Sorgerecht und Umgang: Ein Überblick

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Das Sorgerecht

Das Sorgerecht regelt die rechtliche Verantwortung für Minderjährige, insbesondere in Bezug auf Pflege, Erziehung, Vermögensverwaltung und gesetzliche Vertretung. Das Sorgerecht umfasst das Personensorge- und das Vermögenssorgerecht. Der Schwerpunkt liegt auf dem Wohl des Kindes, das bei allen Entscheidungen im Mittelpunkt steht.

I. Grundprinzipien des Sorgerechts, §§ 1626 bis 1698b

1. Elterliche Sorge: Die elterliche Sorge wird grundsätzlich beiden Eltern gemeinsam übertragen und umfasst sowohl die Sorge für die Person des Kindes (Personensorge) als auch für das Vermögen des Kindes (Vermögenssorge).

2. Kindeswohl: Alle Entscheidungen und Maßnahmen müssen im besten Interesse des Kindes getroffen werden. Das Kindeswohl ist der leitende Grundsatz bei der Ausübung des Sorgerechts sowie bei gerichtlichen Entscheidungen bezüglich des Sorgerechts.

II. Arten des Sorgerechts

1. Gemeinsames Sorgerecht, §§ 1626, 1626 a BGB

Beide Elternteile teilen sich die elterliche Sorge, unabhängig davon, ob sie zusammenleben, getrennt sind oder geschieden wurden. Die Eltern treffen Entscheidungen von erheblicher Bedeutung für das Kind gemeinsam. Dazu gehören Entscheidungen über die medizinische Versorgung, die Wahl der Schule, religiöse Erziehung und Wohnortwechsel. Im Alltag trifft der Elternteil, bei dem das Kind hauptsächlich lebt, die alltäglichen Entscheidungen.

2. Alleiniges Sorgerecht 

Ein Elternteil hat die alleinige elterliche Sorge und ist somit allein verantwortlich für alle wesentlichen Entscheidungen im Leben des Kindes. Der sorgeberechtigte Elternteil entscheidet eigenständig über alle Belange des Kindes, von alltäglichen Angelegenheiten bis hin zu grundlegenden Entscheidungen. Der andere Elternteil hat in der Regel ein Umgangsrecht, um eine Beziehung zum Kind zu pflegen.

3. Teilweise gemeinsames Sorgerecht

Eine spezielle Form des gemeinsamen Sorgerechts, bei der bestimmte Bereiche der elterlichen Sorge zwischen den Elternteilen aufgeteilt werden. Zum Beispiel kann ein Elternteil für die schulische Ausbildung zuständig sein, während der andere Elternteil Entscheidungen bezüglich der medizinischen Versorgung trifft. Diese Aufteilung erfordert eine klare Absprache und Koordination zwischen den Elternteilen.

4. Sorgerecht durch Dritte

In besonderen Fällen kann das Sorgerecht einem Dritten übertragen werden, wenn dies dem Wohl des Kindes am besten dient. Möglich ist dies zum Beispiel bei Vormundschaft oder Pflegschaft, wenn die leiblichen Eltern verstorben sind, das Sorgerecht entzogen wurde oder sie aus anderen Gründen nicht in der Lage sind, für das Kind zu sorgen. Vormünder oder Pfleger übernehmen dann die Verantwortung für das Kind.


III. Elterliche Sorge bei verheirateten und unverheirateten Eltern

1. Verheiratete Eltern erhalten automatisch das gemeinsame Sorgerecht für ihre Kinder. Dies bleibt auch nach einer Trennung oder Scheidung bestehen, es sei denn, das Gericht trifft eine andere Entscheidung.

2. Unverheiratete Eltern können durch eine gemeinsame Sorgeerklärung das gemeinsame Sorgerecht erlangen. Andernfalls liegt das Sorgerecht ausschließlich bei der Mutter, es sei denn, das Familiengericht ordnet auf Antrag des Vaters das gemeinsame Sorgerecht an oder überträgt ihm das alleinige Sorgerecht.


