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Trunkenheit im Straßenverkehr: Die Behauptung des Nachtrunks und deren Widerlegung

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In Deutschland gilt die 0,5-Promille-Grenze. Wer mit einem höheren Wert erwischt wird, muss mit Konsequenzen rechnen. Besonders wenn derjenige einen Verkehrsunfall verursacht oder gegen die Verkehrsregeln verstoßen hat. Daher behaupten viele Fahrer, erst nach dem Unfall oder Verstoß Alkohol konsumiert zu haben. 

Ein Fall von Nachtrunk liegt nur in den Fällen vor, wenn nach dem Geschehen, aber vor der Blutabnahme Alkohol zu sich genommen wurde. Argumentiert wird meist damit, man habe aufgrund des Schocks „einen Trinken“ müssen, um sich zu beruhigen.

Voraussetzungen für Widerlegung des "Nachtrunks"

Wenn mit einer Nachtrunkbehauptung zu rechnen ist, werden regelmäßig zwei Blutproben angeordnet. Diese müssen mit einem Abstand von 30 Minuten abgenommen werden.

Um eine Nachtrunkbehauptung widerlegen zu können, müssen folgende Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein:

  • Die Nachtrunkmenge muss groß und innerhalb kurzer Zeit konsumiert worden sein.
  • Die erste Blutabnahme muss spätestens 45 Minuten nach behauptetem Nachtrunkende erfolgt sein. 
  • Zwischen dem ersten und zweitem Blutprobenmittelwert muss der Unterschied mind. 5 % betragen. 
  • Die zweite Blutprobe muss 30 Minuten später erfolgen. Diese muss niedriger als die erste Blutprobe sein.

Behauptet man nämlich, man habe direkt nach dem Unfall Alkohol zu sich genommen, müsste die zweite Blutprobe höher sein als die erste, da der Alkoholabbau zwei Stunden nach Trinkende beginnt. Durch eine Begleitstoffanalyse, welche regelmäßig mit der Blutprobe einhergeht, kann außerdem festgestellt werden, zu welcher Zeit, welche Getränke zu sich genommen wurden. 

Zum Sachverhalt

Im vorliegenden Fall befasste sich das LG Oldenburg mit der Widerlegung der Nachtrunkbehauptung. Die Beschuldigte sei gegen 23 Uhr unter Alkoholeinfluss in der Zufahrt des Drive-Ins beim McDonalds in Delmenhorst gegen einen Findling gefahren, der daraufhin gegen einen dahinter befindlichen Pfeiler gedrückt worden sei. Die Beschuldigte habe sich daraufhin unerlaubt vom Unfallort entfernt. Der entstandene Schaden beläuft sich auf ca. 3.000 Euro.

Gegen 01:30 Uhr wurde die Beschuldigte zuhause angetroffen. Ihr Fahrzeug wies Beschädigungen auf, die zu dem Unfall passen konnten. Da sie unter Alkoholeinfluss stand, wurden der AAK (Atemalkoholkonzentration) und der BAK (Blutalkoholkonzentration) ermittelt. 

  • Die AAK betrug um 01:33 Uhr 1,55 Promille und um 01:39 Uhr 1,62 Promille. 
  • Die BAK betrug um 02:02 Uhr 1,65 Promille und um 02:32 1,52 Promille. 

Das Amtsgericht Oldenburg entzog der Beschuldigten mit Beschluss vom 21.04.2022 vorläufig die Fahrerlaubnis (§111 a StPO). Hiergegen legte diese Beschwerde ein. Da das Amtsgericht der Beschwerde nicht abgeholfen hat, wurde dem LG Oldenburg der Fall vorgelegt. 

Dieses gab der Beschwerde statt und hob den Beschluss des Amtsgerichts auf (Beschluss vom 24.05.2022, 4 Qs 155/22) mit der Begründung, es bestünde kein dringender Tatverdacht einer Straftat nach §§515 c Abs. 1 Nr. 1a, 316, 142 StGB.

Zur Begründung

 Die Beschuldigte habe gegenüber der Polizei geäußert, sie habe zwei Glas Sekt getrunken, bevor sie zu McDonalds gefahren sei. Dort habe sie keinen Zusammenstoß wahrgenommen. Anschließend sei sie nach Hause gefahren und habe dort ab 23.15 Uhr 0,8 l Weißwein getrunken, bevor sie gegen Mitternacht zu Bett gegangen sei. 

Dieser von ihr behauptete Nachtrunk könne aus folgenden Gründen nicht widerlegt werden:

  • Zum einen liegen zwischen dem Trinkende (Mitternacht) und der ersten Blutentnahme mehr als 45 Minuten.
  • Zum anderen stützen die Werte der AAK und BAK - laut Ansicht des Gerichts - die Nachtrunkbehauptung der Beschuldigten. Zwischen 01:33 Uhr und 02:02 Uhr ist die Alkoholkonzentration von 1,55 Promille auf 1,65 Promille angestiegen und bis 02:32 Uhr auf 1,52 Promille gesunken. Damit liegt nahe, dass sie zwischen 23:33 Uhr und 0:02 Uhr noch Alkohol getrunken habe.
  • Zudem kann das LG Oldenburg nicht erkennen, dass es sich um einen typischen alkoholbedingten Fahrfehler gehandelt habe. Aufgrund der engen Kurvensituation auf dem McDonalds Parkplatz könne man durchaus annehmen, dass auch ein nüchterner Fahrer aus Unachtsamkeit gegen den Findling hätte fahren können. 
  • Da der Mitarbeiter von McDonalds, den den Unfall gemeldet hat, den Zusammenstoß nicht selbst gesehen hat und es keine Aufzeichnung einer Videokamera gibt, kann die Behauptung der Beschuldigten, sie hätte den Aufprall nicht bemerkt, nicht widerlegt werden. 

Bitte beachten Sie: Wie dargelegt, stützt sich das LG Oldenburg hierbei auf den AAK und BAK gleichermaßen und nicht ausschließlich auf den BAK. Dies ist ein Sonderfall und nicht gängige Praxis

Umgang von Versicherungen mit "Nachtrunk"

Auch aus versicherungsrechtlicher Sicht ist die Thematik des Nachtrunks heikel. Der Versicherungsnehmer ist nach Eintritt eines Versicherungsfalls verpflichtet, alles zu tun, was der Aufklärung des Schadens dient. Ist eine BAK-Bestimmung zum Unfallzeitpunkt nicht möglich – da sich der Versicherte unerlaubt vom Unfallort entfernt hat – liegt darin eine Art Vereitelung der Aufklärungsobliegenheit. 

Auch besteht für die Versicherungen keine Pflicht nachzuprüfen, ob man vor oder nach der Fahrt Alkohol zu sich genommen hat. Ein Nachtrunk wird in der Rechtsprechung als Obliegenheitsverletzung gewertet, welche zur Leistungsfreiheit der Versicherung und zum Regress gegen den alkoholisierten KfZ-Fahrer führen kann.

Sie haben Fragen zum Thema "Nachtrunk" ? Dann kontaktieren Sie mich gerne! Ich prüfe für Sie die Sach- und Rechtslage.

Foto(s): Adobe Stock

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