Sorgerechtsentzug wegen fehlender Bindungstoleranz – Brandenburgisches OLG, 27.7.09 – 15 UF 98/08

Fall:

Vor dem Familiengericht Potsdam stritten nicht miteinander verheiratete Eltern um einen 11 Jahre und einen 8 Jahre alten Sohn. Nach Trennung der Eltern im Jahre Dezember 2004 verblieben die Kinder bei der Mutter. Im April 2005 forderte der Vater sein Umgangsrecht erstmals gerichtlich ein. Es kamen in der Folge einige Vereinbarungen im Vergleichswege zwischen den Eltern zustande, deren Umsetzung allerdings Probleme mit sich brachte.

Das Amtsgericht Potsdam beschloss sodann auf Antrag des Vaters im Dezember 2005 im Wege der einstweiligen Anordnung eine verbindliche Umgangsregelung, an die sich die Kindesmutter allerdings nur unvollkommen hielt. Anlässlich des sich anschließenden Hauptsacheverfahrens trafen die Eltern erneut eine Umgangsregelung, die im Anschluss auch einige Zeit praktiziert wurde. Im Juli 2006 kam es dann zu einem Abbruch der Umgänge; die Kindesmutter gab keines der Kinder mehr an den Vater heraus.

Der Fall landete schlussendlich beim Brandenburgischen OLG, das über wechselseitig gestellte (Teil-) Sorgerechtsanträge sowie einen Umgangsausschlussantrag der Kindesmutter zu entscheiden hatte.

Der Senat holte ein Sachverständigengutachten ein, um die Aspekte „Relevanz des dem Umgang entgegenstehenden Kindeswillens“ und „Kindeswohlgefährdungen durch die Umgangsverweigerung und -vereitelung seitens der Mutter“ weiter aufzuklären.

Die Mutter hatte nämlich behauptet, eines der Kinder sei anlässlich eines Umgangskontakts vom Vater geschlagen worden, wobei der Vater sich wohl tatsächlich zu einer „Ohrfeige“ hatte hinreißen lassen (eine weitere war streitig). Weiteren Umgang des Vaters mit den Kindern hatte sie von einem „klärenden Gespräch“ im Beisein der Kinder abhängig gemacht, in dem der Vater „sein Fehlverhalten zugestehen“ müsse.

Der Vater hatte jeglichen Übergriff seinerseits bestritten. Nach seinem Vortrag scheiterte der Umgang allein an der Mutter, die es nicht habe ertragen können, dass die Jungen mit ihm schöne Stunden verlebt hätten und sie deshalb massiv gegen ihn beeinflusse.

Im Ergebnis hat das OLG der Kindesmutter das Sorgerecht für beide Kinder entzogen und zur alleinigen Ausübung auf den Kindesvater übertragen.

Zur Begründung hatte es ausgeführt, dass für den Fall, dass eine Kindesmutter keinerlei Bindungstoleranz in Bezug auf das Vater-Kind-Verhältnis aufbringt, dies das entscheidende Defizit in Bezug auf ihre Erziehungsfähigkeit sein kann, das sie letztlich als Erziehungsberechtigte disqualifiziert.

Halte eine Mutter zudem „Gewalterfahrungen“ – eine Ohrfeige und eine weitere behauptete Ohrfeige innerhalb von mehreren Jahren – in der Erinnerung der Kinder lebendig und mache sie damit zum festen Bestandteil ihres Vaterbildes, liege hierin eine nachhaltige Kindeswohlgefährdung, weil der Vater als Bindungs- und Bezugsperson völlig verloren zu gehen droht.

Eine gemeinsame elterliche Sorge scheitere an der Bereitschaft zur Kooperation, wenn eine Kindesmutter den Kindesvater als solchen geradezu verachtet, ihr seine Meinung zu den Belangen des Kindes völlig gleichgültig ist und sie sich auch entsprechend verhält.

Fazit:

Dass Umgangsberechtigte durch den Elternteil, bei dem sich die Kinder regelmäßig aufhalten, am Umgang mit selbigen gehindert werden, ist in der familiengerichtlichen Praxis leider immer wieder Thema. Dabei sind sich Kinder vereinnahmende Elternteile nicht darüber im Klaren, wie schädlich sich dies auf diese auswirkt. Und natürlich sind sie der Meinung, dass ihre Rechtsposition so stark ist, dass ein solches Verhalten keine Nachteile mit sich bringt. Die Entscheidung zeigt jedoch, dass man sich nicht zu sicher sein sollte. Allerdings muss man konstatieren, dass ein Sorgerechtsentzug verbunden mit dem Wechsel der Kinder in den Haushalt des anderen Elternteils immer noch die Ausnahme darstellen dürfte.