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Religionswechsel: Katholische Taufe statt muslimischer Erziehung?

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anwalt.de-Redaktion

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Die Eltern eines Kindes sind grundsätzlich nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, sich um ihr Kind zu kümmern, es zu versorgen und zu erziehen. Man spricht deshalb von einem Pflichtrecht der Eltern, das grundsätzlich alle Aspekte der sog. Personensorge des Kindes umfasst. Zu den wichtigsten Aspekten der Personensorge zählen etwa die Sorge für das leibliche Wohl des Kindes, seine Unterbringung, Verpflegung, Bekleidung, die Sorge für seine Gesundheit und die Erziehung des Kindes.

Unter Erziehung versteht das Familienrecht das Einwirken der Eltern auf die geistige, seelische und sittliche Entwicklung des Kindes in einer seinen Fähigkeiten, Anlagen und sonstigen Verhältnissen entsprechenden Weise. Einen zentralen Aspekt der Erziehung stellt dabei auch die religiöse Erziehung des Kindes dar. Es ist deshalb zunächst die freie Entscheidung der Eltern, nach welchen religiösen Vorstellungen das Kind erzogen wird.

Was aber passiert, wenn den Eltern eines Kindes später das Sorgerecht entzogen wird und das Kind dauerhaft in einer Pflegfamilie untergebracht wird? Mit genau dieser Frage musste sich das Oberlandesgericht Hamm (OLG Hamm) in einer aktuellen Entscheidung auseinandersetzen.

Katholische Pflegefamilie möchte Pflegekind taufen lassen

In dem Fall, den das OLG Hamm entscheiden musste, hatte eine muslimische Frau aus Marokko im Jahr 2007 eine Tochter zur Welt gebracht. Unmittelbar nach der Geburt des Kindes wurden ihr vom Jugendamt Teile des Sorgerechts entzogen. In mehreren Schreiben an das Familiengericht machte die Kindsmutter immer wieder deutlich, dass ihre Tochter nach muslimischem Glauben großgezogen werden solle. Im November 2008 wurde der Frau das Sorgerecht für ihr Kind schließlich vollständig entzogen und stattdessen auf das städtische Jugendamt übertragen.

Anfang Mai 2009 brachte das Jugendamt das Kind schließlich in einer Dauerpflegefamilie unter, die katholisch ist, diesen Glauben im Alltag aktiv lebt und auch ihre eigenen Kinder katholisch taufen ließ und entsprechend erzog. Als das Mädchen die dritte Schulklasse besuchte, in deren Unterricht sie gemeinsam mit den Mitschülern auf die Erstkommunion vorbereitet werden sollte, beantragte der Vormund des Kindes die familiengerichtliche Genehmigung, das Kind katholisch taufen zu lassen. Das zuständige Familiengericht in Dorsten erteilte diese Genehmigung, da die römisch-katholische Erziehung dem Kindswohl und Kindswunsch entspreche, da sich das Kind mit der Taufe und der Kommunion zur Religion seiner Pflegeeltern, bei denen es seit über sechs Jahren lebte, bekennen würde.

Kindsmutter beharrt auf dem muslimischen Glauben ihrer Tochter

Gegen diesen Beschluss des AG Dorsten wehrte sich die Kindsmutter, indem sie Beschwerde beim OLG Hamm einreichte. Sie war weder mit der Taufe ihrer Tochter noch mit ihrer römisch-katholischen Erziehung einverstanden. Als Mutter des Kindes hätte sie bestimmt, dass ihre Tochter wie sie selbst auch nach muslimischen Werten erzogen werden sollte. Im Gegensatz zu anderen Glaubensrichtungen wie dem römisch-katholischen Glauben sei ein zusätzliches Sakrament oder eine Bestimmung seitens der Kindseltern zur Aufnahme in die Glaubensgemeinschaft nicht mehr erforderlich. Die vom Familiengericht erteilte Genehmigung verstoße deshalb gegen ihr Elternrecht.

OLG untersagt Wechsel zum katholischen Glauben

Das OLG Hamm gab der Kindsmutter Recht und verbot damit den Wechsel der Religionszughörigkeit des Kindes. Für die Frage der religiösen Erziehung von Kindern gibt es seit 1921 ein Spezialgesetz, dessen Vorschriften bis heute gelten. Dieses Gesetz über die religiöse Kindererziehung (KErzG oder RelKErzG) legt fest, dass der Vormund eines Kindes nur die religiöse Erstbestimmung vornehmen darf. Haben dagegen die Eltern vor Entzug des Sorgerechts festgelegt, nach welcher Religion oder Weltanschauung ihr Kind erzogen werden soll, darf der Vormund diese Entscheidung nicht ändern, sondern ist an sie gebunden.

Im vorliegenden Fall hatte die Mutter in der Zeit zwischen der Inobhutnahme ihrer Tochter und dem vollständigen Entzug des Sorgerechts mehrfach bestimmt, dass ihre Tochter nach den Grundsätzen des muslimischen Glaubens erzogen werden soll. Mit ihren Briefen an das Familiengericht hat die Kindsmutter ihr Bestimmungsrecht zur religiösen Erziehung ihrer Tochter ausdrücklich und unmissverständlich ausgeübt.

Im Ergebnis hatte die Kindsmutter deshalb vor dem Entzug des Sorgerechts ihr Erstbestimmungsrecht in Bezug auf die religiöse Erziehung ihrer Tochter ausgeübt. Deshalb spielt es auch keine Rolle, ob der Religionswechsel zum Wohl des Kindes ist. Das religiöse Kindererziehungsgesetz schreibt ausnahmslos vor, dass diese Erstbestimmung der Eltern bindend ist und der Vormund sich deshalb an sie halten muss.

Kinderwunsch spielt (noch) keine Rolle

Auch der ausdrückliche Wunsch des Kindes spielt für die Frage, ob es sich taufen lassen darf, keine Rolle. Das religiöse Kindererziehungsgesetz erkennt zwar grundsätzlich das religiöse Selbstbestimmungsrecht eines Kindes an, jedoch gestaffelt nach verschiedenen Altersgrenzen. Erst ab 14 darf ein Kind vollständig frei entscheiden, welcher Glaubensrichtung oder Weltanschauung es sich anschließt. Mit zehn Jahren hat das Kind aber bereits ein Anhörungsrecht. In diesem Fall war das Mädchen aber erst acht oder neun Jahre alt, sodass es weder angehört werden musste noch irgendein Mitspracherecht hat. Da es mit acht oder neun Jahren nach dem Kindererziehungsgesetz noch zu jung ist, spielte der Wunsch der Tochter, sich dem Glauben ihrer Pflegefamilie anzuschließen, keine Rolle.

Fazit

Das Kindererziehungsgesetz setzt also einen sehr engen Rahmen, innerhalb dessen ein Vormund mithilfe des Familiengerichts über die religiöse Erziehung eines Kindes bestimmen kann. Haben die leiblichen Eltern vor dem Entzug des Sorgerechts bereits bestimmt, nach welchen religiösen Werten ihr Kind erzogen werden soll, muss der Vormund diese Entscheidung respektieren. Eine Glaubensänderung kommt in diesem Fall nicht in Betracht – auch dann nicht, wenn der Religionswechsel zum Wohl des Kindes ist oder das Kind selbst ihn sich ausdrücklich wünscht!

(OLG Hamm, Beschluss v. 29.03.2016, AZ.: 2 UF 223/15)

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