Restschuldbefreiung und Schufa: Eine unendliche Geschichte, von Oliver Mikus

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Die Erteilung der Restschuldbefreiung ist für viele, die einmal in wirtschaftlichen Schwierigkeiten waren, ein großer Schritt. Danach heißt es, wieder aktiv am Wirtschaftsleben teilzunehmen und ohne große Probleme neues Vermögen aufzubauen. Dies ist auch für die Gemeinschaft und die Gesellschaft wichtig, denn so können Steuern und Sozialabgaben gezahlt werden.

Die Insolvenz ist überstanden. Wie gestaltet sich das aktive Wirtschaftsleben für die Betroffenen? Datenspeicherung: Welche Spuren hat die Insolvenz und erteilte Restschuldbefreiung wo hinterlassen? Warum kann die Restschuldbefreiung in Zusammenhang mit den Auskunfteien für die Betroffenen zur unendlichen Geschichte werden – was sagt die Rechtsprechung?

Wie sieht es mit dem Schufa-Eintrag nach der Restschuldbefreiung aus? Ein Interview mit dem Berliner Rechtsanwalt Dr. Thomas Schulte, Schufa-Recht Experte und Dipl.-Ing. Oliver Mikus, Betriebswirt und IT-Spezialist für Online-Marketing und deutsch-polnische Kommunikation.

Oliver Mikus: „Viele ehemals verschuldete Bürger in der Bundesrepublik Deutschland oder in Europa sind froh, die Restschuldbefreiung erreicht zu haben. Die langjährige Entbehrlichkeit während der Insolvenz ist nun vorbei. Die früheren Insolvenzschuldner haben ihre Solvenz wieder und könnten am Wirtschaftsleben teilnehmen. Warum ist dies ein Trugschluss?“

Dr. Thomas Schulte: „Über 6 Jahre hat sich der Schuldner während seiner Insolvenz redlich bemüht, seine Schulden zurückzuzahlen und so aus der Krise herauszukommen. Mit der Erteilung der Restschuldbefreiung sind zwar die Schulden nicht mehr da; dennoch ist eine aktive Teilnahme am Wirtschaftsleben fast nicht möglich. Grund dafür ist, dass im Datenbestand der SCHUFA Holding AG der Eintrag „Restschuldbefreiung erteilt“ gespeichert ist.“

Oliver Mikus: „Bedeutet das, dass nach der Erteilung der Restschuldbefreiung die SCHUFA Holding AG dies speichert?“

Dr. Thomas Schulte: „Ja! Die Insolvenzordnung, dort § 9 Abs. 1 Insolvenzordnung (InsO), schreibt unter anderem vor, dass bestimmte Abschnitte des Insolvenzverfahrens öffentlich bekannt zu machen sind. Hierzu gehört unter anderem auch die Veröffentlichung der Erteilung der Restschuldbefreiung. Auf dem Portal www.insolvenzbekanntmachungen.de werden diese Veröffentlichungen vorgenommen.

Nach jeder Veröffentlichung auf dem Portal www.insolvenzbekanntmachungen.de ist für jedermann eine uneingeschränkte Suche für die Dauer von zwei Wochen möglich. Nach dieser Zeit erhält ein Suchender nur noch Informationen, wenn er neben dem zuständigen Insolvenzgericht noch eine weitere Angabe, wie z.B. den Familiennamen, die Firma oder Sitz bzw. Wohnsitz des Schuldners eingibt. Mit anderen Worten nach Ablauf von zwei Wochen gerechnet ab dem Zeitpunkt der Veröffentlichung ist keine allgemeine Suche, sondern nur noch eine Detailsuche möglich.

Nach sechs Monaten, gerechnet ab dem Zeitpunkt der Veröffentlichung, ist über den vormaligen Insolvenzschuldner auf dem Portal www.insolvenzbekanntmachungen.de dann aber gar nichts mehr zu finden, auch nicht über die Detailsuche.“

Oliver Mikus: „Und die Auskunfteien wie die SCHUFA Holding AG speichert länger?“

Dr. Thomas Schulte: „Ja! Es ist so, dass Auskunfteien wie z.B. die SCHUFA Holding AG diese Informationen hierzu länger speichern als die öffentliche Stelle. Hintergrund ist, dass die maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften unterschiedliche Speicherfristen vorsehen.

Dürfen die öffentlichen Bekanntmachungen im Sinne der Insolvenzordnung nur für die Dauer von sechs Monaten auf dem Portal www.insolvenzbekanntmachungen.de gespeichert werden, ist eine Speicherung von Daten, welche aus allgemein zugänglichen öffentlichen Quellen entnommen wurden, nach den Vorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) deutlich länger möglich.

Die Vorschriften des Bundesdatenschutzgesetzes sind die maßgeblichen rechtlichen Grundlagen für die SCHUFA Holding AG, welche als privates Unternehmen wichtige Interessen für die Wirtschaft wahrnimmt. Hiernach sind längere Speicherfristen zulässig, da § 35 Abs. 2 Satz 4 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) Prüffristen von drei und vier Jahren regelt.“

Oliver Mikus: „Was sagen die Gerichte dazu?“

Dr. „Thomas Schulte: Die Gerichte führen die unterschiedlichen Fristen auf die unterschiedlichen Zweck- und Zielrichtungen der Gesetze zurück. Insofern geben die Gerichte der SCHUFA Holding AG Recht, dass diese die Erteilung der Restschuldbefreiung für die Dauer von drei Jahren speichern darf.

Wir sehen hier einen Widerspruch zwischen der staatlichen Entscheidung und den kurzen Veröffentlichungen und Wahrnehmungen auf www.insolvenzbekanntmachungen.de und auch dem Recht auf Vergessen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH).

Wie sich die Rechtslage weiterentwickelt, bleibt spannend und sollte beobachtet werden.“

Oliver Mikus: „Es gibt hierzu auch weitere Informationen auf der Website von www.dr-schulte.de. Im Übrigen gibt es politische Diskussionen, angestoßen von einigen Abgeordneten und der Fraktion  Bündnis 90/Die Grünen. Was ist davon zu halten?“

Dr. Thomas Schulte: „Der Vorstoß ist zu begrüßen. Es ist bezweckt, das Bundesdatenschutzgesetz zu ändern. Es soll die Transparenz und die Bedingungen beim Scoring verbessert werden. Diesbezüglich wurde ein Gesetzesentwurf im Deutschen Bundestag eingebracht. Gleichzeitig sieht der Entwurf vor, dass auch die Speicherfristen gerade auch im Hinblick auf die Speicherung des Merkmals der Erteilung der Restschuldbefreiung verändert werden soll. Es bleibt abzuwarten, inwieweit das Änderungsvorhaben von Erfolg sein wird.“

„Vielen Dank für das Interview.“


Pressekontakt/ViSdP:

Dr. Schulte und Partner Rechtsanwälte mbB

vertreten durch die Partner

Dr. Thomas Schulte, Dr. Sven Tintemann, Kim Oliver Klevenhagen

Der Beitrag schildert die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Erstellung. Internetpublikationen können nur einen ersten Hinweis geben und keine Rechtsberatung ersetzen.


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