Kausalität und Hypothetische Einwilligung: Zwei zentrale Konzepte im Arzthaftungsrecht

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Kausalität und Hypothetische Einwilligung: Zwei zentrale Konzepte im Arzthaftungsrecht; BGH vom 2. Juli 2024 (VI ZR 363/23)


Im Arzthaftungsrecht spielen die Konzepte der Kausalität und der hypothetischen Einwilligung eine entscheidende Rolle. Diese zwei juristischen Prinzipien können darüber entscheiden, ob ein Arzt haftbar gemacht wird oder nicht. Doch was bedeuten diese Begriffe genau, und wie werden sie in der Praxis angewendet? In diesem Artikel werden wir diese Fragen beantworten und einen aktuellen Fall des Bundesgerichtshofs (BGH) zum besseren Verständnis heranziehen.

Kausalität im Arzthaftungsrecht

Der Begriff der Kausalität beschreibt im Recht den Zusammenhang zwischen einer Handlung und einem daraus resultierenden Schaden. Im Kontext des Arzthaftungsrechts bedeutet dies, dass ein Patient nachweisen muss, dass der entstandene Schaden (z.B. eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes) auf einen Behandlungsfehler des Arztes zurückzuführen ist.

Nehmen wir den Fall des BGH vom 2. Juli 2024 (VI ZR 363/23) als Beispiel. Ein Patient erlitt aufgrund eines Behandlungsfehlers bei der Anlage eines Arteria-brachialis-Katheters schwere Durchblutungsstörungen, die letztlich zur Amputation seines linken Unterarms führten. Hier musste der Kläger nachweisen, dass die falsche Katheteranlage ursächlich für den Schaden war. Dies nennt man die Äquivalenztheorie, die besagt, dass eine Handlung nicht weggedacht werden kann, ohne dass der Schaden entfällt.

Das Gericht stellte fest, dass sowohl die fehlerhafte Katheteranlage als auch das Versäumnis, den Katheter rechtzeitig zu entfernen, kausale Faktoren für die entstandenen Schäden waren. Dies zeigt, dass Kausalität nicht nur auf die unmittelbare Handlung, sondern auch auf unterlassene Handlungen bezogen werden kann.

Hypothetische Einwilligung

Die hypothetische Einwilligung ist ein weiteres komplexes Konzept im Arzthaftungsrecht. Sie besagt, dass ein Arzt sich darauf berufen kann, dass der Patient auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung in die Behandlung eingewilligt hätte. Dies bedeutet, dass selbst wenn eine Aufklärungspflicht verletzt wurde, keine Haftung besteht, wenn der Patient sich dennoch für die Behandlung entschieden hätte.

Im genannten Fall des BGH wurde auch die Aufklärungspflicht thematisiert. Die Eltern des Patienten wurden nicht vollständig über die Risiken der Katheteranlage, insbesondere die Gefahr eines Extremitätenverlustes, aufgeklärt. Hier stellt das Gericht die Frage, ob die Eltern auch bei vollständiger Aufklärung in die Behandlung eingewilligt hätten. Ein häufiger Aspekt bei der Untersuchung der hypothetischen Einwilligung ist, ob der Patient oder seine gesetzlichen Vertreter in einem “echten Entscheidungskonflikt” gestanden hätten.

Das Berufungsgericht hat jedoch diesen Aspekt fehlerhaft behandelt, indem es die hypothetische Einwilligung mit der eigentlichen medizinischen Indikation vermischte. Das BGH urteilte, dass für die Frage der hypothetischen Einwilligung ausschließlich die persönliche Entscheidungssituation aus damaliger Sicht maßgeblich ist und nicht, ob die Behandlung medizinisch notwendig war.

Zusammenfassung und Bedeutung für die Praxis

Im Arzthaftungsrecht müssen sowohl Kausalität als auch hypothetische Einwilligung sorgfältig geprüft werden, um eine gerechte Entscheidung zu treffen. Die Kausalität stellt sicher, dass nur solche Schäden ersetzt werden, die tatsächlich durch den Behandlungsfehler verursacht wurden. Die hypothetische Einwilligung hingegen bietet dem Arzt eine Verteidigungsmöglichkeit, falls der Patient auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung der Behandlung zugestimmt hätte.

In der Praxis bedeutet dies für Patienten und Ärzte, dass nicht nur der Behandlungsfehler, sondern auch der ursächliche Zusammenhang zwischen Fehler und Schaden nachgewiesen werden muss. Gleichzeitig muss plausibel gemacht werden, dass ein echter Entscheidungskonflikt vorgelegen hätte, falls die Aufklärung korrekt erfolgt wäre.

Fazit

Dieser Entscheidung  verdeutlicht die zentrale Bedeutung der Kausalität und der hypothetischen Einwilligung im Arzthaftungsrecht. Beide Konzepte helfen dabei, die Rechte von Patienten zu schützen und gleichzeitig den Ärzten eine faire Verteidigung zu ermöglichen. Ein sorgfältiger Umgang mit beiden Prinzipien trägt dazu bei, Gerechtigkeit im Arzt-Patienten-Verhältnis herzustellen.


Quellen:

  1. Bundesgerichtshof, Urteil vom 2. Juli 2024 - VI ZR 363/23.

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