Rechtmäßigkeit von "Thermofenstern": Porsche zittert vor dem EuGH

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Ist es zulässig, dass die Abgasreinigung von Dieselfahrzeugen nur in einem eng gefassten Temperaturfenster funktioniert? Der Käufer eines Cayenne mit V6-Motor der Schadstoffklasse 5 hatte Porsche auf Rückabwicklung des Kaufvertrags und Erstattung des Kaufpreises von 72.000 Euro verklagt. Seinen Anspruch begründete er mit einer im Fahrzeug eingebauten „Steuerungssoftware, die … temperaturabhängig in die Abgasreinigung und deren Wirksamkeit eingreife und eine unzulässige Abschalteinrichtung darstelle“.

Ebenso wie BMW, Daimler, VW und weitere Hersteller, die ähnliche Technologien zur Abgasreinigung einsetzen, vertrat auch Porsche in dem Verfahren vor dem Landgericht Stuttgart die Ansicht, dass Thermofenster zum Schutz von Motor und Bauteilen notwendig seien und mit europäischem Recht in Einklang stünden. Dabei berief sich der Automobilhersteller auf die Verordnung EG 715/2007, die Thermofenster aus Gründen des Bauteil- und Motorschutzes erlaube.

Das Landgericht Stuttgart bezweifelt, dass Thermofenster technisch erforderlich und rechtlich zulässig sind. Mit Beschluss vom 13.03.2020 (Az. 3 O 31/20) lässt der Richter Dr. Fabian Richter Reuschle in einem Vorabentscheidungsersuchen nun zentrale Fragen vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) klären:

  • Was ist eine unzulässige Abschalteinrichtung im Abgaskontrollsystem eines Dieselmotors?
  • Was ist unter „normale Betriebsbedingungen“ zu verstehen? Diese Frage zielt darauf ab, wozu man überhaupt Grenzwerte benötigt, wenn diese nur auf dem Prüfstand eingehalten werden.
  • Sind temperaturabhängige Emissionsminderungsstrategien („Thermofenster“) zulässig?
    Also auch, wenn sie dazu führen, dass die Abgasreinigung beispielsweise nur in einem Temperaturbereich zwischen 17 und 33 Grad funktioniert?
  • Wie ist der Begriff „notwendig“ im Sinne des Ausnahmetatbestandes zu werten?
  • Wie ist in diesem Sinne der Begriff „Beschädigung“ auszulegen?
  • Welche Rechts- und Sanktionswirkungen haben Verstöße gegen EU-Recht?
    Bei dieser Frage geht es um die „Reichweite“ von Schadensersatzregelungen.
    Also darum, ob geschädigte Autokäufer, den vollen Kaufpreis erstattet bekommen oder ob eine Nutzungsentschädigung abgezogen wird.

Porsche gibt sich in Hinblick auf das EuGH-Verfahren optimistisch: Die Anrufung des EuGH sei in einem Verfahren mit Bezug zu europäischem Recht nicht ungewöhnlich und bedeute auch keine Entscheidung in der Sache. Im Übrigen habe man die überwiegende Zahl der Verfahren bei Land- und Oberlandesgerichten gewonnen.

So siegessicher sollte Porsche allerdings nicht sein. Denn immer mehr Gerichte betrachten ‚Thermofenster‘ als illegale Abschalteinrichtungen, die keinesfalls durch EU-Verordnungen gedeckt sind. Daher begrüßen wir es, dass dieses Thema nun auf europäischer Ebene geklärt wird und sind sehr gespannt auf die Ausführungen der Generalanwältin, die am 30. April ein Gutachten vorlegen und ihren Schlussantrag stellen wird. Wir rechnen damit, dass das ohnehin verbraucherfreundliche EuGH ihrem Antrag folgen wird. Ein EuGH-Urteil wäre dann auch für deutsche Gerichte bindend. Dann könnte auf Porsche und andere Autokonzerne eine neue Schadenersatz-Lawine zurollen.


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