Reichweite und Ladekapazität von Elektroautos – Fakten, Berechnungen und rechtliche Möglichkeiten

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Die Reichweite und die Ladekapazität sind zwei zentrale Themen beim Kauf eines Elektroautos. Hersteller preisen oft hohe Reichweiten und großzügige Ladekapazitäten an, aber viele E-Auto-Besitzer stellen fest, dass die Angaben unter realen Bedingungen oft nicht erreicht werden. Diese Abweichungen können zur Frage führen, ob der Verkäufer haftbar ist, wenn die Reichweite oder Ladekapazität erheblich von den Angaben abweicht.

Definition der Reichweite bei Elektroautos

Die Reichweite eines Elektroautos ist die Strecke, die das Fahrzeug mit einer vollen Ladung zurücklegen kann. Sie ergibt sich rechnerisch aus zwei Faktoren: der Akkukapazität und dem durchschnittlichen Verbrauch.

Dieser Wert kann jedoch durch verschiedene Bedingungen und externe Einflüsse stark variieren.

Ladekapazität und ihr Einfluss auf die Reichweite

Die Ladekapazität gibt an, wie viel Energie in der Batterie gespeichert werden kann, und wird in Kilowattstunden (kWh) gemessen. Je höher die Ladekapazität, desto weiter sollte das Fahrzeug mit einer Ladung fahren können. Die Batterie-Kapazität steht also in direktem Zusammenhang mit der Reichweite.

Faktoren, die die Reichweite beeinflussen

Die tatsächliche Reichweite eines Elektroautos wird durch verschiedene Faktoren beeinflusst:

  1. Fahrstil und Geschwindigkeit: Je höher die Geschwindigkeit und je aggressiver das Fahrverhalten, desto höher der Verbrauch.
  2. Steigungen: Strecken mit Steigungen erhöhen den Energieverbrauch und verkürzen die Reichweite.
  3. Außentemperatur: Kaltes Wetter kann die Leistung der Batterie verringern, was zu einer geringeren Reichweite führt.
  4. Elektrische Verbraucher: Heizung und Klimaanlage erhöhen den Stromverbrauch erheblich und verringern die Reichweite entsprechend.

Reichweite im Sommer vs. Winter

Die Reichweite von Elektroautos ist besonders temperaturabhängig. Im Winter führt die Kälte zu einer verminderten Kapazität und damit zu einer geringeren Reichweite. Gleichzeitig muss oft die Heizung im Fahrzeug betrieben werden, was den Energieverbrauch zusätzlich erhöht. Im Sommer kann hingegen die Kühlung der Batterie oder die Nutzung der Klimaanlage die Reichweite beeinflussen.

Unterschied zwischen WLTP und realer Reichweite

Die WLTP-Norm (Worldwide Harmonized Light Vehicles Test Procedure) ist ein standardisiertes Verfahren, mit dem die Reichweite und der Verbrauch von Fahrzeugen unter Laborbedingungen ermittelt werden. Die real erzielte Reichweite weicht jedoch oft deutlich von den WLTP-Werten ab, da die Laborbedingungen idealisiert sind und keine externen Faktoren wie Fahrstil oder Witterung berücksichtigen. Eine detaillierte Übersicht zu WLTP und Testbedingungen finden Sie beispielsweise auf der Website des ADAC.

Herstellergarantien und Ladekapazität

Viele Hersteller garantieren eine Mindestladekapazität der Batterie. Ein bekanntes Beispiel ist die Renault Bank, die in einigen Verträgen einen Grenzwert von 75 % der ursprünglichen Kapazität als Garantieschwelle definiert. Fällt die Ladekapazität unter diesen Wert, gilt die Batterie als mangelhaft, und der Käufer kann Gewährleistungsansprüche geltend machen.

Der State of Health (SoH) als Messgröße

Der State of Health (SoH) ist eine Kennzahl, die den allgemeinen Gesundheitszustand der Batterie beschreibt und als Prozentsatz der ursprünglichen Kapazität ausgedrückt wird. Der SoH-Wert alleine reicht jedoch oft nicht aus, um die Leistungsfähigkeit der Batterie im Alltag zu bewerten, da dieser Wert keine praxisrelevante Aussage über die tatsächliche Nutzbarkeit der Batterie trifft.

Warum kWh als Messwert entscheidend ist

Die kWh-Messung ist die verlässlichste Kennzahl für die tatsächliche Reichweite, da sie die tatsächlich nutzbare Ladekapazität widerspiegelt. Im Vergleich zum SoH-Wert bietet die Kapazität in kWh eine objektivere Einschätzung und erlaubt einen besseren Vergleich zwischen Fahrzeugen verschiedener Hersteller.

Rechtliche Einstufung schwacher Batterien

Im deutschen Recht wird eine schwache Batterie als Sachmangel angesehen, wenn die tatsächliche Kapazität deutlich von den Herstellerversprechen oder aber den Zusicherungen des Verkäufers abweicht. Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) haben Käufer das Recht, eine Nachbesserung oder eine Kaufpreisminderung zu verlangen, wenn die Batterie nicht den vertraglich vereinbarten Eigenschaften entspricht. 

Oft bieten Hersteller Garantien, die eine Mindestladekapazität von 60–80 % über eine Laufleistung von bis zu 190.000 km oder acht Jahre zusichern. Diese Garantien gewähren den Käufern oft kostenlosen Ersatz oder eine Reparatur der Batterie, falls die Leistung innerhalb dieses Rahmens abnimmt. Diese Garantiebedingungen bieten einen zusätzlichen Schutz neben der gesetzlichen Sachmängelhaftung.

Die Garantiebedingungen der Hersteller schränken die gesetzlichen Ansprüche nicht ein. Wichtig: Die Grenzwerte zur Ladekapazität oder Laufleistung innerhalb der Garantiebedingungen bestimmen nicht die vertragliche Beschaffenheit nach § 434 BGB. Weicht die Batterie stark von den vertraglichen Anforderungen ab, gilt sie dennoch als mangelhaft, selbst wenn die Garantiewerte eingehalten werden.

Prospektangaben zur Reichweite und rechtliche Bedeutung

Die Reichweitenangaben in den Verkaufsprospekten der Hersteller beruhen oft auf der WLTP-Norm und geben idealisierte Werte an. Abweichungen zur realen Reichweite werden häufig erst nach dem Kauf deutlich, was für den Käufer in vielen Fällen enttäuschend ist. Die Frage, ob Prospektangaben als zugesicherte Eigenschaften gelten, ist entscheidend. Sie werden oftmals als öffentliche Äußerungen des Herstellers gelten, die sich auch der Verkäufer zurechnen lassen muss. Dies hat zur Folge, dass die Prospektangaben die objektiven Anforderungen an die Ware bestimmen, also rechtlich verbindlich sind (§ 434 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 b) BGB). Bei relevanten Abweichungen liegt folglich ein Sachmangel vor.

Feststellung eines Sachmangels

Ein Sachmangel liegt dann vor, wenn die reale Kapazität der Batterie erheblich von den Angaben des Herstellers abweicht. Als Vergleichswert zur Rechtsprechung bei Verbrennern wird eine Abweichung von mindestens 10 % zwischen dem realen Fahrbetrieb und dem WLTP-Wert als Anhaltspunkt für einen Sachmangel anzusehen sein. Der Grenzwert von 10 % kann allerdings direkt nur dann angewendet werden, wenn ein neues oder neuwertiges Fahrzeug einen derartigen Mehrverbrauch aufweist. Für ältere Elektrofahrzeuge hingegen sind neue Kriterien nötig, da nach heutigen Garantiebedingungen ein Leistungsverlust von etwa 20–30 % innerhalb von acht bis zehn Jahren als normal angesehen wird. Bei Gebrauchtwagen mit entsprechend gealterten Batterien wäre es sinnvoll, den 10-%-Grenzwert für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor an das Alter der Batterie anzupassen, indem man zusätzliche 10–20 % hinzurechnet. Wenn dieser spezifische, an das Batterielebensalter angepasste Grenzwert überschritten wird, spricht dies dafür, dass das Fahrzeug eine mangelhafte Beschaffenheit aufweist. Da der Zustand der Batterie regelmäßig von der Bordelektronik überwacht und aufgezeichnet wird, können die Daten ausgelesen werden. Der Kunde kann das entsprechende Protokoll beim Hersteller oder Händler anfordern. Höchstrichterliche Entscheidungen hierzu stehen noch aus.

Rechtliche Optionen für Käufer

Liegt ein Sachmangel vor, haben Käufer verschiedene rechtliche Möglichkeiten:

  1. Nachbesserung: Der Verkäufer kann zur Reparatur oder zum Austausch der Batterie aufgefordert werden.
  2. Rücktritt vom Kaufvertrag: Bei schwerwiegenden Mängeln kann der Käufer vom Kauf zurücktreten.
  3. Kaufpreisminderung: Eine nachträgliche Minderung des Kaufpreises ist ebenfalls möglich, wenn die Batterie dauerhaft unter den zugesicherten Werten bleibt.

Batteriemiete vs. Batteriekauf

Abhängig vom Hersteller ist die Batterie entweder Bestandteil des Kaufvertrags oder wird separat gemietet. Die Batteriemiete bietet eine Möglichkeit, die Anschaffungskosten zu senken und das Risiko eines Batterieversagens vom Käufer auf den Hersteller zu übertragen. Dieses Modell zur Absatzförderung wird jedoch zunehmend abgeschafft und ist in einigen Märkten wie Großbritannien und Spanien bereits nicht mehr verfügbar. In Deutschland wurden Batteriemietmodelle weitgehend durch Kaufoptionen ersetzt. 

Im Vergleich zum Kauf bieten Batteriemietverträge oft vorteilhaftere Bedingungen, was die Laufzeit und Obergrenzen der garantierten Leistung angeht. So können Garantiezeiten bis zu zehn Jahre betragen, und in einigen Fällen können die Mietkosten an die jährliche Fahrleistung angepasst werden.

Die Regelungen in Batteriemietverträgen sind ähnlich zu denen in Kfz-Leasingverträgen, insbesondere in Bezug auf die Verpflichtungen des Mieters, die Batterie in einem Zustand zurückzugeben, der dem Alter und der Nutzung entspricht. Bei Nichteinhaltung bestimmter Bedingungen kann eine Schadensersatzpflicht des Mieters bestehen.

Mietverträge enthalten oft spezifische Verhaltensregeln für die Batterie, wie etwa empfohlene Lagertemperaturen. Diese Klauseln können aus Sicht des Mieters als unzumutbar empfunden und juristisch als unwirksam bewertet werden.

Bei einer mangelhaften Batterie kommt dann, je nach vertraglicher Ausgestaltung, Mietrecht zur Anwendung. Der Mieter kann eine Mietminderung oder eine Kündigung des Mietvertrags verlangen, wenn die Batterie dauerhaft nicht die zugesicherte Kapazität erreicht.

Beim Verkauf eines Fahrzeugs mit gemieteter Batterie bleibt der Käufer an die Batteriemiete gebunden, falls keine Vereinbarungen zur Übertragung der Mietrechte bestehen. Auch bei einem Fahrzeugverkauf an Dritte kann der Mieter verpflichtet sein, die Miete fortzuführen.

Es ist wichtig, dass die Batterie bei Rückgabe einen Zustand aufweist, der dem Alter und der Laufleistung entspricht.

