Musterfeststellungsklage gegen VW: gemischtes Fazit nach dem ersten Verhandlungstag

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Das mediale Interesse vor dem ersten Verhandlungstag war groß. Der Verhandlungsort wurde extra in die Stadthalle Braunschweig verlegt. Der Vorsitzende Richter am Oberlandesgericht Braunschweig Neef ließ zu Beginn die Musterfeststellungsklage zu und ließ durchblicken, sich ein genaues Bild von den Umständen machen zu wollen. Eine klare Tendenz in Richtung VW oder der geschädigten Verbraucher gab es vorerst nicht.

Das Gericht unterschied zwischen „vertraglichen und deliktischen“ Ansprüchen, die es prüfen will. Gegen Volkswagen sieht das Gericht keine vertraglichen Ansprüche, da die VW-Kunden in den meisten Fällen ihr Auto bei einem Händler gekauft hätten und nicht bei Volkswagen direkt. 

Kläger müssen mit Abzügen durch Wertersatz rechnen

Die „deliktischen Ansprüche“ seien eher in Betracht zu ziehen, obwohl hier unterschieden werden müsse, ob der Schaden für die VW-Fahrer durch die installierte Abgas-Software oder durch die drohenden Diesel-Fahrverbote entstanden ist. Schäden für die Betroffenen durch manipulierte Abgaswerte seien in der Klageschrift „nichtzutreffend“ dargestellt worden. Es müsse geklärt werden, ob durch die drohende Stilllegung des Autos eine „Vermögensgefährdung“, sprich ein Wertverlust bestehe. Dementsprechend müssen sich die Geschädigten auf die Anrechnung einer Nutzungsentschädigung einstellen.

Das Gericht am OLG Braunschweig wolle im Laufe des Prozesses weiterhin klären, ob das Volkswagen Management rund um Martin Winterkorn über die Abgasmanipulation Bescheid wusste. Generell wolle sich das Gericht den rechtlichen Fragen mit „Sorgfalt und gebotener Zeit“ widmen.

Überraschenderweise bot der Vorsitzende Richter Michael Neef beiden Klageparteien an, über einen Vergleich nachzudenken, auch wenn es derzeit schwer vorstellbar sei. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) hält einen Vergleich für eine schnelle Lösung und einen wünschenswerten Ausgang des Verfahrens. Für Volkswagen kommt ein Vergleich allerdings derzeit noch nicht in Frage, da nicht abzusehen sei, wie viele Menschen sich der Musterfeststellungsklage überhaupt wirksam angeschlossen hätten.

Langer Atem für Individuelle Schadensersatzansprüche nötig

Ein endgültiges Urteil im Musterprozess wird höchstwahrscheinlich in zweiter Instanz am Bundesgerichtshof (BGH) gefällt, ist jedoch nicht vor 2023 zu erwarten. Ein langes Verfahren spielt dem VW-Konzern in die Hände, weil der Schadensersatzanspruch des Fahrzeughalters mit der weiteren Nutzung und dem damit verbundenen Wertverlust des Fahrzeugs abnimmt.

Auch wenn es am Ende des Mammutprozesses ein für die Verbraucher positives Urteil geben sollte, besteht für sie dann immer noch kein konkreter Zahlungsanspruch gegen Volkswagen. Diesen müssten die Betroffenen anschließend in Einzelverfahren durchsetzen.

Der nächste Verhandlungstag der Musterfeststellungsklage ist für den 18.11.2019 anberaumt. Es bleibt abzuwarten, ob dann bereits eine Tendenz des Gerichts hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Schadensersatzansprüche erkennbar ist.



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