Plötzlich hohe Rechnung nach "Probe"-Coaching? Ihre Rechte bei irreführenden Online-Angeboten

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Immer mehr Menschen geraten in eine unangenehme Lage, nachdem sie online auf verlockende Coaching-Angebote gestoßen sind. Die Masche ist oft dieselbe: In sozialen Medien wird aggressiv mit Begriffen wie „kostenlosem Testzugang“, „Online-Business starten ohne Risiko“ oder „Geld verdienen von zuhause“ geworben. Die Werbeversprechen sind groß – die rechtlichen Grundlagen hingegen mehr als zweifelhaft.

In der anwaltlichen Praxis zeigt sich: Viele Betroffene wissen nicht, dass rechtlich häufig gar kein wirksamer Vertrag zustande gekommen ist – und sie sich gegen solche Forderungen erfolgreich zur Wehr setzen können.



1. Der typische Fall: Von der Werbeanzeige zur Abbuchung

Der Einstieg erfolgt meist über eine Anzeige auf Instagram, Facebook oder YouTube. Ein Online-Coach oder Unternehmen verspricht, man könne risikofrei ein Coaching testen, um sich nebenbei ein Einkommen aufzubauen. Nach der Kontaktaufnahme erfolgt ein kurzes, vermeintlich unverbindliches Gespräch – häufig telefonisch oder per Zoom. Dabei wird dem Interessenten zugesichert, es handele sich um einen kostenlosen und unverbindlichen Testzeitraum. Erst nach dessen Ablauf solle man sich aktiv für ein kostenpflichtiges Coaching entscheiden.

Zur „Registrierung“ werden dann jedoch bereits sensible Zahlungsdaten wie PayPal oder Kreditkartendaten abgefragt – angeblich nur, um im Fall einer späteren Buchung „alles vorbereitet“ zu haben.

Tatsächlich erfolgt aber oftmals bereits sofort eine Abbuchung – häufig mehrere tausend Euro – verbunden mit der Behauptung, man habe verbindlich einen Coaching-Vertrag abgeschlossen.



2. Rechtlich hochproblematisch: Kein wirksamer Vertragsschluss

Doch: Ein wirksamer Vertrag setzt bestimmte Voraussetzungen voraus, die in solchen Fällen häufig nicht erfüllt sind.

Damit ein rechtsverbindlicher Vertrag zustande kommt, müssen folgende Punkte klar und eindeutig vorliegen:

  • Eine eindeutige Willenserklärung: Sie müssen bewusst und klar zustimmen, dass Sie einen kostenpflichtigen Vertrag eingehen möchten.

  • Transparente Vertragsunterlagen: Dazu gehören verständliche Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB), eine nachvollziehbare Preisübersicht sowie eine klare Beschreibung der Leistungen.

  • Ihre ausdrückliche Zustimmung zu allen Vertragsdetails: Sie müssen wissen, was Sie abschließen – einschließlich Informationen zu Preis, Vertragslaufzeit und Kündigungsmöglichkeiten.

Wenn Ihnen stattdessen ein kostenloser Testzeitraum versprochen wird – und plötzlich ohne Ihre Zustimmung ein hoher Betrag per PayPal oder vom Konto abgebucht wird – dann handelt es sich nicht um einen gültigen Vertrag.

In solchen Fällen gilt:
– Sie sind rechtlich nicht zur Zahlung verpflichtet.
– Sie können dem Vertrag widersprechen, ihn anfechten oder fristlos kündigen.

Wir empfehlen zusätzlich, sich in solchen Fällen rechtlich beraten zu lassen, um die passenden Schritte einzuleiten – von der Anfechtung wegen Täuschung, über die Kündigung, bis hin zur negativen Feststellungsklage, wenn der Anbieter weiter auf Zahlung besteht.



3. Abwehrmöglichkeiten: Was Sie als Betroffener tun sollten

a) Widerspruch und Zurückweisung der Forderung

Zunächst sollte man der Forderung ausdrücklich widersprechen und klarstellen, dass kein Vertrag zustande gekommen ist. Es empfiehlt sich, dem Anbieter schriftlich – idealerweise per Einschreiben oder per E-Mail mit Lesebestätigung – mitzuteilen, dass man:

  • keinen kostenpflichtigen Vertrag abschließen wollte,

  • getäuscht wurde,

  • die Forderung zurückweist.

b) Anfechtung wegen arglistiger Täuschung (§ 123 BGB)

Sollte man durch falsche oder irreführende Angaben zum Vertragsschluss verleitet worden sein, kann eine Anfechtung wegen Täuschung erklärt werden. Diese hat zur Folge, dass der Vertrag rückwirkend als nichtig gilt.

