MPU bei BAK unter 1,6 Promille ? Keine Ausfallerscheinungen rechtfertigen MPU

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Das OVG Sachsen-Anhalt hat am 22.04.2020 – Az: 3 M 30/20 bei einer einmaligen Trunkenheitsfahrt mit einer Blutalkoholkonzentration von weniger als 1,6  ‰  entschieden, dass die Fahrerlaubnisbehörde die Neuerteilung der Fahrerlaubnis nicht allein wegen einer strafgerichtlichen Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 69 StGB von der Beibringung eines positiven medizinisch-psychologischen Gutachtens abhängig machen darf.

Eine einmalige Trunkenheitsfahrt rechtfertigt ohne das Hinzutreten weiterer aussagekräftiger Tatsachen erst ab einer BAK von 1,6 Promille die Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens (MPU). Dies hat bereits das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 06.04.2017 - Az. 3 C 24.15 – in einem  Grundsatzurteil entschieden.

Die strafgerichtliche Entziehung einer Fahrerlaubnis wegen einer Trunkenheitsfahrt ist kein eigenständiger, von der 1,6 Promille-Grenze unabhängiger Sachgrund für die Anforderung eines Gutachtens.

Wie verhält es sich, wenn keine Ausfallerscheinungen vorliegen ?

Nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts kann eine Gutachtensanforderung nur dann auf § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Alt. 2 FeV gestützt werden, wenn Zusatztatsachen vorliegen, die unter Berücksichtigung der Wertungen des § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b und c FeV geeignet sind, die Annahme von Alkoholmissbrauch zu begründen.

Das Verwaltungsgericht hatte in der vom OVG Sachsen-Anhalt am 22.04.2020 entschiedenen Fall zusätzliche Tatsachen für die Annahme eines Alkoholmissbrauchs darin gesehen, dass der Antragsteller trotz einer am 15. Dezember 2018 aus Anlass einer Verkehrskontrolle bei ihm festgestellten Blutalkoholkonzentration von 1,28 ‰ keine Ausfallerscheinungen gezeigt habe.

Nach dem Urteil des Senats des Oberverwaltungsgerichts ist nicht zu bezweifeln, dass das Fehlen von Ausfallerscheinungen bei einer hohen Blutalkoholkonzentration für eine Alkoholgewöhnung und damit auch für Alkoholmissbrauch spreche (so auch VGH BW, Urteil vom 7. Juli 2015 - 10 S 116/15 - juris Rn. 46 f.). Demgemäß wird dieser Umstand in der Rechtsprechung als Zusatztatsache angesehen (vgl. den vom Verwaltungsgericht zitierten Beschluss des BayVGH vom 11. März 2019 - 11 ZB 19.448).

 

Der Autor des Rechtstipps, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verkehrsrecht und Strafrecht Christian Steffgen, ist seit 2001 u.a. im Fahrerlaubnisrecht spezialisiert. Anrufer können eine kostenlose Erstberatung per Telefon oder online erhalten.

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