Finden Sie jetzt Ihren Anwalt zu diesem Thema in der Nähe!

Sanktionen für Hartz-IV-Empfänger teils verfassungswidrig

  • 3 Minuten Lesezeit
Diana Mittel anwalt.de-Redaktion
  • Hartz-IV-Empfängern, die sich nicht aktiv um eine neue Arbeitsstelle bemühen, drohen Sanktionen in unterschiedlicher Höhe.
  • Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat jetzt entschieden, dass Hartz-IV-Sanktionen teils verfassungswidrig sind.
  • Die neuen Regeln gelten ab sofort für Hartz-IV-Empfänger, die älter als 25 Jahre sind; die Sanktionen für jüngere Arbeitslose wurden nicht überprüft.

Empfänger von Hartz IV sind verpflichtet, sich mehrmals monatlich für eine neue Arbeitsstelle zu bewerben, ihre Bemühungen zu dokumentieren und diese dem Jobcenter fristgerecht zu Beginn des Folgemonats vorzulegen. Ein Mann weigerte sich, woraufhin ihm das Jobcenter die Leistungen für drei Monate strich.

Das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen bestätigte daraufhin die strengste aller Hartz-IV-Sanktionen in einem Eilverfahren.

Jetzt hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in Karlsruhe entschieden, dass Hartz-IV-Sanktionen teilweise verfassungswidrig sind.

Wie begründeten die Gerichte ihre Entscheidung zu den Hartz-IV-Sanktionen in der Vergangenheit?

Fünf Bewerbungen pro Monat um eine Arbeitsstelle und einen Nachweis für seine Bemühungen: Dazu verpflichtete ein Jobcenter im Raum Aachen einen Leistungsempfänger von Hartz IV. Der Mann war aber der Meinung, seiner Pflicht nicht nachkommen zu müssen. Er lehne das deutsche Wirtschaftssystem ab. Die Folge: Das Jobcenter hob seine Bewilligung für den Erhalt von Hartz IV vorläufig auf und strich seine Leistungen für drei Monate um 100 %.

Dagegen wehrte sich der Hartz-IV-Empfänger – ohne Erfolg. Das Sozialgericht (SG) Aachen und auch das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen lehnten den Widerspruch jeweils ab.

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in Karlsruhe prüfte daraufhin, ob Hartz-IV-Sanktionen mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Bis dahin beantragte der Mann auch den Aufschub einer Entscheidung. Doch damit scheiterte er ebenfalls: Das Interesse des Jobcenters an einer gesetzeskonformen Leistungsgewährung überwog das Interesse des Hartz-IV-Empfängers an einem Aufschub.

Welche Sanktionen drohten Hartz-IV-Empfängern bei Pflichtverstößen bislang?

Damit der Anspruch auf Hartz IV erhalten blieb und Leistungen nicht gekürzt wurden, waren Empfänger verpflichtet, sich an der Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt zu beteiligen, z. B. mit Bewerbungen auf Stellenangebote oder der Wahrnehmung von Terminen beim Jobcenter.

Das Jobcenter hatte das Recht, die Hartz-IV-Leistungen zu kürzen, wenn der Empfänger seine Pflichten ohne die Angabe wichtiger Gründe nicht erfüllte. Die Leistungskürzungen erfolgten in mehreren Stufen, gestaffelt um je 30 Prozent; bei mehreren Regelverstößen innerhalb eines Jahres kürzte das Jobcenter die Leistungen um 100 Prozent.

Verstoßen Hartz-IV-Sanktionen gegen das Grundgesetz?

Das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel entschied 2015: Der Gesetzgeber kann Sozialleistungen gewähren und im Gegenzug vom Empfänger verlangen, sich kooperativ zu verhalten.

Die Sanktionen, die sonst drohten, standen jetzt vor dem Bundesverfassungsgericht in der Diskussion. Das Sozialgericht Gotha vertrat nämlich die Ansicht, dass es eine Mindestgrenze staatlicher Leistungen geben muss, die nicht unterschritten werden darf – ungeachtet der Pflichtverletzungen des Leistungsempfängers.

Das BVerfG hat jetzt entschieden, dass Hartz-IV-Sanktionen teilweise verfassungswidrig sind. Das heißt, dass die Regeln im Sozialgesetzbuch II (SGB II) zur Grundsicherung für Arbeitssuchende einer Reform bedürfen. 

Was bedeutet das jetzt konkret?

  • Ab sofort darf das Jobcenter den Hartz-IV-Satz von Empfängern, die älter als 25 Jahre sind, nur noch um bis zu 30 Prozent kürzen.

    Bis dato waren Kürzungen von 60 Prozent und mehr möglich – einschließlich einer Streichung der Miet- und Heizkosten. Solche Kürzungen sind nach Auffassung des Gerichts nicht mit dem Grundgesetz vereinbar.

  • Der Ermessensspielraum des Jobcenters, ob und in welcher Höhe die Kürzung des Hartz-IV-Satzes erforderlich ist, vergrößert sich: Sie können besondere Verhältnisse des Arbeitnehmers berücksichtigen und in Einzelfällen auf eine Strafe verzichten.

  • Wenn der Leistungsempfänger Einsicht zeigt, darf die Kürzung nicht mehr wie bislang volle drei Monate aufrechterhalten werden.

(DMI)

Foto(s): ©Fotolia

Artikel teilen: