Schweigerecht im Strafverfahren: Warum Sie als Beschuldigter nichts sagen – und einen Anwalt kontaktieren sollten
- 6 Minuten Lesezeit

Inhaltsverzeichnis
- Was bedeutet Schweigerecht im Strafverfahren?
- Was Sie stattdessen tun sollten – Schritt für Schritt
- Der taktische Vorteil des Schweigens – aus Sicht des Strafverteidigers
- Wie Aussagen im Ermittlungsverfahren später gegen Sie verwendet werden
- Häufige Fragen rund ums Schweigerecht
- Sie haben eine Vorladung oder werden verdächtigt?
Viele Menschen glauben, es sei ein Zeichen von Unschuld, sofort zu kooperieren, Aussagen zu machen und „alles zu erklären“. Doch gerade im Strafrecht ist das Gegenteil oft der bessere Weg: Schweigen.
Wer als Beschuldigter mit Polizei, Staatsanwaltschaft oder Gericht konfrontiert wird, befindet sich in einer rechtlich hochsensiblen Situation. Unüberlegte Aussagen, auch wenn sie gut gemeint sind, können schwerwiegende Konsequenzen haben – bis hin zur Verurteilung.
Was viele nicht wissen:
Sie sind nicht verpflichtet, sich zu äußern. Und: Schweigen darf Ihnen nicht negativ ausgelegt werden. Es ist ein Grundrecht – und eine der wichtigsten Verteidigungsstrategien.
In diesem Beitrag erfahren Sie:
Was das Schweigerecht bedeutet
Warum Sie es unbedingt nutzen sollten
Wie ein Strafverteidiger Ihre Rechte sichert
Und welche Fehler Sie unbedingt vermeiden sollten
Was bedeutet Schweigerecht im Strafverfahren?
Das Schweigerecht ist in § 136 Abs. 1 Satz 2 der Strafprozessordnung (StPO) geregelt. Dort heißt es sinngemäß:
„Der Beschuldigte ist darauf hinzuweisen, dass es ihm nach dem Gesetz freistehe, sich zu der Beschuldigung zu äußern oder nicht zur Sache auszusagen und jederzeit, auch schon vor seiner Vernehmung, einen von ihm zu wählenden Verteidiger zu befragen.“
Sie dürfen – müssen aber nicht sprechen
Das bedeutet konkret: Wenn Sie als Beschuldigter gelten, dürfen Sie jederzeit schweigen, ohne dass Ihnen daraus rechtliche Nachteile entstehen.
Wichtig:
Das Schweigerecht gilt vor, während und nach einer Vernehmung.
Es gilt gegenüber der Polizei, Staatsanwaltschaft und auch dem Gericht.
Warum Schweigen (fast) immer besser ist als Reden
Viele Mandanten sagen im Erstgespräch:
„Ich dachte, wenn ich alles erkläre, dann klärt sich das Missverständnis auf.“
Oder: „Ich wollte kooperativ sein.“
Das Problem:
Ihre Aussage wird schriftlich dokumentiert und gegen Sie verwendet.
Selbst scheinbar harmlose Bemerkungen können juristisch missverstanden oder falsch gewertet werden.
Unter Druck oder Angst machen viele Menschen widersprüchliche oder ungenaue Angaben.
Typische Risiken unüberlegter Aussagen:
Selbstbelastung ohne es zu merken
Verfestigung eines Anfangsverdachts
Ausschluss späterer Verteidigungsstrategien
Verlust der Kontrolle über das Verfahren
Gerade in frühen Phasen des Strafverfahrens (z. B. bei der ersten Vorladung oder Hausdurchsuchung) ist es entscheidend, keine Aussagen zur Sache zu machen. Denn: Sie kennen die Akte nicht. Sie wissen nicht, was genau gegen Sie vorliegt. Und ohne Akteneinsicht kann keine fundierte Einlassung erfolgen.
