Kann ich als Deutscher mit Migrationshintergrund / doppelter Staatsangehörigkeit abgeschoben werden?

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Häufig erlebe ich als Rechtsanwalt im Migrationsrecht die Besorgnis meiner Mandanten als Deutscher abgeschoben zu werden. Grund dafür sind die politischen Entwicklungen in der Bundesrepublik Deutschland, die Forderungen einiger rechter Politiker nach einer sog. „Remigration“ und die diesbezügliche Berichterstattung. Dies geht soweit, dass manche Rechte die Vertreibung „nicht assimilierter“ Menschen mit deutscher Staatsangehörigkeit fordern.

Meist handelt es sich bei den besorgten Mandanten, um Personen mit Migrationshintergrund und /oder mit der doppelten Staatsangehörigkeit. Doppelte Staatsangehörige sind Menschen, die neben der deutschen Staatsangehörigkeit die Staatsangehörigkeit eines anderen Staates besitzen.

Dieser Beitrag beleuchtet zusammenfassend die rechtliche Situation nach heutiger Rechtslage.


Wer ist eigentlich Deutscher?

Wer Deutscher ist regelt Art. 116 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Demnach ist Deutscher, wer die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt oder als Flüchtling oder Vertriebener deutscher Volkszugehörigkeit oder als dessen Ehegatte oder Abkömmling in dem Gebiet des Deutschen Reiches nach dem 31.12.1937 Aufnahme gefunden hat.

Darüber hinaus regelt Art. 116 Abs. 2 GG, dass frühere deutsche Staatsangehörige, denen zwischen dem 30. Januar 1933 und dem 8. Mai 1945 die Staatsangehörigkeit aus politischen, rassischen oder religiösen Gründen entzogen worden ist, und ihre Abkömmlinge auf Antrag wieder einzubürgern sind. Sie gelten als nicht ausgebürgert, sofern sie nach dem 8. Mai 1945 ihren Wohnsitz in Deutschland genommen haben und nicht einen entgegengesetzten Willen zum Ausdruck gebracht haben.

Die Staatsangehörigkeit wird nach dem Staatsangehörigkeitsgesetz durch Geburt (§ 4 StAG), durch Erklärung (§ 5 StAG), durch Annahme als Kind (§ 6 StAG), durch Ausstellung einer Bescheinigung nach dem Bundesvertriebenengesetz (§ 7 StAG) und durch Einbürgerung (§§ 8 – 16, 40b und 40c StAG) erworben.


Wann verliere ich meine Staatsangehörigkeit?

Die Staatsangehörigkeit geht nach § 17 StAG durch Entlassung (§§ 18 bis 24 StAG), durch den Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit (§ 25 StAG), durch Verzicht (§ 26 StAG), durch Annahme als Kind durch einen Ausländer (§ 27 StAG), durch Eintritt in die Streitkräfte oder einen vergleichbaren bewaffneten Verband eines ausländischen Staates oder durch konkrete Beteiligung an Kampfhandlungen einer terroristischen Vereinigung im Ausland (§ 28), durch Erklärung (§ 29 StAG) oder durch Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes (§ 35 StAG), verloren.

Die Staatsangehörigkeit kann nach § 35 Abs. 1 StAG bei einer rechtswidrigen Einbürgerung oder einer rechtswidrigen Genehmigung zur Beibehaltung der deutschen Staatsangehörigkeit innerhalb von 10 Jahren zurückgenommen werden, wenn diese durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung oder durch vorsätzlich unrichtige oder unvollständige Angaben, die wesentlich für seinen Erlass gewesen sind, erwirkt worden ist. Nach § 35 Abs. 2 StAG steht der Rücknahme die Staatenlosigkeit des Betroffenen nicht entgegen.

Grundsätzlich könnte man denken, dass eine rechtmäßige Einbürgerung nachträglich zurückgenommen werden (Widerruf) könnte. Dies wäre aber unzulässig, da es einem unzulässigen Entzug nach Art. 16 Abs. 1 GG gleichkommen würde und auch mit dem Wortlaut des § 35 Abs. 1 StAG („kann nur zurückgenommen werden, wenn…“)  nicht vereinbar wäre.


Darf meine Staatsangehörigkeit entzogen werden? Droht mir der Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit als doppelter Staatsangehöriger? Kann ich abgeschoben werden?

Die Staatsangehörigkeit darf einem deutschen Staatsangehörigen nach Art. 16 Abs. 1 S. 1 GG nicht entzogen werden. 

Der Verlust darf nach Art. 16 Abs. 1 S. 2 GG nur aufgrund eines Gesetzes eintreten, wenn der Betroffene nicht staatenlos wird. 

Ein solches Gesetzes stellt das o.g. Staatsangehörigkeitsgesetz dar. Mit § 28 Abs. 1 StAG besteht zum Beispiel bereits jetzt eine solche Regelung, wonach doppelte Staatsangehörige durch Eintritt in die Streitkräfte oder einen vergleichbaren bewaffneten Verband eines ausländischen Staates oder durch konkrete Beteiligung an Kampfhandlungen einer terroristischen Vereinigung im Ausland ihre deutsche Staatsangehörigkeit verlieren.

Die Schaffung von schärferen Gesetzen im Hinblick auf den Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit für doppelte Staatsangehörige wäre in Zukunft im regulären Gesetzgebungsverfahren weiterhin möglich, da doppelte Staatsangehörige nicht staatenlos werden würden. Ein solches Gesetz müsste mit dem Grundgesetz vereinbar sein. 

Die oben genannte Regelung des § 35 Abs. 2 StAG, wonach die Rücknahme einer rechtswidrigen Einbürgerung oder einer rechtswidrigen Genehmigung zur Beibehaltung der deutschen Staatsangehörigkeit der Staatenlosigkeit des Betroffen nicht entgegensteht, soll nach dem Gesetzgeber im Einklang mit dem Grundgesetz stehen. Die Belassung der Staatsangehörigkeit in einem solchen Fall soll nicht den Willen der Väter des Grundgesetzes entsprochen haben und damit nicht vom Schutzzweck des § 16 Abs. 1 S. 2 GG umfasst sein.

Eine Änderung des Art. 16 GG müsste mit 2/3-Mehrheit des Bundestages erfolgen. Eine Änderung des Grundgesetzes, durch welche die Gliederung des Bundes in Länder, die grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung oder die in den Artikeln 1 und 20 niedergelegten Grundsätze berührt werden, wäre unzulässig. Für eine Verfassungsänderung bestehen hohe Hürden.

Im Ergebnis kann die deutsche Staatsangehörigkeit nicht einfach vom Staat weggenommen werden. Deutsche genießen die im Grundgesetz garantierten Rechte und können nicht einfach abgeschoben werden. Nach Art. 11 GG genießt jeder Deutsche das Recht, sich an jedem Ort in Deutschland aufzuhalten oder Wohnsitz zunehmen. Aus Art. 12 GG ergibt sich, dass jeder Deutscher sich in beruflicher Hinsicht überall in Deutschland niederlassen darf. 

Nach heutiger Rechtslage muss sogar bei ausreisepflichtigen Ausländern (kein Aufenthaltsrecht) die Abschiebung in einen anderen Staat tatsächlich und rechtlich möglich sein. Sofern dies nicht der Fall ist, wird die Abschiebung ausgesetzt (Duldung).


Sollten Sie weitere Fragen rund um das Thema Staatsangehörigkeitsrecht haben, können Sie uns jederzeit kontaktieren, um einen kostenpflichtigen Beratungstermin zu vereinbaren.


Foto(s): pixabay.com


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