Die Täuschung kann dabei bereits in der Zusicherung eines kostenlosen Testzeitraums liegen, wenn diese in Wahrheit nicht vorgesehen war.

c) Hilfsweise: Fristlose Kündigung und Widerruf

Selbst wenn rechtlich betrachtet kein wirksamer Vertrag zustande gekommen ist, ist es aus Gründen der Vorsicht dennoch sinnvoll, zusätzliche rechtliche Erklärungen abzugeben, um jede Unsicherheit zu vermeiden.

So sollten Betroffene hilfsweise:

  • Eine fristlose Kündigung aus wichtigem Grund erklären – insbesondere dann, wenn sie sich durch das Verhalten des Anbieters getäuscht oder unter Druck gesetzt fühlen. Ein solcher wichtiger Grund liegt zum Beispiel vor, wenn unerwartet hohe Beträge abgebucht werden oder der Anbieter die versprochenen Leistungen nicht nachvollziehbar erbringt.
  • Zusätzlich den Widerruf des Vertrags erklären, sofern es sich um einen sogenannten Fernabsatzvertrag handelt – also einen Vertrag, der ausschließlich über Telefon, E-Mail, Internet oder andere Fernkommunikationsmittel abgeschlossen wurde. In diesen Fällen steht Verbraucherinnen und Verbrauchern nach §§ 312g, 355 BGB in der Regel ein 14-tägiges Widerrufsrecht zu.

Diese vorsorglichen Schritte dienen dazu, klare rechtliche Verhältnisse zu schaffen und dem Anbieter unmissverständlich zu zeigen, dass er keine Forderungen aus einem vermeintlichen Vertrag ableiten kann. Im besten Fall schützt man sich so bereits frühzeitig vor weiteren Mahnungen, Drohungen mit Inkasso oder ungerechtfertigten Forderungen.

d) Strafanzeige in Erwägung ziehen

Wenn der Anbieter systematisch mit Täuschung arbeitet, besteht zudem die Möglichkeit, sich strafrechtlich zur Wehr zu setzen. Eine Strafanzeige wegen Betrugs (§ 263 StGB) kann sinnvoll sein – insbesondere, um Druck aufzubauen und weitere Betroffene zu schützen.



4. Vorsicht bei der Vertretung durch Dritte: § 174 BGB beachten

Sollte die Geltendmachung von Rechten durch einen Bevollmächtigten erfolgen (z. B. Kündigung oder Anfechtung), ist gemäß § 174 BGB eine Originalvollmacht erforderlich, da sonst die Gegenseite das Gestaltungsrecht zurückweisen kann.

Das bedeutet: Wenn ein Vertreter (z.B. Anwalt) das Gestaltungsrecht (z. B. Kündigung oder Rücktritt) ausübt, sollte der Schriftsatz postalisch mit Originalvollmacht übersendet werden – anderenfalls droht die formelle Zurückweisung.



5. Wenn der Anbieter nicht aufgibt: Negative Feststellungsklage

Sollte sich der Anbieter weiterhin auf das angeblich bestehende Vertragsverhältnis berufen – trotz Anfechtung, Kündigung und Widerspruch – besteht die Möglichkeit, gerichtliche Klarheit zu schaffen: durch Erhebung einer sogenannten negativen Feststellungsklage (§ 256 ZPO).

Damit wird gerichtsfest festgestellt, dass kein Anspruch des Anbieters besteht. Diese Möglichkeit kann sinnvoll sein, um langfristig Ruhe zu bekommen – insbesondere bei hartnäckigen Gegnern oder Drohungen mit Inkasso und Schufa-Einträgen.



6. Fazit: Nicht zahlen, sondern wehren

Viele Betroffene fühlen sich unter Druck gesetzt und zahlen aus Angst oder Unsicherheit – obwohl sie rechtlich nicht zur Zahlung verpflichtet sind. Lassen Sie sich nicht einschüchtern. In den meisten Fällen bestehen gute Chancen, sich erfolgreich gegen solche Forderungen zu verteidigen.

Sie wurden Opfer einer solche Betrugs-Masche und möchten Ihre Ansprüche klären lassen?
Ich berate Sie gerne zu Ihren Möglichkeiten – vom ersten Schritt bis zur vollständigen Rückabwicklung. 

  • Prüfung des Vertragsverhältnisses und der behaupteten Forderung

  • Durchsetzung Ihrer Rechte (Anfechtung, Kündigung, Rückforderung)

  • Kommunikation mit dem Anbieter oder Inkassodienstleistern

  • Übernahme der Deckungsanfrage bei Ihrer Rechtsschutzversicherung

  • Erhebung einer negativen Feststellungsklage – falls erforderlich

Vereinbaren Sie einfach einen Termin in meiner Kanzlei – telefonisch oder per E-Mail.



Foto(s): @https://de.freepik.com/fotos-kostenlos/der-weibliche-steuerpflichtige-hat-vergessen-eine-steuererklaerung-abzugeben_3938042.htm#fromView=search&page=1&position=20&uuid=7ab65dca-ae23-494a-85f0-423ba2905188&query=Schock+Rechnung

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