, bietet. Allerdings kommt das böse Erwachen schnell und es ist schwierig, dem ausgeklügelten Geschäftsmodell zu entrinnen.

Verkaufsveranstaltungen mit System

Ursprünglich kamen die Kaffeefahrten Mitte der 1950er-Jahre auf und haben bis heute Bestand. Die Verbraucherzentralen schätzen, dass in Deutschland pro Jahr ca. 100.000 Kaffeefahrten stattfinden. Allerdings wurde das System mit den Jahren immer ausgefeilter. Eine einfache und zunächst vielversprechende Einladung ist meist nur ein Lockmittel und der Beginn einer Verkaufsveranstaltung, der sich kaum eine der mitgereisten Personen entziehen kann.

Es beginnt oft schon damit, dass der Busfahrer bei der Abfahrt mitteilt, dass das geplante Reiseziel kurzfristig geändert wurde und es stattdessen zu einem entlegenen Gasthof fernab jeglicher touristischer Attraktionen geht. Dieses Vorgehen gehört auch zur Taktik, denn von dort kommt ein Teilnehmer ohne eigenes Auto nicht mehr weg und wird daher höchstwahrscheinlich an der Verkaufsveranstaltung teilnehmen. Dass das tatsächliche Ziel vor Abfahrt nicht bekannt ist, erschwert die polizeilichen Ermittlungen erheblich. Die Fahrt zum neuen Ziel dauert oftmals schon mehrere Stunden, da noch eine ganze Menge an Mitfahrern eingesammelt wird.

Endlich angekommen, erweisen sich das gemütliche Mittagessen und der anschließende Kaffee und Kuchen als Verkaufsveranstaltung für überteuerte Erzeugnisse aller Art. Hier wird von verkaufspsychologisch geschulten „Reiseleitern“ alles, was für die Zielgruppe interessant sein könnte, angeboten und als vermeintliche Schnäppchen deklariert. So gibt es beispielsweise Heizdecken, Kochtöpfe, Besteck, Messersets und Gesundheitsprodukte, z. B. Vitaminpillen, zu kaufen. Allerdings hat die Erfahrung gezeigt, dass die angepriesenen Artikel im Vergleich zu Angeboten im Fachhandel oft minderwertig und zudem noch überteuert sind.

Doch warum kauft jemand überhaupt etwas auf so einer Veranstaltung? Die Veranstalter arbeiten mit allen erdenklichen psychologischen Tricks und erzeugen so Gruppendruck und Schuldgefühle bei den Teilnehmern. Beispielsweise wird angedroht, dass das versprochene Mittagessen nicht serviert werden kann, solange der Umsatz nicht stimmt oder es werden Teilnehmer vor die Tür gesetzt, nur weil sie ihre Meinung kundtun. Zudem wird die Erteilung der anfangs versprochenen Gewinne oder Geschenke oftmals an einen Kaufvertrag gebunden. Besonders vorsichtig sollte man vor allem bei der Angabe seiner persönlichen Daten im Vertrag sein, denn in den meisten Fällen werden diese von den Veranstaltern weiterverkauft – als eine weitere gute Einnahmequelle.

Tipps und Tricks zur Vermeidung von Ärger

Die einfachste Möglichkeit, nicht in die Fänge von Kaffeefahrten-Betrügern zu geraten, ist, alle Einladungen zu solchen Tagesreisen unbeantwortet in den Papiermüll zu werfen. Sollte man sich dennoch entscheiden, an einer dieser Reisen teilzunehmen, kann man bereits vor der Abreise einige Vorkehrungen treffen, um nicht in den Sog der zwielichtigen Geschäftemacher zu geraten.

  • Machen Sie sich klar, dass nicht die touristischen Attraktionen im Mittelpunkt stehen, sondern der Verkauf der Waren.
  • Kein Teilnehmer kann dazu gezwungen werden, an der Verkaufsveranstaltung teilzunehmen.
  • Trotzdem haben die Teilnehmer Anspruch auf alle bezahlten Leistungen, z. B. Mittagessen, Kuchen und Ausflüge.
  • Nehmen Sie immer ein Handy mit, um im Notfall Hilfe holen oder ein Taxi rufen zu können. Es gibt Fällt, in denen Teilnehmer einer Kaffeefahrt solange im Verkaufsraum eingesperrt wurden, bis genug Ware verkauft war. In diesen Fällen sollten Sie immer die Polizei rufen.
  • Lassen Sie Kredit- und EC-Karten zu Hause und nehmen Sie so wenig Bargeld wie möglich mit. So geraten Sie erst gar nicht Versuchung, etwas zu kaufen.
  • Unterschreiben Sie auf keinen Fall ein Überweisungsformular zur Bezahlung erworbener Ware. Ein Widerruf bei der Bank mit Rückbuchung des Betrags wäre nicht möglich.
  • Denken Sie daran, dass die angebotenen Waren meist überteuer und/oder minderwertig sind.
  • Unterzeichnen Sie auf keinen Fall einen Vertrag.

Die Rechtslage bei erworbenen Waren

Grundsätzlich haben alle Teilnehmer an Kaffeefahrten ein 14-tägiges Widerrufsrecht nach § 312 I Nr. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) und können ohne Begründung vom Kaufvertrag zurücktreten. Damit dieser Widerruf auch problemlos möglich ist, sollte schon bei Abschluss des Vertrages auf Folgendes geachtet werden:

Der Vertrag muss das richtige Datum, den vollständigen Namen und die vollständige Adresse des Verkäufers enthalten. Viele Veranstalter benennen ihre Firma mit Phantasienamen und/oder geben als Adresse ein Postfach an. Beides reicht für den Zugang des späteren Widerrufs des Kaufvertrages nicht aus. Verlangen Sie in jedem Fall eine Vertragsdurchschrift.

Der Widerruf kann schriftlich ohne Begründung innerhalb von 14 Tagen nach Vertragsschluss erfolgen – aus Beweisgründen am besten per Einschreiben mit Rückschein. Eine Belehrung über das Widerrufsrecht muss bei Vertragsabschluss gesondert unterschrieben werden. Fehlt eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung, verlängert sich die Frist für die Erklärung des Widerrufs auf einen Monat.

Achtung: Der geschlossene Vertrag kann nicht widerrufen werden, wenn die Ware nicht mehr als 40 Euro gekostet hat, sofort bezahlt und mitgenommen wurde.

Auszahlung des versprochenen Gewinns

Auch der Gesetzgeber hat die zwielichtigen Praktiken der Veranstalter solcher Verkaufsfahrten erkannt und für solche Fälle den § 661a BGB entwickelt. Darin wird explizit geregelt, was eine Gewinnzusage ist und in welchen Fällen der Adressat seinen versprochenen Gewinn auch erhalten muss. Ausreichend für die Ankündigung eines Gewinns ist, dass der Eindruck eines tatsächlichen Gewinns erweckt wird. Dies ist immer dann der Fall, wenn die Mitteilung nach Inhalt und Gestaltung geeignet ist, von einem durchschnittlichen Verbraucher so verstanden zu werden, dass er den bereits gewonnenen Preis auch tatsächlich erhalten werde. Allerdings handelt es sich bei § 661a BGB nicht um einen Schadensersatzanspruch, sondern es wird lediglich ein rechtsgeschäftsähnliches Schuldverhältnis begründet, aus dem man dann die vertraglichen Ansprüche geltend machen kann.

So wurde der Veranstalter einer Kaffeefahrt durch das Amtsgericht (AG) Berlin-Charlottenburg zur Auszahlung des versprochenen Gewinns von 1500 Euro (zzgl. 5 % Zinsen) aus § 661a BGB verurteilt. Er hatte ein personalisiertes Anschreiben verfasst und einen persönlichen Scheck beigefügt. Das Schreiben vermittelte den Eindruck, dass nur noch der genannte Termin der Kaffeefahrt wahrgenommen, der Scheck mitgebracht und vor Ort unterschrieben werden müsse (AG Berlin-Charlottenburg, Urteil v. 27.01.2009, Az.: 226 C 238/08).

In einem ähnlich gelagerten Fall wurde der Versender einer Gewinnmitteilung zur Herausgabe eines Audi A2 im Wert von 22.500 Euro bzw. zur Auszahlung des Geldes in bar verurteilt. Er hatte ein persönliches Schreiben verfasst, das er als „offizielles Gewinndokument“ bezeichnet und unter Betreff „offizielle Gewinnankündigung“ vermerkt hatte. Auch hier stellte das Schreiben eine Gewinnzusage nach § 661a BGB dar, sodass die Empfängerin des Briefes davon ausgehen konnte, sie habe tatsächlich gewonnen (Oberlandesgericht Hamm, Urteil v. 08.02.2007, Az.: 21 U 138/06).

Strafbare Werbung

Im Zusammenhang mit Kaffeefahrten kann es sogar zu einer Verurteilung wegen strafbarer Werbung nach § 16 Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) kommen. Diese Regelung betrifft solche Fälle, in denen Verbraucher in größerer Anzahl mit bewusst unwahren und irreführenden Versprechen angelockt werden und der Eindruck erweckt wird, sie würden besondere Vorteile erlangen.

Ein Veranstalter von Kaffeefahrten wurde wegen strafbarer Werbung nach § 4 UWG a. F. (heute § 16 UWG) zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt, wobei die Strafe zur Bewährung ausgesetzt wurde. Er hatte mindestens 1.500 persönlich adressierte Werbeschreiben an ältere, nicht mehr berufstätige Personen versendet und in diesen Briefen ein „leckeres Mittagessen“ sowie die Aushändigung eines angeblichen „Topgewinns“ versprochen. Bei dem „leckeren Mittagessen“ handelte es sich jedoch nur um eine Konservendose mit Suppe bzw. Brechbohnen zum Mitnehmen. Die Aushändigung des „Topgewinns“ konnte nur dann stattfinden, wenn an der angebotenen Tagesbusreise teilgenommen wurde. In beiden Fällen entschied der Bundesgerichtshof (BGH), dass eine Strafbarkeit nach § 4 UWG a. F. wegen bewusst unwahren und irreführenden Versprechen vorlag (BGH, Urteil v. 15.08.2002, Az.: 3 StR 11/02).

Seriöser oder unseriöser Anbieter?

Nicht jeder Anbieter von Tagesreisen mit einer Einkehr in einen Gasthof ist ein Ganove und nur auf den Verkauf von überteuerten oder minderwertigen Produkten aus. Um nicht auf einen unseriösen Veranstalter hereinzufallen, sollte man beachten:

Unseriöse Firmen machen auf ihren Einladungen bzw. Gewinnmitteilungen keine Angaben zur Firma bzw. verwenden Phantasienamen; auch fehlen Angaben zur Rechtsform der Firma, zu Einträgen im Handelsregister bzw. zu Namen der Geschäftsführer. Es wird als Absender bzw. als Veranstaltersitz statt einer Adresse mit Straße und Hausnummer lediglich ein Postfach angegeben und es wird die Übergabe bzw. die Auslosung von Gewinnen und Geschenken versprochen, obwohl man nie an einem solchen Gewinnspiel teilgenommen hat.

(WEI)

Foto(s): ©Fotolia.com

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