Viele Beschuldigte handeln emotional oder aus Unwissenheit. Das führt oft dazu, dass sie sich selbst belasten, obwohl sie das gar nicht beabsichtigen. Hier sind typische Fehler – und wie sie vermieden werden können:
1. „Ich wollte nur alles richtigstellen“
Ein Klassiker: Der Beschuldigte glaubt, es liege ein Missverständnis vor, und versucht, die Sache „aufzuklären“. Doch was gut gemeint ist, kann fatale Folgen haben:
Sie bestätigen ungewollt den Tatvorwurf,
widersprechen sich in Details,
oder liefern neue Ermittlungsansätze, die die Polizei vorher gar nicht kannte.
2. „Ich hab ja nichts zu verbergen“
Dieses Argument klingt stark – ist aber gefährlich. Auch Unschuldige machen Aussagen, die sie später belasten können:
Ungenauigkeiten werden als Lügen gewertet,
Halbwissen oder Unsicherheiten als Widersprüche,
Schweigen wäre besser gewesen – aber die Chance ist vertan.
3. „Ich wollte zeigen, dass ich kooperativ bin“
Kooperation ist nicht verboten – aber Aussagen sind nicht erforderlich, um das zu zeigen. Sie kooperieren auch, wenn Sie:
ruhig bleiben,
höflich auf Ihr Schweigerecht hinweisen,
und mitteilen, dass Sie einen Rechtsanwalt kontaktieren möchten.
Fazit:
Ein einmal gesagter Satz ist nicht mehr zurückzunehmen – und kann im Strafprozess entscheidend sein. Deshalb: Sagen Sie nichts. Rufen Sie Ihren Anwalt an.
Was Sie stattdessen tun sollten – Schritt für Schritt
1. Keine Aussagen zur Sache machen
Das Wichtigste zuerst: Sagen Sie nichts zum Tatvorwurf. Weder spontan, noch auf Nachfrage. Selbst wenn die Polizei Druck aufbaut oder Freundlichkeit vorgibt – Ihr gutes Recht ist es, zu schweigen.
2. Verlangen Sie einen Anwalt
Sie haben jederzeit das Recht, einen Strafverteidiger zu kontaktieren, bevor Sie aussagen – und auch, bevor Sie überhaupt zur Polizei gehen.
Wichtig:
Eine polizeiliche Vorladung als Beschuldigter ist nicht verpflichtend. Sie müssen dort nicht erscheinen und auch keine Aussage machen. Nutzen Sie dieses Recht!
3. Keine schriftliche Stellungnahme ohne Akteneinsicht
Auch wenn Sie aufgefordert werden, schriftlich Stellung zu nehmen – tun Sie es niemals ohne anwaltliche Beratung. Erst nach Akteneinsicht kann eine durchdachte Verteidigungsstrategie entwickelt werden.
Der taktische Vorteil des Schweigens – aus Sicht des Strafverteidigers
In der Strafverteidigung gilt: Wer schweigt, kontrolliert das Verfahren. Wer redet, verliert oft diese Kontrolle.
Ein erfahrener Strafverteidiger wird nach Akteneinsicht:
bewerten, ob und wann eine Aussage sinnvoll ist,
entscheiden, ob Schweigen dauerhaft oder nur vorübergehend taktisch klüger ist,
und bei Bedarf eine schriftliche Einlassung mit präzisem Inhalt vorbereiten – nicht unter Zeitdruck oder emotionalem Stress.
Beispiel aus der Praxis:
Ein Mandant, dem Betrug vorgeworfen wurde, wollte sofort alles „erklären“. Nach Sichtung der Akte zeigte sich: Der Vorwurf basierte auf einem Irrtum. Eine unbedachte Aussage hätte diesen Irrtum ungewollt bestätigt – durch Schweigen und gezielte Verteidigung konnte das Verfahren eingestellt werden.
Aussage bei Gericht – Gilt das Schweigerecht auch hier?
Ja – auch vor Gericht dürfen Sie als Beschuldigter schweigen. Ihr Schweigerecht besteht während des gesamten Strafverfahrens: vom ersten Kontakt mit der Polizei bis zum letzten Wort in der Hauptverhandlung.