IV. Regelungen bei Trennung und Scheidung

Im Fall einer Trennung oder Scheidung streben die Gerichte grundsätzlich an, das gemeinsame Sorgerecht beizubehalten, um dem Kind eine stabile Erziehung und Betreuung durch beide Elternteile zu sichern. Ein Elternteil kann jedoch das alleinige Sorgerecht beantragen, wenn dies dem Wohl des Kindes am besten entspricht. Entscheidungen über das Sorgerecht orientieren sich stets am Kindeswohl und berücksichtigen verschiedene Faktoren, wie die Bindungen des Kindes, den Willen des Kindes - abhängig vom Alter und Reife -, die Förderungsfähigkeit der Eltern und die Sicherheit des Kindes.

Das Sorgerecht kann bei Veränderungen in den Lebensumständen der Familie oder des Kindes angepasst werden. Entscheidungen über Änderungen im Sorgerecht trifft das Familiengericht, wobei das Kindeswohl stets im Vordergrund steht.



Das Umgangsrecht, §§ 1684 bis 1686 BGB

Das Umgangsrecht gewährleistet, dass das Kind regelmäßigen Kontakt zu beiden Elternteilen hat, auch wenn diese getrennt leben. Das Umgangsrecht zielt darauf ab, die Beziehung zwischen dem Kind und seinen Eltern sowie wichtigen Bezugspersonen im Leben des Kindes zu fördern und zu erhalten. Das Umgangsrecht kann ebenfalls gerichtlich geregelt werden, falls die Eltern keine einvernehmliche Lösung finden.

I. Grundprinzipien des Umgangsrechts

1. Kindeswohl: Das oberste Gebot des Umgangsrechts ist das Wohl des Kindes. Alle Regelungen zum Umgang müssen im besten Interesse des Kindes getroffen werden.

2. Recht und Pflicht zum Umgang: Sowohl das Kind hat ein Recht auf Umgang mit seinen Eltern als auch die Eltern haben das Recht und die Pflicht zum Umgang mit ihrem Kind. Dies gilt unabhängig davon, ob die Eltern getrennt leben, geschieden sind oder nie zusammengelebt haben.

II. Regelung des Umgangs

Der Umgang umfasst in der Regel Besuche und gemeinsame Unternehmungen, kann aber auch Telefonate, Videoanrufe oder Briefkontakt beinhalten.

Die konkrete Ausgestaltung des Umgangs (Häufigkeit, Dauer, Ort etc.) soll in erster Linie einvernehmlich von den Eltern geregelt werden, wobei stets das Kindeswohl im Vordergrund steht.

Kann zwischen den Eltern keine Einigung erzielt werden, kann das Familiengericht auf Antrag eines Elternteils oder des Jugendamtes eine Regelung zum Umgang treffen.

III. Umgang bei Gefährdung des Kindeswohls

In Fällen, in denen der Umgang mit einem Elternteil das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes gefährden würde, kann das Gericht den Umgang einschränken oder ausschließen.

Mögliche Einschränkungen können beaufsichtigte Umgänge sein, bei denen eine dritte Person (z.B. ein Mitglied des Jugendamtes oder ein Vertrauter der Familie) anwesend ist.

IV. Umgangsrecht Dritter, § 1685 BGB

Neben den Eltern können auch Großeltern, Geschwister und andere enge Bezugspersonen, bei denen ein sozial-familiäres Verhältnis besteht, ein Recht auf Umgang mit dem Kind haben.

Das Umgangsrecht Dritter wird ebenfalls nach dem Grundsatz des Kindeswohls beurteilt und kann gerichtlich geregelt werden.

