Künstlersozialversicherung: Tätowierer sind Künstler ... (BSG, Urt. v. 27.06.2024, B 3 KS 1/23 R)
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… aber das gilt nicht ausnahmslos. Die Künstlersozialversicherung (KSV) bietet selbständigen Künstlern und Publizisten einen erheblichen Vorteil, da sie ähnlich wie Angestellte Zugang zur gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung erhalten, jedoch nur etwa die Hälfte der Beiträge zahlen müssen. Die andere Hälfte wird durch einen Bundeszuschuss und eine Abgabe der Unternehmen, die künstlerische oder publizistische Leistungen verwerten, finanziert. Dadurch erhalten Künstler und Publizisten eine soziale Absicherung, die ihre Existenz in wirtschaftlich unsicheren Phasen stabilisiert. Außerdem fördert die KSV die kulturelle Vielfalt, indem sie kreativen Berufen eine verlässliche soziale Absicherung bietet. Insgesamt trägt sie dazu bei, dass Künstler sich mehr auf ihre kreative Arbeit konzentrieren können, ohne sich übermäßig um ihre soziale Sicherheit sorgen zu müssen.
Vor ca. zwanzig Jahren schwelte der Streit, ob Tätowierer als Künstler anzusehen sind und damit Mitglieder der Künstlersozialversicherung werden können. Das Bundessozialgericht entschied zwar einen Fall dazu positiv, aber mit "erkennbaren Bauchschmerzen". In den unteren Instanzen unterlagen Tätowierer regelmäßig und irgendwann ließen ihre Bestrebungen auch nach. Jetzt aber, nach über zwanzig Jahren, hatte eine Tätowiererin es wieder versucht und war anders als ihre Vorgänger bereits in erster Instanz erfolgreich. Berufung und Revision wurden immer von der Künstlersozialkasse (KSK) eingelegt. In letzter Instanz gab das BSG der Klägerin recht (Urteil vom 27.06.2024, B 3 KS 1/23 R).
Bisher wurde Tätowieren traditionell als handwerkliche Tätigkeit angesehen. Der Schwerpunkt lag auf manuellen und technischen Fähigkeiten. Kreative Elemente wurden anerkannt, aber die Tätigkeit als primär handwerklich eingestuft, selbst, wenn kreative Komponenten vorhanden waren. Jetzt werden Tätowierungen als bildende Kunst angesehen, wenn sie bestimmte Kriterien erfüllen: Entscheidend ist, dass der Tätowierer künstlerisch ausgebildet oder anerkannt ist. Der Entwurf des Motivs und dessen Umsetzung müssen zu einem Gesamtkunstwerk verwoben sein. Die Tätigkeit darf nicht nur die technische Umsetzung einer kreativen Idee sein. Das Ergebnis muss ein Unikat sein, das nicht seriell produziert oder vermarktet wird.
Ein Wandel in der allgemeinen Verkehrsanschauung wird dennoch nicht festgestellt: Nicht jedes Tattoo ist Kunst und nicht jeder Tätowierer ist ein Künstler.
Anwendung auf den konkreten Fall
Die Klägerin, eine diplomierte Designerin und anerkannte Illustratorin und Zeichnerin, wird als Künstlerin anerkannt. Ihre Tätowierungen sind individuelle kreative Motive, die als Gesamtkunstwerke gelten und Unikate bleiben. "Diese Tattoos bilden ein einheitliches Gesamtkunstwerk, bei dem sich zwischen Motiv und Umsetzung nicht trennen lässt, sie bleiben Unikate und werden nicht seriell verwendet, weder von der Klägerin noch von Dritten. Die Klägerin ist danach nicht Tätowiererin, sondern Künstlerin, die (auch) tätowiert."
Die Klägerin ist daher als Künstlerin versicherungspflichtig in der Künstlersozialversicherung, auch wenn sie tätowiert.
Diese Klarstellung erweitert die Anerkennung von Tätowierern als Künstler unter bestimmten Voraussetzungen und präzisiert die Abgrenzung zwischen handwerklicher und künstlerischer Tätigkeit im Bereich des Tätowierens.
Im Ergebnis bleibt es bei Einzelfallentscheidungen. Jeder Tätowierer wird seinen eigenen Sachverhalt zur Überprüfung stellen müssen.
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