medizinische Begutachtung: Vertrauensperson darf anwesend sein!

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Gerichte und Behörden erwarten von KlägerInnen, daß sie bei der gerichtlichen Aufklärung mitwirken. Was aber aus deren Sicht ganz "normal" und üblich ist, erscheint vielen KlägerInnen als eine Herausforderung, wenn nicht gar unüberwindliche Hürde. "Ich soll zu einem Gutachter? Was muß ich da sagen? Was will der von mir hören?" Eine häufig vorkommende Sorge, die nicht für alle Betei-ligten (Richter, Anwälte, Mediziner) nachvollziehbar ist. 

"Zwang" zum alleinigen Erscheinen beim Sachverständigen?

Geht der Betreffende nicht zum Termin, wirft man ihm häufig Beweisvereitelung oder Vereitelung der Aufklärung vor und weist die Klage ab. In den meisten Fällen ist die Gesundheit des Klägers nun einmal entscheidungserheblich, z. B. bei Erwerbsminderung, Arbeitsunfähigkeit oder Schwerbehinderung.

Vertrauensperson darf anwesend sein ...


Das Bundessozialgericht hat jetzt die Besorgnis der KlägerInnen aufgegriffen und der Erwartungshaltung der Juristen einen Dämpfer erteilt. Im Streitfall wehrte sich der Kläger gegen die Herabset-zung des bei ihm ursprünglich festgestellten Grades der Behinderung (GdB) durch das Versor-gungsamt von 50 auf 20 wegen abgelaufener Heilungsbewährung. Es ging um orthopädische Leiden (HWS, LWS), Arthrose, Schwerhörigkeit und Sehbehinderung. Das zuständige SG bestellte einen Orthopäden zum Gutachter. Der ließ sich jedoch entpflichten, weil der Kläger zum Termin seine Tochter mitgebracht und auf ihrer Anwesenheit während der gesamten Untersuchung bestanden hatte: Die Anwesenheit Dritter stoße ei ihm prinzipiell auf erhebliche Bedenken, da die Erhebung objektiver Befunde erschwert werde. Bei dem daraufhin bestellten Sachverständigen erschien der Mann in Begleitung seines Sohns, woraufhin auch dieser Experte die Arbeit verweigerte: Durch die Anwesenheit einer Begleitperson entstehe eine "Zeugenungleichheit". Das SG wies die Klage kur-zerhand ab: Die Heilungsbewährung sei eingetreten. Das LSG machte in 2. Instanz ebenfalls kurzen Prozeß: Der Behinderte habe eine weitere Aufklärung vereitelt und dadurch die Beweislast umgedreht. Das Bundessozialgericht, (Urt. v. 27.10.2022, B 9 SB 1/22 R) sah es anders : Der zu Begutachtende sei grundsätzlich frei darin, eine Vertrauens-person zu seiner Untersuchung mitzunehmen.

... aber nicht in jedem Fall.

So einfach ist es dann doch nicht, denn ein Gericht könne jedoch deren Ausschluss anordnen, wenn ihre Anwesenheit im Einzelfall "eine geordnete, effektive oder unverfälschte Beweiserhebung erschwert oder verhindert". Differenzierungen zum Beispiel nach der Beziehung des Beteiligten zur Begleitperson oder dem medizinischen Fachgebiet seien dabei in Betracht zu ziehen. Das BSG hat wahrscheinlich in erster Linie auf psychiatrische Gutachten abgezielt. Bei psychiatrischen Gutachten kommt es gerade auf die völlig unbeeinflußte Persönlichkeit des Klägers/in an, während bei anderen Gutachten Anwesende nichts an einer Arthrose, Hörminderung oder einem Diabetes ändern.

Es gibt also keinen Grund, vor einer Begutachtung zurück zu schrecken. Sehen Sie es als Chance: Es verschafft Ihnen in vielen Fällen Klarheit. Mit der entsprechenden Vorbereitung können Sie sich dafür wappnen und Ihre Besorgnisse gezielt vortragen. Ich helfe Ihnen dabei..



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