V. Durchsetzung und Sicherung des Umgangsrechts

Das Familiengericht kann Maßnahmen ergreifen, um den Umgang durchzusetzen, wenn dieser ungerechtfertigt verweigert wird. Dazu gehören Ordnungsgelder gegen den umgangsverweigernden Elternteil. In besonderen Fällen kann das Gericht auch eine Änderung des Aufenthaltsbestimmungsrechts erwägen, um den Umgang zu ermöglichen.



Vormundschaft und Pflegschaft

Wenn kein sorgeberechtigter Elternteil vorhanden oder dieser nicht in der Lage ist, das Sorgerecht auszuüben, kann das Familiengericht einen Vormund oder Pfleger bestellen.

I. Vormundschaft, §§ 1773 bis 1808 BGB

Die Vormundschaft ist eine gesetzliche Maßnahme zum Schutz einer minderjährigen oder volljährigen Person (Mündel), die nicht unter elterlicher Sorge steht oder deren Eltern ihre Sorgepflichten nicht wahrnehmen können.

1. Einrichtung der Vormundschaft

Für Minderjährige wird eine Vormundschaft in der Regel eingerichtet, wenn beide Elternteile verstorben sind, ihnen die elterliche Sorge entzogen wurde oder sie aus anderen Gründen ihre Sorgepflichten nicht erfüllen können. Bei Volljährigen erfolgt die Einrichtung einer Vormundschaft, wenn diese aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung ihre Angelegenheiten nicht selbst besorgen können.

2. Aufgaben des Vormunds

Der Vormund übernimmt die Sorge für die Person und das Vermögen des Mündels. Er hat für das Wohl des Mündels zu sorgen, ihn zu vertreten und sein Vermögen zu verwalten. Der Vormund ist dem Familiengericht gegenüber zur Rechenschaft verpflichtet.

II. Pflegschaft und Betreuung, §§ 1809 bis 1881 BGB

Die Pflegschaft ist im Vergleich zur Vormundschaft eine weniger umfassende Maßnahme. Sie wird eingerichtet, um bestimmte Aufgaben oder Angelegenheiten für eine Person zu regeln, die dies selbst nicht vollständig kann.

1. Einrichtung der Pflegschaft

Eine Pflegschaft kann für Minderjährige oder Volljährige eingerichtet werden, wenn spezifische Angelegenheiten geregelt werden müssen, für die keine umfassende Betreuung im Sinne einer Vormundschaft notwendig ist. Beispiele hierfür sind die Vermögensverwaltung oder die Vertretung in Rechtsangelegenheiten.

2. Aufgaben des Pflegers

Die Aufgaben eines Pflegers sind auf den konkreten Aufgabenbereich beschränkt, für den die Pflegschaft eingerichtet wurde. Der Pfleger handelt im Interesse der betreuten Person innerhalb des ihm zugewiesenen Wirkungskreises.


Fazit

Das Sorgerecht ist darauf ausgerichtet, die Entwicklung und das Wohl des Kindes in den Mittelpunkt zu stellen. Sowohl bei der Zuteilung des Sorgerechts als auch bei der Regelung des Umgangsrechts sind das beste Interesse des Kindes und dessen Bedürfnisse ausschlaggebend. In strittigen Fällen entscheidet das Familiengericht unter Berücksichtigung aller Umstände und im Dialog mit allen Beteiligten, um eine Lösung zu finden, die dem Wohl des Kindes am besten dient.

Angesichts der Komplexität und der emotionalen Tragweite solcher Entscheidungen ist eine fachkundige rechtliche Beratung und Vertretung unerlässlich.



Dieser Beitrag dient der generellen Information und dem Einstieg in diese Thematik.

Wenn Sie Fragen oder Beratungsbedarf zum Thema Sorgerecht, Umgang, Vormundschaft oder Pflegschaft haben, können Sie sich gerne mit mir unter 0228-97274553 oder unter info@kanzlei-kuschel.de in Verbindung setzen.


Jacqueline Kuschel

Rechtsanwältin

Foto(s): https://pixabay.com/de/illustrations/familie-vater-mutter-kinder-4787015/

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