Rating & Scoring - Urteil und Strafverhängung gegen Ratingagentur Scope

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Das Landgericht Berlin hat die Ratingagentur Scope dazu verurteilt, Schadensersatz an einen Anleger zu zahlen, der im Jahre 2012 die Anleihe der MS „Deutschland“ gezeichnet hatte, Az.: 11 O 5/19. Dies berichtet das Handelsblatt vom 03./04.06.2020. Die börsennotierte Anleihe war in 60.000,00 Inhaberschuldverschreibungen zu jeweils 1.000,00 Euro gestückelt, wendete sich also an Privatanleger.

Durch ihr „A“-Rating hatte die Ratingagentur Scope für die Anleihe eine hohe Sicherheit signalisiert. Das positive Rating sollte maßgeblich auf dem Wert des Schiffes MS „Deutschland“ beruhen, da die Gesellschaft als Emittentin nur ein schwaches „CCC+“-Rating aufwies.
Wegen eingetretener Zahlungsunfähigkeit stellte die MS „Deutschland“ Beteiligungsgesellschaft mbH circa zwei Jahre nach Platzierung der Anleihe am 30.10.2014 Insolvenzantrag. Hierdurch erlitten zahlreiche Anleger schwere Schäden.

Weil er auf das Urteil der Ratingagentur vertraut hatte, klagte ein Anleger Schadenersatz ein. Wie das Handelsblatt berichtet, bekam er Recht. Es zitiert aus dem Urteil: „Die Fehlerhaftigkeit des Ratings steht zur Überzeugung des Gerichts fest.“ Laut Handelsblatt räumte das Berliner Landgericht zwar ein, bei einem Rating handele es sich grundsätzlich um eine Meinungsäußerung, die einen weiten Ermessensspielraum eröffne. Im konkreten Fall habe Scope es jedoch pflichtwidrig unterlassen, sich um objektive Richtigkeit zu bemühen sowie neutral und sachkundig zu sein.

Fast zeitgleich wurde Scope wegen Mängeln bei ihren Bewertungsprozessen für Anleihen von der europäischen Finanzmarktaufsicht ESMA mit einer Strafzahlung von 640.000 Euro belegt wie die Frankfurter Allgemeine berichtet. Scope habe ihre 2015 selbst aufgestellten Verfahren zur Bewertung von gedeckten Schuldverschreibungen (Covered Bonds, Pfandbriefe) nicht systematisch angewandt, und habe die ESMA zudem nicht über eine weitreichende Änderung des Verfahrens im Jahr 2016 informiert, erklärte die Behörde.

Die Frage der Haftung von Ratingagenturen, Wirtschaftsprüfern sowie sonstigen Stellen, die unverantwortliche, nicht werthaltige Anlagemodelle unterstützen und/oder in besonderem Maße ein Vertrauen bei Anlegern oder sonstigen Stellen hervorrufen, wird immer wichtiger (Wirecard, Cum-ex-Skandal, S & K-Finanzskandal, etc.).

Vor allem vor dem Hintergrund verschärfter Bonitätsprüfungen durch die Basel IV-Vorgaben sind Unternehmen auf sachlich korrekte, fundierte, aktuelle Bewertungen angewiesen. Experten schätzen, dass die weltweit größten drei Agenturen Moody’s, S&P und Fitch circa 80 Prozent der weltweiten Kapitalströme einer Bewertung unterziehen. Rating-Verfahren werden seit Jahren, insbesondere seit der Suprime-Krise, äußerst kritisch gesehen. Dasselbe gilt für Scoring-Verfahren, die mit mathematisch-statistischen Parametern eine Ausfallwahrscheinlichkeit im Rahmen von Kreditengagements berechnen wollen.

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hatte mit Urteil vom 07.04.2015, Aktenzeichen 24 U 82/14, ein Unternehmen dazu verurteilt,  es zu unterlassen, gegenüber Dritten über eine Klägerin eine Risikoeinschätzung („Y Risikoindikator“ von „4“ - „ Das Ausfallrisiko dieses Unternehmens wird als hoch eingestuft“, „Sicherheiten empfohlen“) zu erteilen. Denn die Tatsachengrundlage für das sogenannte „Scoring“ durch die Beklagte sei in mehreren wesentlichen Punkten offensichtlich falsch, so die Frankfurter Richter.

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Foto(s): Dr. Ina Becker

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