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Millionenerbe: Wann Eltern für ungeborene Kinder ein Erbe trotzdem ausschlagen dürfen

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Kann man ein millionenschweres Erbe für das eigene Kind ausschlagen, um Erbschaftssteuer zu sparen? Diese Frage wurde kürzlich vom Bundesgerichtshof (BGH) in einem Beschluss beantwortet. Die Entscheidung zeigt, unter welchen Umständen Eltern ein Erbe im Namen ihres ungeborenen Kindes ausschlagen können, ohne die Genehmigung des Familiengerichts einholen zu müssen.


Der Fall: Ausschlagung zur Steueroptimierung

Eine Millionärin hinterließ einen Nachlass von rund 1.256.000 Euro. In ihrem Testament bestimmte sie ihren Ehemann als Alleinerben und setzte ihre beiden Kinder als Ersatzerben ein. Sollte einer der Ersatzerben wegfallen, sollten deren Nachkommen erben. Als die Frau verstarb, war die Ehefrau ihres Sohnes schwanger.

Aus Angst vor der hohen Erbschaftssteuer beschlossen der Ehemann und die beiden Kinder, das Erbe auszuschlagen. Der Sohn schlug das Erbe auch für sein ungeborenes Kind aus, in der Hoffnung, dass durch die gesetzliche Erbfolge die Steuerlast besser verteilt würde.

Das Nachlassgericht verlangte vom Sohn eine Genehmigung des Familiengerichts für die Ausschlagung im Namen des ungeborenen Kindes. Das Familiengericht verweigerte jedoch die Genehmigung mit der Begründung, dass das Kind später von einem erheblichen Erbe profitieren würde. Daraufhin lehnte das Nachlassgericht die Ausstellung eines Europäischen Nachlasszeugnisses auf Grundlage der gesetzlichen Erbfolge ab.

Entscheidung des BGH: Keine Genehmigung des Familiengerichts nötig

Der Fall ging schließlich zum BGH. Das Oberlandesgericht (OLG) hatte zuvor argumentiert, dass eine "lenkende Ausschlagung", die den Eltern einen wirtschaftlichen Vorteil verschafft, nicht genehmigungsfrei möglich sei und die "lenkende Ausschlagung" nach § 1643 Abs. 3 S. 1 BGB für diesen Fall teleologisch reduziert werden müsste.

Der BGH sah dies jedoch anders:

In seinem Beschluss vom 04.09.2024 (Az.: IV ZB 37/23) entschied der BGH, dass Eltern keine zusätzliche Genehmigung des Familiengerichts benötigen, um ein Erbe für ihr Kind auszuschlagen – selbst wenn die Ausschlagung zu einem finanziellen Vorteil für sie selbst führt.

Die Begründung:

  • Keine Regelungslücke: Der BGH sah keinen Grund, den Anwendungsbereich des § 1643 Abs. 3 S. 1 BGB einzuschränken. Laut den BGH-Richtern gibt es keine Regelungslücke, die eine zusätzliche Genehmigungspflicht durch das Familiengericht begründen würde.

  • Gesetzgeberische Absicht: Der Gesetzgeber hatte seinerzeit keinen Interessenkonflikt für möglich gehalten, wenn ein Elternteil zunächst sein eigenes Erbe ausschlägt und anschließend als gesetzlicher Vertreter für das Kind handelt. Dies gelte auch dann, wenn der Nachlass beträchtlich ist und die Ausschlagung lediglich steuerlich motiviert ist.

  • Rechtssicherheit: Selbst wenn ein Interessenkonflikt besteht, rechtfertige dies nicht, die "lenkende" Ausschlagung eines werthaltigen Nachlasses aus Gründen der Rechtssicherheit von einer familiengerichtlichen Genehmigung abhängig zu machen.

Fazit:

Die Entscheidung des BGH stärkt das Recht der Eltern, im Namen ihrer Kinder Vermögensentscheidungen zu treffen und steueroptimierend zu handeln. Sie zeigt, dass selbst bei erheblichen Nachlässen und steuerlichen Überlegungen keine familiengerichtliche Genehmigung für die Ausschlagung des Erbes erforderlich ist.



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Foto(s): Can Kaya

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