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Notarzt gerufen – aber wer trägt die Kosten?

  • 5 Minuten Lesezeit
Sandra Voigt anwalt.de-Redaktion

Jeder kann einmal in eine Situation kommen, in der er auf die Hilfe anderer angewiesen ist oder selbst Hilfe leisten muss. Wer Zeuge eines Unfalls ist, darf dann nicht einfach vorbeigehen oder -fahren – er riskiert in Folge nämlich eine Verurteilung wegen unterlassener Hilfeleistung nach § 323c Strafgesetzbuch (StGB). Viele potenzielle Helfer könnten aber aus Furcht vor der Aufbürdung der Rettungseinsatzkosten dennoch von einem Notruf absehen. Die anwalt.de-Redaktion klärt in diesem Rechtstipp auf, wer in welchen Fällen die Kosten eines Rettungseinsatzes zu tragen hat.

Unfallopfer ruft Hilfe

Ein Beschäftigter war mit seinem Firmenwagen unterwegs, als er in einen Auffahrunfall verwickelt wurde. Aufgrund einer entsprechenden dienstlichen Anweisung rief er die Polizei an, die routinemäßig nicht nur nach Verletzungen fragte, sondern sich auch erkundigte, ob der Geschädigte den Einsatz eines Rettungswagens wünsche. Letzteres bejahte der Beschäftigte, da er Schmerzen im Nacken und Rücken habe.

Die daraufhin herbeigerufenen Rettungssanitäter untersuchten das Unfallopfer. Obwohl sie keine dringende Behandlungsbedürftigkeit sahen, fragten sie den Beschäftigten, ob er zur weiteren Untersuchung mit ins Krankenhaus kommen wolle. Dies lehnte er jedoch ab – schließlich hätte er dann die Unfallstelle und damit auch den Dienstwagen zurücklassen müssen. Auch hatten seine Schmerzen bereits nachgelassen. Kurze Zeit später verlangte das Rettungsdienstunternehmen vom Geschädigten die Kosten für den Einsatz. Er zahlte zunächst auch, forderte jedoch von der Versicherung seines Unfallgegners die vollständige Erstattung des Betrags. Als die jegliche Zahlung verweigerte, zog der Beschäftigte vor Gericht.

Gegnerische Versicherung muss Einsatzkosten tragen

Das Amtsgericht (AG) Winsen verpflichtete die Kfz-Versicherung des Unfallverursachers zur Erstattung der Einsatzkosten.

Schließlich war ihr Versicherungsnehmer dem Dienstreisenden aufgefahren – woraufhin dieser sich verletzt hatte. Das wiederum führte zur Pflicht des Versicherers, dem Unfallopfer die damit zusammenhängenden Kosten zu erstatten.

Anrufer war nicht am Unfall beteiligt

Wer am Unfall selbst zwar nicht beteiligt war, aber dennoch Hilfe ruft, muss regelmäßig keine Einsatzkosten tragen. Schließlich hat er mit dem Rettungsdienstunternehmen keinen Vertrag geschlossen. Ein anderes Ergebnis würde nämlich dazu führen, dass der unbeteiligte Dritte plötzlich die Einsatzkosten tragen müsste und z. B. im Fall der Zahlungsunfähigkeit des Verletzten, für den er den Rettungswagen gerufen hat, auf den Kosten sitzenbleiben würde. Das könnte unter Umständen zu dem ungewollten Nebeneffekt führen, dass niemand mehr Hilfe holt.

Vielmehr handelt der Anrufende im Interesse des Verletzten, der eventuell nicht mehr selbst Hilfe rufen kann. Auch ist davon auszugehen, dass der Notruf dem mutmaßlichen Willen des Verletzten entspricht, da er möglichst schnell behandelt werden will. Der Einsatz ist dann als sog. Geschäftsführung ohne Auftrag gemäß der §§ 677 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) anzusehen. Das Rettungsdienstunternehmen kann jedoch nicht nur die tatsächlich aufgewandten Kosten nach § 683 BGB, sondern den üblichen Werk- bzw. Dienstlohn verlangen.

Grundloser Anruf durch Dritte – was nun?

Wird der Rettungsnotdienst von einem am Unfall unbeteiligten Dritten gerufen, obwohl es in Wahrheit gar keine Verletzten gibt, ist zu unterscheiden:

Wurde absichtlich ein falscher Notruf abgegeben, wird der Anrufer vom Rettungsdienstunternehmen zur Kasse gebeten. Ferner riskiert er eine Verurteilung wegen des Missbrauchs von Notrufen und der Beeinträchtigung von Unfallverhütungs- und Nothilfemitteln nach § 145 StGB.

War zur Zeit des Notrufs jedoch unklar, ob es Verletzte gibt und ruft ein unbeteiligter Dritter zur Sicherheit einen Notarzt, kann das Rettungsdienstunternehmen weder vom Anrufer noch von den Unfallbeteiligten Kostenersatz verlangen. Und zwar auch dann, wenn sich bei Ankunft des Rettungswagens herausstellt, dass die Unfallbeteiligten weder verletzt sind noch am Herbeirufen des Einsatzwagens interessiert waren. Schließlich wollte der Anrufende keinen Vertrag mit dem Rettungsdienstunternehmen schließen und die Unfallbeteiligten hatten mangels Verletzungen kein Interesse an dem Einsatz, weshalb hier eine Geschäftsführung ohne Auftrag verneint wird. Kurz: Das Rettungsdienstunternehmen handelt in solchen Fällen auf eigenes Risiko und bleibt im schlimmsten Fall auf den Kosten sitzen.

Anrufer ist Unfallbeteiligter und Verletzter

Ruft der Unfallbeteiligte selbst den Notarzt, muss er auch die Kosten für den Einsatz tragen. Schließlich hat er dann selbst einen Vertrag mit dem Rettungsdienstunternehmen geschlossen. Das gilt selbst dann, wenn er später angibt, doch keine Schmerzen (mehr) zu haben und sich weigert, zur weiteren Untersuchung mit dem Rettungswagen ins Krankenhaus zu fahren.

Ruft der Unfallbeteiligte dagegen zuerst die Polizei an und benachrichtigt die wiederum auf dessen mutmaßlichen Wunsch das Rettungsdienstunternehmen, bleibt der Unfallbeteiligte ebenfalls zahlungspflichtig. Hier ist erneut von einer sog. Geschäftsführung ohne Auftrag auszugehen.

Im vorliegenden Fall war zunächst der Beschäftigte zahlungspflichtig, weil er gegenüber der Polizei über Schmerzen geklagt und um das Herbeirufen eines Rettungswagens gebeten hat. Die hierbei entstandenen Kosten muss jedoch der Versicherer des Unfallverursachers erstatten.

Der Beschäftigte musste zwar laut der Sanitäter nicht dringend behandelt werden, klagte später nicht mehr über Schmerzen und wollte nicht ins Krankenhaus. Das befreite aber die Versicherung des Unfallverursachers nicht von ihrer Erstattungspflicht.

Es ist schließlich nicht nötig, dass der herbeigerufene Notarzt bzw. ein Arzt im Krankenhaus nachhaltige Verletzungen beim Unfallopfer diagnostiziert. Es genügt für eine Kostenerstattungspflicht der Versicherung vielmehr, dass dem Geschädigten aufgrund des Unfalls Schmerzen zugefügt wurden. In diesem Fall liegt es nämlich stets nahe, zur Sicherheit einen Krankenwagen zu rufen. Und weil das Gericht dem Beschäftigten glaubte, kurz nach dem Unfall unter starken Nacken- und Rückenschmerzen gelitten zu haben, war der Einsatz eines Krankenwagens auch angebracht und die Kosten vom Unfallverursacher bzw. seiner Versicherung zu tragen.

Fazit: Selbst wenn nach einem Unfall nicht sicher ist, ob es Verletzte gibt, darf man als unbeteiligter Dritter grundsätzlich einen Notarzt rufen, ohne später die Einsatzkosten aufgebürdet zu bekommen. Auch Unfallopfer, die unmittelbar nach dem Vorfall Schmerzen haben, dürfen den Rettungsdienst rufen. Die Kosten muss dann in aller Regel der Unfallverursacher bzw. seine Versicherung tragen.

(AG Winsen, Urteil v. 22.12.2016, Az.: 16 C 1092/16)

(VOI)

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