Materialpreiserhöhungen am Bau – Welche vertraglichen Möglichkeiten gibt es?

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Materialpreiserhöhungen am Bau gibt es seit jeher. In letzter Zeit jedoch sind die Preise nochmals enorm gestiegen, u.a. bedingt durch internationale Betriebsausfälle und -schließungen aufgrund der Covid-19-Pandemir. Was ist nun vertraglich möglich und welche Grenzen gibt es hierbei? Hier gilt es zu unterscheiden zwischen bestehenden Verträgen (Altverträge) und neu abzuschließenden Verträgen (Neuverträge).

1. Neuverträge

Bei neuen Verträgen können die Unternehmer dieses Risiko vertraglich dem Auftraggeber aufbürden. Angesichts der Unsicherheiten von Materiallieferungen und Preissteigerungen am Bau sind die Unternehmer oftmals nicht gewillt, sich hier vertraglich auf einen konkreten Preis zu binden, oder wenn, dann nur zeitlich begrenzt in einem Zeitrahmen von 1 bis 1 ½ Jahren. Das Preissteigerungsrisiko wird daher gerne dem Bauherren als Auftraggeber aufgebunden.

Möglich wäre auch, dass sich Unternehmer in den Verträgen sog. Materialpreisklauseln vorbehalten. Aber hier gibt es einige Grenzen zu beachten, wie z.B. dass nach § 309 Nr. 1 BGB Preisanpassungen innerhalb der ersten 4 Monate nach Vertragsschluss unzulässig sind. Auch darf der Auftraggeber durch solche Klauseln nicht unzumutbar benachteiligt werden. Ob und wann diese Grenze erreicht ist, können oftmals nur Gerichte entscheiden.

Alternativ käme auch eine Vorauszahlung des Auftraggebers in Betracht, um drohende Steigerungen im Vorfeld abzufedern, wobei die Höhe begrenzt werden sollte, um ein mögliches Insolvenzrisiko nicht dem Auftraggeber zu überlassen. Im Gegenzug sollte sich der Auftraggeber auch Sicherheiten in Form einer sog. Vorauszahlungs- und Vertragserfüllungsbürgschaft vom Unternehmer geben lassen.

 

2. Altverträge

Verträge, die schon abgeschlossen wurden, bergen für den Unternehmer das Risiko, dass der Unternehmer in seiner Kalkulation den sogenannten Wagnis-Zuschlag einkalkuliert hat, dieser aber viel zu gering eingepreist wurde. Dieser soll unter anderem das Risiko steigender Einkaufspreise abfedern. Jedoch enthält solch ein Zuschlag nur Preissteigerungen, die üblich sind und mit denen man in den letzten Jahren rechnen konnte.

Im Grundsatz gilt hier: Ohne eine ausdrückliche vertragliche Vereinbarung, wie z.B. die erwähnte Materialpreisgleitklausel, besteht kein Anspruch des Unternehmers auf eine Preisanpassung. Das Risiko von Preissteigerungen trägt der Auftragnehmer.

Bei den jüngsten Preiserhöhungen von über 50 % und mehr in knapp einem Jahr ist das Risiko für die meisten Unternehmer nicht vorhersehbar. Der Unternehmer muss und kann in solchen Fällen das Risiko nicht vollumfänglich tragen. Das Gesetz sieht in § 313 BGB die Möglichkeit einer Anpassung über die Rechtsfigur der „Störung der Geschäftsgrundlage“. Wenn sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrages geworden sind, nach Vertragsschluss erheblich verändern und die Parteien den Vertrag nicht, jedenfalls aber nicht so wie geschehen, abgeschlossen hätten, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, kann eine Anpassung des Vertrages verlangt werden. Insofern ist die Norm durchaus die Grundlage dafür, dass der Unternehmer in einem ersten Schritt mit dem Auftraggeber versucht, hierdurch eine einvernehmliche Anpassung zu erreichen. Notfalls kann im Falle des Scheiterns von Gesprächen auch der Unternehmer versuchen, dies gerichtlich durchzusetzen.

Zwar mag sich der Auftraggeber hier stur zeigen wollen und auf seinen Vertrag berufen, aber die Folgen bei mangelnder Gesprächsbereitschaft wären zum einen, dass mangels Einigung der Bau still stehen könnte und ein durchaus erheblicher Bauzeitverzug eintreten kann. Weiterhin besteht das nicht unbeachtliche Risiko, dass der Auftragnehmer aufgrund der Materialpreiserhöhungen Insolvenz anmelden müsste und der Bauherr im Ergebnis noch schlechter dasteht, als wenn er sich im Vorhinein mit einer Zwischenlösung zufrieden gegeben hätte. Bei einer Insolvenz müsste der Auftraggeber die Restarbeiten von einer Drittfirma ausführen lassen, was mit Mehrkosten verbunden ist, bedingt durch die Preise nach aktueller Marktlage. Zudem ist die Gefahr hoch, dass der Auftraggeber von seinem bisher an den Unternehmer gezahlten Geld bei einer Insolvenz nur wenig zurückerhält, wenn überhaupt.

Bei Verträgen unter Geltung der VOB/B besteht die Besonderheit, dass bspw. Mengenmehrungen um mehr als 10 % der ursprünglich vorgesehenen Menge zu einem angepassten neuen Preis geltend gemacht werden können, § 2 Abs. 3 VOB/B. Das Risiko der Materialpreiserhöhung liegt grundsätzlich beim Auftragnehmer bis zu 110 % der Ursprungsmenge. Ab Überschreitung dieser Menge kann eine Materialpreiserhöhung direkt durchgereicht werden, ebenso, wenn der Bauherr geänderte oder zusätzliche Leistungen wünscht.



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