Motor EA 288: Landgericht Hanau verurteilt die Volkswagen AG zum Schadensersatz

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Verbraucherfreundliches Urteil zum Motor EA 288: In einem von der Kanzlei Aslanidis, Kress & Häcker-Hollmann geführten Verfahren wurde die Volkswagen AG gem. §§ 826, 831 BGB zu Schadensersatz verurteilt (Urteil vom 10.07.2020, Az. M4 O 333/19). Die Volkswagen AG muss an den Kläger einen Betrag in Höhe von 12.696,27 € nebst Zinsen, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs zahlen. Bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug handelt es sich um einen VW Golf Variant VII Highline, Euro 6. Der von der Volkswagen AG entwickelte und hergestellte Motor EA 288 war nicht von einem amtlichen Rückruf betroffen.

Der Kläger erwarb das Auto im Jahr 2019 als Gebrauchtwagen, der zum Zeitpunkt des Erwerbs einen Kilometerstand in Höhe von 88.194 km aufwies, Erstzulassung war im Jahr 2014. Er sah sich von der Beklagen bei Erwerb des streitgegenständlichen Golf VII getäuscht und wollte sein Geld zurück haben. Erstinstanzlich vorgetragen wurde, dass der streitgegenständliche PKW neben einem als unzulässig einzustufenden Thermofenster auch über eine Zykluserkennung funktioniert, die den Schadstoffausstoß reguliert. Die Testergebnisse wurden dahingehend manipuliert, dass die nach der Euro-6 Norm vorgeschriebenen Abgaswerte nur auf dem Prüfstand eingehalten wurden, was im realen Fahrbetrieb des Fahrzeugs nicht der Fall ist. Dort würde der Schadstoffausstoß um ein Vielfaches überschritten.

Landgericht Hanau urteilt über Motor EA 288 und stuft das Verhalten von Volkswagen als sittenwidrig ein

Das Gericht sah es als erwiesen an, dass das streitgegenständliche Fahrzeug über eine Zykluserkennung verfügt und diese als illegale Abschalteinrichtung zu qualifizieren sei. Danach erkenne die Software des Motors auch im streitgegenständlichen Fahrzeug anhand von Lenkeinwirkung, Temperaturerkennung und Zeiterfassung, dass das Fahrzeug den Prüflauf nach dem Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) durchfährt. Es wird dann ein spezieller Betriebsmodus aktiviert, in dem die Abgasrückführungsquote über das AGR-Ventil substantiell erhöht wird. Im normalen Straßenbetrieb wird das Fahrzeug hingegen mit einer niedrigeren Abgasrückführungsrate betrieben, wodurch der Schadstoffausstoß signifikant erhöht wird. Das Gericht führt insoweit zutreffend aus, dass das Vorhandensein einer solchen Zykluserkennung – wie die Umstände im Zusammenhang mit dem Motor EA 189 belegen – zum Erlöschen oder dem Entzug der allgemeinen Betriebserlaubnis führen kann. Dies muss den handelnden beziehungsweise Verantwortlichen bei der Beklagten bewusst gewesen sein, weshalb sie vorsätzlich handelten. Das Gericht führt weiter zutreffend aus, dass den Mitarbeitern der Beklagte klar gewesen sein muss, dass der vernünftige Durchschnittskäufer, wenn er ein für den Betrieb im Straßenverkehr vorgesehenes Fahrzeug erwirbt, davon ausgeht, dass das Fahrzeug die rechtlichen Voraussetzungen der Zulassung erfüllt und der Hersteller die erforderliche Erlaubnisse und Genehmigungen nicht durch eine Täuschung erwirkt hat. Das Gericht stufte das Verhalten auch als sittenwidrig ein, weil die Mitarbeiter der Beklagten so versuchten, einen Wettbewerbsvorteil zu erlangen. Die daraus zu nehmende Gesinnung, massenhaft Käufer zu täuschen, Wettbewerber zu benachteiligen und den hinter diesen Regelungen stehenden Umweltschutzgedanken zu untergraben, sei insgesamt als sittenwidrig einzustufen. Dabei mache es keine Unterschied, ob es sich um einen Neu- oder Gebrauchtwagen handle, weil die Erwartung an den Fortgestand der erteilten Zulassung identisch ist. Eine Exkulpation für das Verhalten ihrer Mitarbeiter liege für die Beklagte nicht vor.

Urteil zum Motor EA 288: Thermofenster liegt unstreitig vor

In Bezug auf ein ebenfalls unstreitig vorliegendes Thermofenster stelle sich das Gericht auf den Standpunkt, dass es unerheblich sei, ob dieses eine illegale Abschalteinrichtung darstellen würde. Jedenfalls sei eine Verwendung des Thermofensters durch die Beklagte nicht als vorsätzliches Verhalten einzustufen gewesen. Hierbei stellt es sich auf den Standpunkt, dass es Art. 5 Abs. 2 Satz 2 der VO (EG) Nr. 715/2007 im Hinblick auf den Ausnahmetatbestand des Motorschutzes an hinreichender Konkretisierung und rechtsstattlicher Bestimmtheit fehlen würde. Demnach würde der weit gefasste Normtext auch eine Auslegung erlauben, wonach selbst lange Zeiträume der Abschaltung zulässig sind, sofern damit nur selbst geringfügige mögliche Beschädigungen vermieden werden können. Dies ist natürlich so nicht haltbar, weil damit auch die Abschaltung bei den EA 189-Motoren, welche den Abgasskandal auslösten, gerechtfertigt werden könnte. Nachdem das Gericht aber aus anderen Gründen zugesprochen hat, kommt es auf diese Detail nicht grundlegend an.

Zugesprochen wurde dem Kläger der Kaufpreis abzüglich gezogener Nutzungen nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung. Hierbei hat das Gericht eine Gesamtfahrleistung in Höhe von 300.000 km geschätzt. Zinsen gem. § 849 BGB wurden nicht zugesprochen. Die Ansprüche des Klägers seien zudem auch nicht verjährt. Dies schon deshalb nicht, weil dieser den streitgegenständlichen PKW erst im Jahr 2019 erwarb.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Volkswagen AG hat die Möglichkeit, innerhalb eines Monats nach Zustellung Berufung beim Oberlandesgericht einzulegen.

Dieses Urteil zum Motor EA 288 stärkt die Rechte betroffener PKW-Eigentümer. Es zeigt erneut, dass es für das Zusprechen eines Schadensersatzes wegen Abgasmanipulation keines amtlichen Rückrufs durch das Kraftfahrt Bundesamt bedarf. Nachdem es auch bei der Frage der Abgasmanipulation letztlich stets auf den Einzelfall ankommt, lohnt sich eine individuelle Prüfung möglicher Ansprüche durch einen spezialisierten Anwalt.

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