Scheinselbstständigkeit: Freiberuflich-selbstständige Tätigkeit eines Physiotherapeuten

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In einer – soweit ersichtlich – rechtskräftig gewordenen Berufungsentscheidung des LSG Baden-Württemberg im Urteil vom 19.07.2018, Aktenzeichen: L 7 R 1319/17, wurde zur Abgrenzung einer gemäß § 7 Abs. 1 SGB IV abhängigen Beschäftigung als Physiotherapeutin zur selbstständig-freiberuflichen Tätigkeit Stellung bezogen.

Nach Erwerb der Kassenzulassung gemäß § 124 SGB V als Heilmittelerbringerin ließ die beigeladene Physiotherapeutin im Rahmen eines Statusklärungsverfahrens gemäß § 7a SGB IV ihre vertraglich geregelte selbstständige Tätigkeit in der Physiotherapiepraxis einer Kollegin (der Klägerin) feststellen. 

Beide Gerichtsinstanzen bestätigten die freiberuflich-selbstständige Tätigkeit der Beigeladenen unter Aufhebung der entgegenstehenden Feststellungsbescheide des Rentenversicherungsträgers. Maßgeblich war für den Senat auf der Grundlage der höchstrichterlichen Rechtsprechung das Gesamtbild der Arbeitsleistung anhand des zwischen den Beteiligten bestehenden Vertragsverhältnisses, wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich zwischen den Beteiligten vollzogen wurde. Entscheidend war für die Gerichte, dass die Beigeladene in den Räumen der Kollegin (Klägerin) eine eigene Patientenkartei führte und einen eigenen, ihr zur ausschließlichen Verfügung stehenden, Behandlungsraum in Anspruch nehmen konnte. 

Die vertraglich vereinbarte freie Mitarbeit war zwischen den Kolleginnen auch so praktiziert worden. Die Beigeladene konnte ihre Behandlungstermine selbst bestimmen und sagte diese gegebenenfalls auch selbst im Krankheitsfall von zu Hause aus ab. Sie führte ihr eigenes Terminbuch und konnte im Voraus selbst bestimmen, zu welchen Zeiten sie tätig sein wollte. Dabei behandelte sie auch ihre eigenen Patienten und nicht solche der Klägerin. Am Praxiseingang befand sich ihr eigenes Namensschild, ebenso war der Behandlungsraum mit ihrem Namen beschriftet, auf den auch ein eigener Aufsteller an der Praxistheke hinwies. Die Werbung erfolgte durch die Beigeladene mit eigenen Visitenkarten. 

Nach Auffassung des Senats war das Unternehmerrisiko der Beigeladenen, vor allem auch durch die größeren Verdienstchancen, gekennzeichnet, nachdem sie als angestellte Physiotherapeutin früher einen Stundenverdienst von 14,00 EUR aufwies und nunmehr im Rahmen ihrer selbstständig-freiberuflichen Tätigkeit einen Stundenverdienst von 30,00 EUR erzielen konnte und somit entsprechend größere Gewinne als Unternehmerin realisierte. Die Gesamtabwägung ergab somit nach Einschätzung des Senates eine Überwiegung der selbstständigen Tätigkeitsmerkmale.

Bitte beachten Sie, dass dieser Beitrag – für den wir keine Haftung übernehmen – eine Beratung im Einzelfall nicht ersetzen kann.

Andreas Klinger

Rechtsanwalt und

Fachanwalt für Sozialrecht

Fachanwalt für Verwaltungsrecht

Gaßmann & Seidel, Rechtsanwälte Partnerschaft mbB Stuttgart


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