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Müssen Eltern ihrem Kind Lehre und Studium finanzieren?

  • 4 Minuten Lesezeit
Sandra Voigt anwalt.de-Redaktion

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Minderjährige sind grundsätzlich noch nicht in der Lage, selbst für ihren Lebensunterhalt zu sorgen – das ist vielmehr Aufgabe der Eltern. Volljährige dagegen müssen ihren Lebensbedarf selbst erwirtschaften. Allerdings gibt es eine Ausnahme: Eltern haben ihren Kindern nämlich eine Ausbildung zu finanzieren – ihr Nachwuchs soll schließlich die Möglichkeit haben, „etwas aus sich zu machen“. Entscheidet sich das Kind nach einer absolvierten Ausbildung dazu, eine weitere Ausbildung bzw. ein Studium aufzunehmen, müssen Eltern ihrem Sprössling nur noch in engen Grenzen finanziell unter die Arme greifen.

Zuerst Ausbildung, dann Studium?

Eine junge Frau wollte nach ihrem Abitur Medizin studieren. Ihre Bewerbung auf den Studiengang blieb jedoch zunächst erfolglos, weshalb sie sich entschloss, in eine eigene Wohnung zu ziehen und erst einmal eine Ausbildung zur Anästhesietechnischen Assistentin zu machen. Als sie die erfolgreich abgeschlossen hatte, arbeitete sie zwei Jahre lang in diesem Beruf, bevor sie endlich ihr Medizinstudium beginnen konnte. Sie beantragte in diesem Zusammenhang eine sog. Vorausleistung der Ausbildungsförderung nach dem Berufsausbildungsförderungsgesetz (BAföG) und erhielt vom BAföG-Amt daraufhin monatlich 287,68 Euro.

Diese Vorausleistung sollte nun der Vater der Medizinstudentin an das BAföG-Amt zurückzahlen, was er jedoch ablehnte. Er habe seit vielen Jahren keinen Kontakt mehr zu seiner Tochter und in dieser Zeit auch keinen Unterhalt gezahlt. Ferner sei er davon ausgegangen, dass seine Tochter das Abitur längst in der Tasche hat. Sie habe ihn weder über ihren beruflichen Werdegang noch über ihre Ausbildungsabsichten informiert – er sei deshalb davon ausgegangen, dass sein Kind seine berufliche Ausbildung beendet hat und nun für sich selbst sorgen kann. Mit einer Zahlungsaufforderung für BAföG-Leistungen habe er nicht mehr rechnen müssen. Der Streit der Parteien endete vor Gericht.

Vater ist nicht unterhaltspflichtig

Das Amtsgericht (AG) Büdingen gab dem Vater Recht – er musste daher keinen Cent an das Bafög-Amt zahlen. Schließlich war er seiner Tochter nicht mehr unterhaltspflichtig.

Nach § 1610 II Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) müssen Eltern ihren Kindern eine Vorbildung zu einem Beruf finanzieren – egal, ob es sich um eine Ausbildung oder ein Studium handelt. Danach kann der Nachwuchs sein eigenes Geld verdienen, weshalb Eltern für eine weitere Ausbildung bzw. ein weiteres Studium in der Regel nicht finanziell aufkommen müssen.

Weitergehender Unterhaltsanspruch nur im Ausnahmefall

Selten können Kinder von ihren Eltern auch die Übernahme der Kosten für eine weitere Berufsausbildung verlangen. Das ist etwa der Fall, wenn der erlernte Beruf aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausgeübt werden kann. Auch müssen Eltern umfassend zahlen, wenn das Kind nach dem Abitur zunächst eine Lehre absolviert und im Folgenden ein Studium beginnt. Voraussetzung ist allerdings, dass sich die Ausbildung und das Studium sachlich sinnvoll ergänzen bzw. aufeinander aufbauen, z. B. Banklehre und BWL-Studium oder Krankenschwesterausbildung und Medizinstudium. Ferner muss das Studium in einem engen zeitlichen Zusammenhang zur Ausbildung aufgenommen werden, weil ansonsten keine einheitliche Ausbildung mehr vorliegt. Wird das Studium erst eine Weile nach dem Ende der Lehrzeit aufgenommen, muss geklärt werden, was der Grund dafür war und ob er dem Kind anzulasten ist bzw. ob damit zu rechnen war, dass der Sprössling trotz einer bereits abgeschlossenen Ausbildung noch ein Studium beginnt. Das wäre z. B. der Fall, wenn das Kind bereits bei Ausbildungsbeginn wusste, dass es danach studieren möchte.

Aber: Hat das Kind erst einmal ein paar Jahre in seinem erlernten Beruf gearbeitet, steht es auf eigenen Beinen und kann seinen Lebensunterhalt somit selbst bestreiten. Ein Unterhaltsanspruch gegen die Eltern gemäß § 1601 I BGB besteht dann nicht mehr – und zwar selbst dann nicht, wenn die Eltern bereits die erste Ausbildung nicht finanziert haben.

Große Zeitspanne zwischen Lehre und Studium

Die Tochter hatte vorliegend eine Ausbildung erfolgreich abgeschlossen und zwei Jahre in dem erlernten Beruf gearbeitet. Sie war unabhängig und unterhielt einen eigenen Hausstand. Besondere Umstände, die ihr eine weitere Tätigkeit als Anästhesietechnische Assistentin unmöglich gemacht hätten, waren nicht ersichtlich und hat die Studentin auch nicht behauptet. Sie war daher durchaus imstande, das Studium mit eigenen Mitteln zu finanzieren, sodass ihr kein Unterhaltsanspruch gegen den Vater mehr zustand. Auch musste der Vater nicht mehr damit rechnen, dass seine Tochter viele Jahre nach dem Abitur noch ein Studium beginnt. Schließlich ist er nie über die Ausbildungsziele seines Kindes aufgeklärt worden – er durfte daher davon ausgehen, dass seine Tochter einen Beruf gelernt und das erwünschte Ausbildungsziel erreicht hat sowie ihr eigenes Geld verdient.

Fazit: Eltern müssen ihren Kindern eine Ausbildung finanzieren – mehr in der Regel nicht. Anderes kann etwa gelten, wenn nach der Lehre noch ein Studium begonnen wird. Die beiden Ausbildungsabschnitte müssen dann allerdings in einem sachlichen und zeitlichen Zusammenhang zueinander stehen.

(AG Büdingen, Beschluss v. 29.10.2015, Az.: 53 F 994/14 UK)

(VOI)

Foto(s): ©iStockphoto.com

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