Strafanzeige erstatten – Wann es sinnvoll ist, was Sie beachten sollten und welche Fehler Sie vermeiden müssen
- 6 Minuten Lesezeit

„Ich will Anzeige erstatten!“ – Das klingt einfach. Doch viele Betroffene wissen nicht, wie eine Strafanzeige richtig gestellt wird, welche Folgen sie hat – und wann sie sogar gefährlich werden kann.
Als Rechtsanwalt im Strafrecht zeige ich Ihnen, wann eine Anzeige sinnvoll ist, wie Sie dabei vorgehen sollten und warum anwaltliche Beratung oft entscheidend ist – besonders, wenn Sie selbst ins Visier der Justiz geraten könnten.
Was ist eine Strafanzeige überhaupt?
Eine Strafanzeige ist die Mitteilung eines Sachverhalts an Polizei oder Staatsanwaltschaft, bei dem der Verdacht besteht, dass eine Straftat begangen wurde.
Eine Anzeige kann grundsätzlich jede Person erstatten – also auch Sie, selbst wenn Sie nicht das Opfer der Straftat sind.
▶ Beispiele für häufige Anzeigen:
Körperverletzung, Beleidigung, Bedrohung
Diebstahl, Betrug oder Sachbeschädigung
Nötigung, sexuelle Belästigung oder Stalking
Cybercrime, Internetmobbing, Rufschädigung
Wann macht eine Strafanzeige Sinn?
Nicht jede Anzeige führt automatisch zu einem Verfahren – aber sie kann sinnvoll sein, wenn:
Sie Opfer einer Straftat geworden sind und wollen, dass die Tat verfolgt wird.
Sie sich belästigt, bedroht oder gestalkt fühlen und Hilfe brauchen.
Ihnen etwas gestohlen oder beschädigt wurde.
Sie in einen Nachbarschafts- oder Beziehungskonflikt verwickelt sind, der strafrechtlich eskaliert.
Wichtig: Eine Anzeige kann auch dazu dienen, sich später zivilrechtlich abzusichern – z. B. wenn Sie Schadensersatz oder Schmerzensgeld geltend machen wollen.
Wann kann eine Strafanzeige gefährlich für Sie selbst werden?
Hier beginnt die juristische Grauzone. Viele Menschen unterschätzen, dass eine falsch oder unüberlegt formulierte Anzeige zu einer Gegenanzeige führen kann – z. B. wegen:
Falscher Verdächtigung (§ 164 StGB)
Verleumdung (§ 187 StGB)
Übler Nachrede (§ 186 StGB)
Das passiert insbesondere dann, wenn:
Sie keine belastbaren Beweise haben,
die Anzeige aus einem Streit, einer Trennung oder Kränkung resultiert,
oder Aussagen falsch verstanden oder übertrieben werden.
Tipp vom Anwalt:
Sprechen Sie vor einer Anzeige mit einem Rechtsanwalt – insbesondere, wenn persönliche oder emotionale Konflikte im Spiel sind. So vermeiden Sie eine Strafbarkeit wegen Falschangabe oder eine später unangenehme Gegenanzeige.
Wie erstatte ich eine Strafanzeige richtig?
Es gibt drei Möglichkeiten:
1. Persönlich bei der Polizei
Sie können zur nächsten Polizeidienststelle gehen und den Sachverhalt schildern. Es wird ein Protokoll aufgenommen.
⚠ Achtung: Sie sind dort nicht als „Kunde“, sondern bereits Teil eines Strafverfahrens. Aussagen sollten daher wohlüberlegt sein.
2. Schriftlich – online oder per Post
Die meisten Bundesländer bieten Online-Wachen an. Dort können Sie über ein Formular Anzeige erstatten. Auch per Brief ist das möglich.
Vorteil: Sie haben Zeit, Ihre Schilderung zu überdenken – am besten mit anwaltlicher Unterstützung.
3. Über einen Rechtsanwalt
Ein erfahrener Anwalt prüft den Sachverhalt, bewertet die Beweislage und stellt die Anzeige gezielt, juristisch sauber und mit Schutzwirkung für Sie.
