Scheinselbstständigkeit im Fokus von Staatsanwaltschaft, Rentenversicherung und Finanzamt
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Viele kleine oder mittelständische Unternehmer sind sich den Risiken der Beschäftigung von sog. Scheinselbständigen nicht ausreichend bewusst, obwohl nicht wenige Geschäftsführer bereits von Ermittlungen der Staatsanwaltschaft, der Deutschen Rentenversicherung und dem Finanzamt konfrontiert waren.
Folgen für Unternehmer oft gravierend
Nicht selten sind die Folgen und Auswirkungen bei dem Vorwurf der Beschäftigung von Scheinselbstständigen für die Unternehmer gravierend! Neben einem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren wegen Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelten (§ 266a StGB) sind es vor allem die Rentenversicherungsträger und manchmal auch die Finanzämter, die mit ihren (oft voreiligen, jedoch auch sofort vollstreckbaren) Nachforderungen von Sozialversicherungsbeiträgen, Beträgen zur Unfallkasse und Lohnsteuer den Unternehmer an den Rand des wirtschaftlichen Ruins bringen können.
Umso mehr gilt es sich einmal mit den rechtlichen Grundlagen zu befassen, wann ein Subunternehmer als Arbeitnehmer gilt:
Ausgangspunkt für eine rechtliche Einordnung ist § 7 SGB IV, wo es heißt: Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.
Mit dieser recht weiten Formulierung ist aber noch nicht viel anzufangen, weshalb die Sozialversicherungsträger und die Rechtsprechung „Kriterien“ herausgearbeitet haben, um für die unterschiedlichen Fallgestaltungen eine Einordnung vornehmen zu können, ob es sich um einen Selbständigen oder aber einen Scheingewerbetreibenden/Arbeitnehmer handelt. Die Einordnung ist jedoch nicht immer einfach, da eine Vielzahl der Kriterien sowohl bei einer abhängigen als auch selbstständigen Beschäftigung vorliegen können.
Indizienkatalog & Gesamtbetrachtung
Als Abgrenzungskriterien kommen sowohl formale Kriterien, persönliche Umstände beim Tätigen, dessen Eingliederung in die Betriebsorganisation des Auftraggebers und Weisungsgebundenheit sowie dessen Unternehmerinitiative bzw. Unternehmerrisiko in Betracht, wie nachfolgende – nicht abschließende – Übersicht zeigt:
Indizien für abhängige Beschäftigung | Indizien für Selbstständigkeit |
Arbeitsvertrag | Dienst-/Werk-/Geschäftsbesorgungsvertrag |
Fehlende Gewerbeanmeldung, Betriebsnummer, Steuernummer, Handeslregistereintrag | Dienst-/Werk-Gewerbeanmeldung, Betriebsnummer, Steuernummer, Handeslregistereintrag/Geschäftsbesorgungsvertrag |
Fehlende Fach- oder Sprachkenntnisse | Fach- oder Sprachkenntnisse |
Schulden der Arbeitskraft | Schulden des Arbeitserfolgs |
Vorgaben zu Arbeitszeit, Beginn und Ende der Tätigkeit sowie Pausenzeiten | Freie Gestaltung von Arbeits- und Pausenzeiten |
Vorgaben zum Arbeitsort | Keine Vorgaben zum Arbeitsort |
Planung/Organisation der Tätigkeit durch Arbeitgeber, konkrete Vorgaben zur Durchführung der Tätigkeit | Keine Weisungsgebundenheit, keine Vorgaben, wie eine Tätigkeit konkret auszuführen ist. Es zählt lediglich das Ergebnis. |
Feste/gleich bleibende Vergütung | Vergütung abhängig von Auftragslage + Arbeitserfolg |
Arbeitnehmertypische Lohnbestandteile (z.B. Überstundenvergütung, etc.) | Keine Vergütung von Überstunden, sondern (zuvor) fest vereinbarte Vergütung (nach Stunden oder Pauschal) |
Urlaubsanspruch/ Lohnfortzahlung im Urlaub | Keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, kein Anspruch auf Urlaub |
... | ... |
Da in der Praxis regelmäßig sowohl Merkmale, die für eine Selbstständigkeit als auch solche, die für eine abhängige Beschäftigung sprechen, vorliegen, ist entscheidend, welche dieser Merkmale bei einer Gesamtbetrachtung der tatsächlichen Umstände überwiegen. Auch hier ergeben sich große Spielräume für eine Argumentation sowohl zum Nachteil als auch zugunsten der Betroffenen.
Einstellung des Strafverfahrens hat keine Auswirkungen auf die anderen Behörden
Achtung: Da hier auf Seiten der staatlichen Stellen drei Behörden (Staatsanwaltschaft, Rentenversicherung, Finanzamt) agieren, kommt es durchaus zu unterschiedlichen Bewertungen und Ergebnissen – trotz der oft zitierten Einheit der Rechtsordnung. Während die Strafjustiz leichte bis mittelschwere Fälle des Vorenthalten von Sozialbeiträgen oftmals gegen Geldauflagen einstellt (§ 153a StPO), fühlt sich die Rentenversicherung bei solchen Fallgestaltungen oft „aufgefordert“, besonders unnachgiebig zu sein. Auch das Finanzamt ist an eine Einstellungsentscheidung einer Staatsanwaltschaft nicht gebunden und wird gegebenenfalls erhebliche Steuernachforderungen erheben.
Dies bedeutet, dass man im schlimmsten Fall drei Prozesse führen muss.
Verteidigungstaktik
Aus diesen Gründen muss eine Verteidigung bereits von Beginn des Mandats sämtliche Aspekte des jeweiligen Einzelfalls beachten. Es reicht nicht aus, das Strafverfahren „laufen zu lassen“ oder „irgendwie“ zur Einstellung zu bringen (z.B. per Strafbefehl), da jedes ungünstige Ergebnis im Strafverfahren von Rentenversicherung und Finanzamt dankbar aufgegriffen wird, um ihre Forderungen durchzusetzen.
Gegebenenfalls muss der Verteidiger weitere Spezialisten (z.B. Steuerberater, Fachanwälte für Steuerrecht) hinzuziehen, um ein optimales Ergebnis zu erzielen.
Kanzlei Gemmerich
Herr Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht Sören Gemmerich ist auf diesem Gebiet spezialisiert und hat bereits eine Vielzahl von Unternehmer erfolgreich verteidigt und vertreten. Sollten Sie ebenfalls von Ermittlungen wegen des Vorwurfs der Beschäftigung von Scheinselbstständigen betroffen sein, wenden Sie sich gerne an uns und wir arbeiten für Sie ein passendes Verteidigungskonzept aus.
Auch wenn Sie weitergehende Fragen zu diesem Artikel haben, stehen wir Ihnen mit Rat und Tat zur Seite.
Ihr
RA/FAStr
Sören Gemmerich
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