OLG Koblenz am 12.01.2024: Vorsatz muss auch im Bußgeldverfahren eindeutig nachgewiesen werden!

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Ein Beitrag von Michael Böhler, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verkehrsrecht, Konstanz

Bußgeldbehörden und Amtsgerichte unterstellen Betroffenen in Bußgeldverfahren häufig Vorsatz, was seitens der übergeordneten Oberlandesgerichte als Rechtsbeschwerdeinstanz dann häufig nicht beanstandet wird, wenn nachweislich eine Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um mehr als 40% vorliegt. Allerdings muss dieser Nachweis auch geführt werden können, damit das Bußgeld empfindlich erhöht werden kann (gerne erfolgt eine Verdoppelung).


Vorsatz muss eindeutig nachgewiesen werden!

Wenn der Betroffene etwa bei einem Zusammenspiel der Faktoren Dunkelheit, Regen und Nässe in Kombination mit Ortsfremdheit in nachvollziehbarer Weise eingeschränkt gewesen ist, kann ihm nur bloße Fahrlässigkeit und kein Vorsatz vorgeworfen werden. Die Amtsgerichte müssen auch die Uhrzeit, den Ausbauzustand der Straße und das Verkehrsaufkommen berücksichtigen.

Der Bundesgerichtshof verlangt, dass der Betroffene auch subjektiv besonders verantwortungslos handelt. Eine „grobe Pflichtverletzung kann ihm nur vorgehalten werden, wenn seine wegen ihrer Gefährlichkeit objektiv schwerwiegende Zuwiderhandlung subjektiv auf groben Leichtsinn, grobe Nachlässigkeit oder Gleichgültigkeit zurückgeht“. Wenn das Amtsgericht diese Umstände aus sensorischen Eindrücken, hervorgerufen durch Motorgeräusch, Fahrzeugvibrationen und die Schnelligkeit, mit der sich die Umgebung verändert, ableiten will, kann dies nicht nachvollzogen werden. Dies deshalb, weil bereits keine Feststellungen zum Typ des benutzten Fahrzeugs getätigt worden sind: Die Sensorik ist z.B. in einem 20 Jahre Kleinwagen eine andere als in einem neuen Oberklasse-PKW. Die Veränderungen der Umgebung sind bei einer Nachtfahrt zudem anders als bei Tageslicht.


Ein Übersehen der Beschilderung muss ausgeschlossen sein!

Allerdings reicht es nach der Rechtsprechung des OLG Bamberg (vgl. Beschluss vom 01.03.2019, Az. 3 Ss OWi 126/19) oder des OLG Zweibrücken (vgl. Beschluss vom 14.04.2020, Az. 1 OWi SsBs 8/20) nicht für die Annahme von Vorsatz aus. Aus dem Urteil des Amtsgerichts ergibt sich nicht tragfähig die Mindestfeststellung, dass der Betroffene mit dem für jedwede Vorsatzform notwendigen kognitiven Vorsatzelement gehandelt hat. Das Bayerische Oberste Landesgericht verlangt mit Beschluss vom 06.09.2023, Az. 202 ObOWi 910/23, dass sich das Amtsgericht mit Einwand, die Beschilderung übersehen zu haben, auseinandersetzen muss.

Für einen Mandanten hat das Oberlandesgericht Koblenz dies vor kurzem mit Beschluss vom 2 Orbs 31 SsBs 277/23 ebenso gesehen und die Sache zur nochmaligen Entscheidung an das zuständige Amtsgericht zurückgewiesen.

Die tatrichterlichen Feststellungen belegen und rechtfertigen häufig lediglich eine Verurteilung wegen fahrlässiger Begehungsweise.


Verteidigungsmöglichkeiten ausschöpfen, Verteidiger einschalten!

Somit existiert ein Ansatzpunkt, gegen die Annahme von Vorsatz erfolgreich vorzugehen.


Als erfahrener und bundesweit tätiger Verteidiger in Bußgeldsachen unterstütze ich Sie gerne!


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