Das ist besonders wichtig bei:
sensiblen Themen (z. B. Sexualdelikte, häusliche Gewalt, Cybercrime),
unsicherer Beweislage,
komplexen Konflikten (z. B. innerhalb der Familie, Nachbarschaft, am Arbeitsplatz).
Was passiert nach der Anzeige?
Nach Eingang der Anzeige prüft die Polizei oder Staatsanwaltschaft, ob ein sogenannter Anfangsverdacht besteht. Dann:
Es wird ein Ermittlungsverfahren eingeleitet.
Zeugen werden befragt, Beweise gesichert, ggf. der Beschuldigte vernommen.
Am Ende wird das Verfahren entweder:
eingestellt (z. B. mangels Beweisen), oder es kommt zur Anklage, ggf. mit Hauptverhandlung.
Sie erhalten in der Regel keine regelmäßigen Updates. Nur bei strafantragspflichtigen Delikten (z. B. Beleidigung) und bei Opferrechten (Stichwort „Nebenklage“) erhalten Sie bestimmte Einsichtsmöglichkeiten – wenn Sie aktiv werden.
Ihre Rechte als Anzeigeerstatter – was dürfen Sie erwarten?
Wer eine Strafanzeige erstattet, ist formal gesehen nicht automatisch "Beteiligter" im Verfahren. Dennoch haben Sie gewisse Rechte – insbesondere wenn Sie selbst das Geschädigte/r sind.
Ihre wichtigsten Rechte:
Sie dürfen Zeuge im Verfahren sein und entsprechend gehört werden.
In bestimmten Fällen dürfen Sie sich der Anklage als Nebenkläger anschließen – z. B. bei Sexualdelikten, Körperverletzung oder Stalking.
Sie haben unter Umständen Aussageverweigerungsrechte und können Verletztenbeistand (z. B. durch einen Anwalt) beantragen.
Wenn Sie keine Informationen zum Verfahrensstand erhalten, können Sie über einen Anwalt Akteneinsicht beantragen.
Wann Sie einen Anwalt brauchen – und warum es oft entscheidend ist
Viele Menschen erstatten Anzeige, ohne anwaltliche Beratung – oft aus Wut, Angst oder Hilflosigkeit. Das ist verständlich, aber nicht immer klug.
Ein erfahrener Strafverteidiger oder Opferanwalt kann Sie unterstützen bei:
1. Formulierung der Anzeige
Eine juristisch saubere Schilderung ist Gold wert. Falsche Begriffe, unnötige Details oder emotional aufgeladene Aussagen können Ihnen selbst später schaden oder die Anzeige entwerten.
2. Einschätzung der Erfolgsaussicht
Nicht jede Anzeige ist erfolgversprechend. Wenn z. B. keine Beweise vorhanden sind oder die Tat keinen Straftatbestand erfüllt, kann der Anwalt Sie vor unnötigen Risiken oder Frustration bewahren.
3. Begleitung im Verfahren
Wird ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, können Sie als Zeuge oder Nebenkläger auftreten. Ein Anwalt kann:
Ihre Rechte durchsetzen,
Akteneinsicht beantragen,
Ihre Aussage vorbereiten,
und für Ihre Sicherheit sorgen (z. B. bei Bedrohung, Einschüchterung).
Wie Sie sich vor Gegenanzeigen schützen
Nicht selten folgt auf eine Strafanzeige eine Anzeige zurück – z. B. weil der Beschuldigte behauptet, er sei in Wahrheit das Opfer. In manchen Fällen kommt es zu sogenannten "gegenseitigen Körperverletzungsanzeigen", bei Nachbarschaftsstreitigkeiten, Beziehungsdramen oder am Arbeitsplatz.
Typische Gegenanzeigen:
Falsche Verdächtigung (§ 164 StGB)
Verleumdung (§ 187 StGB)
Üble Nachrede (§ 186 StGB)
Vortäuschen einer Straftat (§ 145d StGB)
So schützen Sie sich:
Machen Sie keine unüberprüfbaren Behauptungen.
Nennen Sie keine falschen Zeugen oder erfundenen Beweise.
Formulieren Sie Ihre Anzeige sachlich, nicht emotional.
Lassen Sie die Anzeige vorab durch einen Anwalt prüfen.
Wichtig:
Selbst wenn Ihre Angaben wahr sind, kann eine Gegenanzeige gegen Sie gestellt werden. Der Anwalt kann dann frühzeitig eingreifen und helfen, das Verfahren zu steuern – oder es zu entkräften.
