(Online-)Scheidung von im Ausland lebenden Deutschen

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Sie leben als deutsche Staatsangehörige in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union und möchten sich scheiden lassen. Ihre Scheidung können Sie bei einem Gericht an Ihrem Aufenthaltsort im Ausland beantragen oder auch in Deutschland, je nachdem, ob bestimmte Voraussetzungen (etwaige Rechtswahl, Staatsangehörigkeit, Zeitpunkt des Einreichens der Scheidung) erfüllt sind. Im Ergebnis kann sich empfehlen, dass Sie die Scheidung möglichst vor einem deutschen Familiengericht betreiben, was heutzutage (nach Antrag) auch oft online möglich ist. Vor allem, wenn Sie sich einig sind über die Scheidungsfolgen und beide im Ausland residieren.

Welche gesetzliche Regelung bestimmt die internationale Scheidung?

Kommen wegen Ihrer Scheidung zwei unterschiedliche Staaten in Betracht, ist seit 1. August 2022 die Verordnung (EU) 2019/1111 des Rates über die „Zuständigkeit, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und über internationale Kindesentführungen“ die maßgebliche Rechtsgrundlage.

Diese auch als „Brüssel IIb“ bezeichnete Verordnung ersetzt ab dem 1. August 2022 die zuvor maßgebliche Verordnung „Brüssel IIa“. Beide Verordnungen sind ausgesprochen komplexe Regelungswerke. Die Verordnung gilt in allen Staaten der Europäischen Union, mit Ausnahme von Dänemark. Nach dem Brexit bleibt auch Großbritannien außen vor. Da die Verordnung unmittelbar anwendbares Recht ist, bedarf sie nicht der Umsetzung in das deutsche Recht.

Was ist das zuständige Gericht bei Wohnsitz im Ausland?

Um das für eine Scheidung zuständige Gericht zu bestimmen, enthält die „Brüssel IIb Verordnung“ eine Reihe von Zuständigkeitsregeln und bestimmt sieben Zuständigkeitsgründe. Diese Zuständigkeitsgründe stehen gleichrangig nebeneinander, so dass Sie sich die Zuständigkeit eines Gerichts in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union mehr oder weniger aussuchen können (Artikel 3 Abs. 1 Brüssel IIb-VO).

Fall 1: Sie leben beide in Ausland und wünschen dort die Scheidung

Leben Sie beide im Ausland, begründet Ihr gegenwärtiger gewöhnlicher Aufenthalt die Zuständigkeit des Gerichts an Ihrem Aufenthaltsort im Ausland. Leben Sie beide beispielsweise in Paris, könnten Sie sich in Paris scheiden lassen.

Fall 2: Nur 1 Ehepartner lebt noch im Ausland, Scheidung im Ausland

Leben Sie noch im Ausland, während Ihr Ehepartner nach der Trennung in einem anderen Staat wohnt, wäre das Gericht an Ihrem Aufenthaltsort zuständiges Gericht. Leben Sie beispielsweise in Paris und ist der Partner nach Stuttgart verzogen, könnten Sie in Paris die Scheidung beantragen.

Fall 3: Nur 1 Ehepartner lebt noch im Ausland, Scheidung in Deutschland

Haben Sie sich getrennt, könnten Sie Scheidung auch dort beantragen, wo Ihr Ehepartner nach Ihrer Trennung seinen gewöhnlichen Aufenthalt begründet hat. Leben Sie beispielsweise in Paris und ist der Ehepartner nach Stuttgart umgezogen, könnten Sie in Stuttgart die Scheidung beantragen.

Ihr Partner in Stuttgart könnte die Scheidung in Stuttgart aber erst dann beantragen, wenn er deutscher Staatsangehöriger ist und sich dort seit mindestens sechs Monaten aufgehalten hat. Ist der Partner nicht deutscher Staatsangehöriger, könne er die Scheidung in Stuttgart erst beantragen, wenn er sich dort seit mindestens einem Jahr aufgehalten hat.

Fall 4: Sie leben beide in Ausland und wünschen in Deutschland die Scheidung

Der für Sie als deutsche Staatsangehörige wahrscheinlich praktikabelste Ansatz wäre die Scheidung in Deutschland. So können Sie in Deutschland die Scheidung beantragen, auch wenn Sie beide noch im Ausland leben. Die Antragstellung ist diesem Fall auch nicht von der Zustimmung des Ehegatten abhängig. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte ist also immer dann anzunehmen, wenn beide Ehegatten die deutsche Staatsangehörigkeit haben, der gewöhnliche Aufenthalt sich in einem anderen EU-Staat oder einem Drittstaat befindet.

Maßgeblich kommt es auf die gemeinsame Staatsangehörigkeit bei der Einreichung des Scheidungsantrags an:

  1. Wird die deutsche Staatsangehörigkeit nachträglich erworben, genügt der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Familiengericht.
  2. Besitzen Sie die Staatsangehörigkeit mehrerer Staaten, ist das deutsche Gericht trotzdem zuständig, wenn Sie auch die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen. Ihr Scheidungsantrag kann auch nicht der Begründung zurückgewiesen werden, dass es effektiver wäre, wenn Sie Ihre Scheidung an Ihrem Aufenthaltsort im Ausland einreichen würden oder das Gericht im Ausland vorrangig prüfen müsste, ob eine Scheidung möglich wäre.

Was gilt, wenn beide Ehegatten die Scheidung beantragt haben?

Die Zuständigkeitsgründe der Brüssel IIb Verordnung stehen gleichrangig nebeneinander. Dies eröffnet die Möglichkeit, dass beide Ehepartner die Scheidung beantragen und dadurch die Zuständigkeit zweier Gerichte begründet wird. Um diese Konkurrenz zu vermeiden, kommt es auf den Zeitpunkt an, zu dem die Scheidungsanträge eingereicht wurden. Das Gesetz klärt die Problematik insoweit, als das später angerufene Gericht das Verfahren von Amts wegen aussetzen muss, bis sich das zuerst angerufene Gericht für zuständig erklärt hat (Prioritätsprinzip).

Beispiel: Scheidung erst in Paris, dann in Stuttgart eingereicht

Sie beantragen an Ihrem Aufenthaltsort in Paris am 20. Juni 2023 die Scheidung, während Ihr nach Stuttgart verzogener Ehepartner in Stuttgart die Scheidung am 5. Juli 2023 beantragt. Nach dem Prioritätsprinzip wäre Ihr Antrag vorrangig zu beurteilen. Ihre Scheidung würde sich in Paris abspielen, das Familiengericht in Stuttgart müsste sich für unzuständig erklären.

Empfiehlt sich die Scheidung in Deutschland?

Die Frage, ob Sie sich in Deutschland scheiden lassen sollten, ist an sich uneingeschränkt zu bejahen. Die Gründe sind einleuchtend.

Ausländisches Recht, ausländischer Anwalt

Lassen Sie sich beispielsweise in Paris scheiden, gilt im Regelfall französisches Recht. Sie müssten Ihren Scheidungsantrag und den Schriftverkehr mit dem Gericht in französischer Sprache formulieren. Wollte sich der Ehepartner am Verfahren beteiligen, müsste auch er/sie in Französisch kommunizieren. Sie müssten sich zudem in Paris von einem in Frankreich zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen.

Ausländische Rechtsbegriffe und abweichende Scheidungsregeln

Selbst wenn Sie die französische Sprache einigermaßen beherrschen, dürfte es schwierig sein, die Rechtsbegriffe des französischen Rechts nachzuvollziehen und inhaltlich zu verstehen. Vor allem weist das französische Ehe- und Scheidungsrecht teils erhebliche Unterschiede zum deutschen Recht auf, die auch in der Mentalität und der unterschiedlich kulturellen Entwicklung begründet sind. Dies gilt insbesondere, wenn es um die vermögensrechtliche Auseinandersetzung geht. Dieser Aspekt trifft natürlich auch für andere Rechtsordnungen zu.

Rechtswahl nach deutschem Recht liefert nicht automatisch neue Bücher für das Gericht

Ein Ausweg kann allenfalls darin bestehen, dass Sie mit Ihrem Ehepartner eine „Rechtswahl“ treffen und ausdrücklich vereinbaren, dass Ihre Scheidung in Paris nach deutschem Recht abgewickelt werden soll. Eine solche Rechtswahl ist nach europäischem Recht möglich. Aber auch diese Option ist mit Vorbehalten zu verstehen, da ein Richter in Paris Schwierigkeiten haben dürfte, sich in das deutsche Recht einzulesen und Ihre Scheidung zuverlässig nach deutschem Recht abzuwickeln. Auch ist die dafür oft notwendige Literatur kaum vorhanden.

Da Sie Ihre Scheidung auch bei Aufenthalt im Ausland problemlos in Deutschland vor einem deutschen Familiengericht beantragen können, empfiehlt sich im Regelfall, diese Option zu wählen. Dies gilt umso mehr, als Sie die Scheidung auch online als Online-Scheidung auf den Weg bringen können.

Welche Vorteile hat die Online-Scheidung vor deutschem Gericht aus dem Ausland?

Leben Sie im Ausland und möchten sich in Deutschland scheiden lassen, könnte es eine Herausforderung darstellen, in Deutschland einen Rechtsanwalt oder eine Rechtsanwältin zu suchen, zu kontaktieren und in der Kanzlei vorstellig werden zu müssen. Einfacher ist es, wenn Sie den Anwalt online kontaktieren und online kommunizieren. Dies ist bei uns möglich.

Bei der online beantragten Scheidung brauchen Sie nicht unsere Kanzleiräume aufzusuchen und keine Termine zu vereinbaren. Ungeachtet dessen können Sie uns jederzeit online kontaktieren und Details Ihres Scheidungsverfahrens per Videokonferenz besprechen.

Besteht Anwesenheitspflicht im Scheidungstermin vor Gericht?

Die Familiengerichte sind verpflichtet, die Ehegatten persönlich in einem mündlich anberaumten Scheidungstermin anzuhören. Lassen Sie sich einvernehmlich scheiden, sind die Familiengerichte zunehmend bereit, den Scheidungstermin auch online per Videokonferenz durchzuführen. Sie brauchen dann nicht vor Gericht zu erscheinen. Bei der Videokonferenz sind beide Ehepartner und, soweit diese anwaltlich vertreten sind, auch die Anwälte zugeschaltet. Soweit Sie eventuell regelungsbedürftige Scheidungsfolgen außergerichtlich in einer Scheidungsfolgenvereinbarung dokumentiert haben, wird das Gericht im Regelfall keine Probleme haben, Ihre Scheidung in der Videokonferenz zu beschließen.

Alles in allem

Scheidungen, die aus dem Ausland in Deutschland beantragt werden, sind insoweit eine Herausforderung, als man die gesetzlichen Regelungen kennen und verstehen muss. Sie sind aber keine große Problematik, wenn diese Regelungen richtig umgesetzt werden. Lassen Sie sich frühzeitig anwaltlich beraten und darüber informieren, wie Sie Ihre Scheidung als deutsche Staatsangehörige mit Wohnsitz im Ausland auch in Deutschland problemlos bewerkstelligen können.

Foto(s): iurFRIEND

Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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