Beschuldigter vs. Zeuge – Ein entscheidender Unterschied
Es ist wichtig, zwischen Beschuldigtem und Zeugen zu unterscheiden:
Beschuldigter:
Sie dürfen jederzeit schweigen – auch vor Gericht, auch in der Hauptverhandlung. Niemand kann Sie zwingen, sich zur Sache zu äußern. Auch Ihr Verteidiger darf in Ihrem Namen schweigen.Zeuge:
Zeugen sind grundsätzlich zur Aussage verpflichtet. Aber:Es gibt ein Zeugnisverweigerungsrecht für enge Angehörige (§ 52 StPO).
Und ein Aussageverweigerungsrecht, wenn Sie sich selbst belasten würden (§ 55 StPO).
⚠ Wichtig für Angehörige:
Wenn Sie als Zeuge geladen sind, sollten Sie unbedingt prüfen (ggf. mit anwaltlicher Hilfe), ob Sie schweigen dürfen – oder sogar müssen.
Wie Aussagen im Ermittlungsverfahren später gegen Sie verwendet werden
Eine Aussage, die Sie gegenüber der Polizei oder der Staatsanwaltschaft machen, landet in der Ermittlungsakte. Selbst wenn sie nicht vollständig oder korrekt protokolliert wird, kann sie:
in der Hauptverhandlung verlesen werden,
von Polizeibeamten mündlich wiedergegeben werden,
und Sie damit belasten, selbst wenn Sie inzwischen schweigen.
Ein Widerruf der Aussage hilft oft wenig. Gerichte sehen das erste spontane Gespräch häufig als „authentisch“ und „glaubhaft“ an – besonders dann, wenn es ohne anwaltliche Beratung erfolgte.
Häufige Fragen rund ums Schweigerecht
„Muss ich zur Polizei, wenn ich eine Vorladung bekomme?“
Nein.
Wenn Sie als Beschuldigter vorgeladen werden, müssen Sie nicht erscheinen. Sie sind auch nicht verpflichtet, abzusagen oder Gründe zu nennen.
„Was passiert, wenn ich schweige?“
Nichts – zumindest nichts Nachteiliges.
Ihr Schweigen darf nicht negativ gewertet werden. Es kann sogar strategisch hilfreich sein, um keine unnötigen Informationen preiszugeben. Viele Verfahren werden später eingestellt – gerade dann, wenn der Beschuldigte keine verwertbaren Aussagen geliefert hat.
„Ich bin unschuldig – warum sollte ich schweigen?“
Weil auch Unschuldige Fehler machen. Unter Druck, im Schock oder aus Angst können falsche Angaben gemacht werden, die dann gegen Sie ausgelegt werden. Schweigen ist kein Schuldeingeständnis, sondern kluge Vorsicht.
„Kann ich später noch aussagen?“
Ja – das können Sie jederzeit. Nach Rücksprache mit Ihrem Strafverteidiger und nach Einsicht in die Ermittlungsakte kann eine schriftliche Einlassung erfolgen. Der Zeitpunkt der Aussage wird strategisch gewählt – nicht unter Zwang oder Zeitdruck.
Fazit: Reden kann gefährlich sein – Schweigen schützt Sie
Das Schweigerecht ist kein juristischer Trick – sondern ein elementares Verteidigungsrecht. Wer frühzeitig schweigt und sich anwaltlich beraten lässt, erhöht die Chance auf ein günstiges Verfahrensende – oft sogar ohne Anklage oder Verurteilung.
Als erfahrener Strafverteidiger berate ich Sie bundesweit, ob bei Vorladung, Hausdurchsuchung oder Anklage – und begleite Sie durch das gesamte Strafverfahren.
Sie haben eine Vorladung oder werden verdächtigt?
Sprechen Sie nicht mit der Polizei – sprechen Sie mit mir.
Rechtsanwalt Tom Beisel.
Ich setze Ihre Rechte durch, schütze Sie vor Fehlern und entwickle eine individuelle Verteidigungsstrategie.
☎ 0172 8974716.
Jetzt unverbindlich Kontakt aufnehmen – Ersteinschätzung möglich.
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