Vertragliche vorbehaltene Ladesperre bei Zahlungsausfall

Eine vertraglich vorbehaltene Ladesperre im Falle einer Kündigung durch den Vermieter - häufig wenn der Mieter die Miete nicht mehr bezahlt - wurde vom BGH als unwirksam angesehen (BGH Urteil vom 26.10.2022 – XII ZR 89/21). Die Entscheidungsgründe führen aus, dass der Fernzugriff auf die vermietete Batterie eine Besitzbeeinträchtigung darstellt, da durch den digitalen Eingriff die Steuerung der Batterie beeinflusst wird, was einer Einwirkung auf die Sachsubstanz gleichkommt. Die Klausel ermöglicht eine unberechtigte Selbsthilfe im Sinne von § 229 BGB und verstößt gegen § 858 Abs. 1 BGB, da sie eine verbotene Eigenmacht darstellt. Die Möglichkeit der Nutzung der Batterie ist ein wesentlicher Bestandteil des Besitzes, und durch die Sperrung wird die Einwirkungsmacht des Mieters eingeschränkt. Die Klausel berücksichtigt nicht angemessen die Interessen des Mieters, insbesondere wenn dieser im Streitfall die Weiterbenutzung der Batterie und des E-Fahrzeugs nur durch gerichtliche Geltendmachung erreichen kann. Das Gericht betont, dass die Risikoverteilung im Mietverhältnis grundsätzlich beim Vermieter liegt und dieser sich durch andere Mittel, wie eine Mietkaution oder einen Anspruch auf Nutzungsentschädigung, absichern kann. Die Klausel kehrt das gesetzliche Leitbild um und geht mit ihren Wirkungen über das Mietobjekt hinaus, was durch das Interesse des Vermieters an der Sicherung gegen Vermögensschaden nicht gerechtfertigt ist.

Rechtliche Optionen bei Batteriemiete

Bei einer gemieteten Batterie kann der Mieter im Falle eines Mangels eine Reduzierung der Mietkosten oder sogar die Kündigung des Mietvertrags verlangen. Der Mieter muss jedoch nachweisen können, dass die Batterie nicht den vereinbarten Leistungsanforderungen entspricht.

Zusammenfassung

Die Reichweite und Ladekapazität von Elektroautos ist ein komplexes Thema, das von vielen Faktoren beeinflusst wird. Käufer haben verschiedene rechtliche Möglichkeiten, wenn die tatsächliche Leistung nicht den Prospektangaben entspricht. 


FAQ

Wie wird die Reichweite eines Elektroautos berechnet?

  • Die Reichweite ergibt sich aus der Batteriekapazität (kWh) geteilt durch den Energieverbrauch (kWh/100 km) multipliziert mit 100.

Warum sinkt die Reichweite im Winter?

  • Kalte Temperaturen verringern die Batteriekapazität und erhöhen den Energieverbrauch, da Heizung und andere Verbraucher mehr Strom benötigen.

Was ist der SoH-Wert und wie aussagekräftig ist er?

  • Der State of Health (SoH) zeigt den Gesundheitszustand der Batterie als Prozentsatz. Er gibt jedoch keine verlässliche Aussage zur Reichweite im Alltag.

Was kann ich tun, wenn die Batterie meines E-Autos zu schwach ist?

  • Liegt ein Sachmangel vor, haben Käufer das Recht auf Nachbesserung, Kaufpreisminderung oder Rücktritt vom Vertrag.

Welche Bedeutung hat die WLTP-Norm?

  • Die WLTP-Norm liefert standardisierte Verbrauchswerte, die jedoch oft idealisiert sind und von der realen Reichweite abweichen.

Kann ich den Mietvertrag kündigen, wenn die gemietete Batterie schwächelt?

  • Ja, im Falle von Mängeln kann eine Mietminderung oder die Kündigung des Mietvertrages geltend gemacht werden, wenn die Batterie nicht den zugesicherten Leistungen entspricht.

Wie groß darf die Abweichung von den Werbeangaben sein?

  • Bei Neufahrzeugen darf die Abweichung maximal 5-10 % betragen, bei älteren Fahrzeugen sind wohl auch 20-30 % hinzunehmen.


Foto(s): visual hunt


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