Was tun, wenn nichts passiert?
Viele Anzeigeerstatter erleben folgendes: Wochenlang keine Rückmeldung, irgendwann kommt ein Brief: "Das Verfahren wurde mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt."
Das ist frustrierend – aber häufig, besonders bei nicht beweisbaren Vorwürfen.
Was Sie dann tun können:
Über einen Anwalt Akteneinsicht beantragen: Was wurde ermittelt, warum eingestellt?
Bei bestimmten Delikten: Klageerzwingungsverfahren nach § 172 StPO betreiben
Im Zivilrecht Schadenersatz oder Unterlassung verlangen (z. B. bei Beleidigung, Rufschädigung)
Ein Strafverfahren ist kein privates Racheinstrument – das muss man verstehen. Aber: Wer berechtigte Vorwürfe gut vorbereitet und anwaltlich begleitet, hat bessere Chancen auf eine konsequente Strafverfolgung.
Kann ich eine Anzeige zurücknehmen?
Ja und nein.
Sie können jederzeit erklären, dass Sie keine Strafverfolgung mehr wünschen – besonders bei Antragsdelikten wie Beleidigung oder Hausfriedensbruch.
Aber: Die Staatsanwaltschaft ist nicht verpflichtet, das Verfahren einzustellen.
Bei Offizialdelikten (z. B. Körperverletzung, Diebstahl, Betrug) ist die Rücknahme rechtlich irrelevant – die Ermittlungen laufen weiter, selbst wenn Sie als Opfer nicht mehr mitwirken möchten.
In emotional aufgeladenen Situationen – etwa bei Beziehungsstreitigkeiten – kann eine „Rücknahme“ strategisch problematisch sein. Es sieht oft widersprüchlich oder unglaubwürdig aus.
Ein Anwalt kann helfen, glaubwürdig und rechtssicher zu erklären, warum man von einer Anzeige zurücktritt.
Fazit – Anzeige ja, aber richtig!
Eine Strafanzeige ist oft der erste Schritt zu Gerechtigkeit – aber auch ein Risiko, wenn man unüberlegt handelt.
Ob als Zeuge oder Geschädigter: Lassen Sie sich beraten, bevor Sie zur Polizei gehen oder online etwas abschicken.
Als erfahrener Strafverteidiger unterstütze ich Sie:
bei der Bewertung des Falls,
der Formulierung der Anzeige,
und der strategischen Begleitung durch das Verfahren.
Sprechen Sie mit mir, bevor Sie handeln – nicht erst, wenn es zu spät ist.
Ich bin bundesweit für Sie tätig.
Rechtsanwalt Tom Beisel
0208 30782630
beisel@duckscheer.de
Kann ich eine Anzeige anonym erstatten?
Teilweise ja – z. B. bei Online-Wachen oder über anonyme Hinweisportale.
Allerdings sindanonyme Anzeigen in der Praxis oft schwer verfolgbar, da wichtige Zeugenaussagen oder Nachfragen fehlen.
Für ernsthafte Straftaten (z. B. Gewalt, Sexualdelikte) ist eine nicht-anonyme Anzeige meist erfolgversprechender.
Was passiert nach meiner Anzeige?
Nach Eingang prüft die Polizei, ob ein Anfangsverdacht besteht.
Dann folgen ggf.:
Ermittlungen (Zeugen, Beweise, Beschuldigter),
Abschlussbericht an die Staatsanwaltschaft,
Entscheidung: Einstellung, Strafbefehl oder Anklage.
Als Anzeigender erhalten Sie meist nur bei Antragspflichtigen Delikten oder als Opfer genauere Informationen über den Verfahrensverlauf.
Kann ich eine falsche Anzeige zurückziehen, ohne bestraft zu werden?
Nein – wer wissentlich falsch anzeigt, macht sich strafbar (§ 164 StGB – falsche Verdächtigung).
Ein Zurückziehen schützt nicht vor einer Strafverfolgung. Wer aus Versehen etwas falsch dargestellt hat, sollte dies unverzüglich und glaubhaft klarstellen – am besten mit anwaltlicher Unterstützung.
Artikel teilen: