Umweltstrafrecht: Ausweitung straf- und bußgeldrechtlicher Risiken in der Unternehmenspraxis

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Infolge der gegenwärtigen Klimadebatte rücken Umweltverstöße vermehrt in das gesellschaftliche Bewusstsein. Nach Angaben der Europäischen Kommission steht die Umweltkriminalität weltweit an vierter Stelle der kriminellen Aktivitäten und nimmt jährlich um fünf bis sieben Prozent zu. Das Europäische Parlament hat am 26.03.2024 die neue EU-Umweltstrafrechts-Richtlinie angenommen, mit der u. a. eine Verpflichtung aus dem europäischen „Green Deal“ erfüllt werden soll. Auch Unternehmen werden sich in Zukunft verstärkt mit dem Thema Umweltstrafrecht befassen müssen: Im betrieblichen Alltag lauern unweigerlich Umweltgefahren, die sich etwa bei Betriebsstörungen (ungewollt) realisieren können. Das kann bereits nach heute geltender Rechtslage zu einem Strafverfahren gegen Mitarbeiter und Unternehmensleitung – nicht selten begleitet von Durchsuchungen – sowie zu empfindlichen Geldbußen gegen das Unternehmen selbst führen. Sollte der neue EU-Richtlinienvorschlag tatsächlich vom Europäischen Parlament und vom Europäischen Rat verabschiedet werden, ist für Unternehmen und deren Mitarbeiter mit weiteren Verschärfungen zu rechnen.

Der Beitrag gibt einen Überblick über die neue EU-Richtlinie und zeigt strafrechtliche Haftungsrisiken bei Verstößen gegen Umweltdelikte in Unternehmen nach der geltenden Rechtslage auf.


Die neue EU-Richtlinie zur Bekämpfung der Umweltkriminalität vom 26.03.2024

Die neue Richtlinie der EU zur Bekämpfung der Umweltkriminalität  ersetzt die bisherige Richtlinie 2008/99/EG über den strafrechtlichen Schutz der Umwelt. Das neue Regelwerk zielt darauf ab, den (strafrechtlichen) Umweltschutz wirksamer zu gestalten. So werden die Mitgliedsstaaten verpflichtet, neue Straftatbestände wie unter anderem illegalen Holzhandel, Erschöpfung von Wasservorräten oder Verstöße im Zusammenhang mit dem Umgang mit fluorierten Treibhausgasen, die zum Klimawandel beitragen, zu schaffen. Umweltdelikte sollen nach den Vorgaben der Richtlinie mit Geld- oder Freiheitsstrafen geahndet werden können. Sogenannte „qualifizierte Straftaten“ sollen danach mit acht Jahren Haft, Straftaten, die den Tod eines Menschen zur Folge haben, mit zehn Jahren Haft und die übrigen Straftaten mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft werden können. Personen, die eine Umweltstraftat begangen haben, müssen künftig den Umweltbereich, den sie geschädigt haben, wiederherstellen und Schadensersatz leisten. Gleiches gilt für Unternehmen, aus denen heraus eine Umweltstraftat begangen wird. Die vorgesehenen Geldbußen für Unternehmen können je nach Art der Straftat bis zu 3 oder 5 % ihres weltweiten Jahresumsatzes bzw. 24 oder 40 Millionen Euro betragen. Zudem sollen die Mitgliedsstaaten die Strafverfolgung von Umweltdelikten durch die zuständigen Behörden wirksamer gestalten.

Dass Umweltverstöße künftig vermehrt in den Fokus der Strafverfolgungsbehörden geraten werden, steht nach alledem zu erwarten.


Geltendes Umweltstrafrecht in Deutschland

Dabei ist keineswegs erst die Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht abzuwarten, vielmehr hält das deutsche Recht bereits heute eine Fülle von Vorschriften im Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht bereit, die dem Umweltschutz dienen und die für viele Unternehmen relevant werden können: Zu nennen sind etwa die Gewässerverunreinigung (§ 324 StGB), Bodenverunreinigung (§ 324a StGB), Luftverunreinigung (§ 325 StGB), unerlaubter Umgang mit Abfällen (§ 326 StGB) oder das unerlaubte Betreiben von Anlagen (§ 327 StGB), aber auch in zahlreichen Nebengesetzen sind relevante Straftatbestände vorzufinden (etwa §§ 27, 27a ChemG; §§ 71,71a BNatSchG; § 69 PflSchG).

Gerade in Unternehmen kann es im Rahmen des täglichen Geschäftsbetriebs zu Verstößen gegen Vorschriften des Umweltstrafrechts kommen. Solche Verstöße müssen nicht einmal vorsätzlich, also mit Wissen und Wollen der handelnden Person, begangen worden sein. Viele der Strafvorschriften stellen bereits die fahrlässige Begehungsweise unter Strafe. Der vermeintliche „Betriebsunfall“ kann daher schnell zu einem veritablen Strafrechtsproblem für Mitarbeiter, Führungskräfte und das Unternehmen selbst werden. Nicht selten kommt es infolge des Verdachts einer Umweltstraftat auch zu Durchsuchungen im Unternehmen.


Strafrechtliche Haftung der Unternehmensleitung

Im Betriebsalltag werden Umweltdelikte oftmals nicht von Angehörigen der Unternehmensleitung, sondern von Mitarbeitern unmittelbar verwirklicht. Die Frage, inwieweit Vorgesetzte, also insbesondere Geschäftsführer, Vorstände und sonstiges Führungspersonal, eine strafrechtliche Verantwortung für solche „aus dem Betrieb heraus“ begangenen Umweltstraftaten trifft, wird in Rechtsprechung und Literatur kontrovers diskutiert und kann nicht pauschal beantwortet werden. Angesichts teils komplexer arbeitsteiliger Organisationstrukturen, unterschiedlicher Zuständigkeitsbereiche und Hierarchiestufen kann es hier zu Zurechnungsschwierigkeiten kommen. Das führt dazu, dass eine strafrechtliche Verantwortlichkeit nicht immer leicht nachgewiesen werden kann. Gleichwohl vertritt die Rechtsprechung die so genannte Geschäftsherrenhaftung: Danach ergibt sich bereits aus der Stellung als Betriebsinhaber oder Vorgesetzter eine Garantenpflicht (§ 13 Abs. 1 StGB) zur Verhinderung von Straftaten von Mitarbeitern bezüglich betriebsbezogener Straftaten. Damit sind solche Straftaten gemeint, die einen inneren Zusammenhang zu der betrieblichen Tätigkeit aufweisen, was bei Umweltdelikten immer dann der Fall ist, wenn Umweltgefahren im Betrieb und nicht aufgrund eines privaten Verhaltens entstehen. Im Grundsatz ist es also durchaus möglich, dass die Unternehmensleitung für Umweltdelikte, die im Geschäftsbetrieb von Dritten begangen wurden, strafrechtlich einstehen muss. Erst recht gilt dies natürlich, wenn die Unternehmensleitung Anweisungen erteilt, die Verstöße zum Gegenstand haben.


Sanktionsmöglichkeiten

Regelverstöße im Unternehmen können unterschiedliche Rechtsfolgen für die jeweiligen Personen und das Unternehmen nach sich ziehen, insoweit hat das deutsche Recht ein nicht unerhebliches Sanktionsinstrumentarium vorzuweisen: So sieht das Gesetz beispielsweise im Falle einer vorsätzlichen Gewässer-, Boden- oder Luftverunreinigung eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe vor, im Falle der fahrlässigen Begehung beträgt das Strafmaß bis zu drei Jahre Freiheitsstrafe oder Geldstrafe. Liegt ein besonders schwerer Fall einer Umweltstraftat vor (§ 330 StGB), kommt gar eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren in Betracht.

Wird aus einem Unternehmen heraus eine Umweltstraftat begangen, kann auch gegen dieses selbst unter den Voraussetzungen des § 30 OWiG eine Geldbuße festgesetzt werden. Sie ist unabhängig von der Sanktionierung des individuellen Täters und kann auch dann verhängt werden, wenn ein Täter zwar nicht als Person feststellbar, aber dennoch sicher ist, dass eine der von § 30 OWiG erfassten Personen die Straftat begangen hat. Lässt sich eine Straftat überhaupt nicht nachweisen, kann aber dem Betriebs- oder Unternehmensinhaber eine Aufsichtspflichtverletzung nach § 130 OWiG vorgeworfen werden, kommt eine Geldbuße nach § 30 OWiG ebenfalls in Betracht.

Darüber hinaus wird bereits jede rechtskräftige Bußgeldentscheidung, mit der eine Geldbuße von mehr als 200 € verhängt wird, in das Gewerbezentralregister eingetragen, was zur Folge haben kann, dass das betroffene Unternehmen zum Beispiel von der öffentlichen Auftragsvergabe ausgeschlossen ist.

Schließlich können im Wege des strafrechtlichen Instituts der Einziehung (§§ 73 ff. StGB) alle Vorteile, die durch die Tat erlangt wurden, wie zum Beispiel ersparte Entsorgungskosten im Falle eines unerlaubten Umgangs mit Abfällen, eingezogen werden.


Etablierung eines umweltstrafrechtlichen Compliance-Systems

Die angesprochenen Risiken können durch die Entwicklung und Installation eines umweltstrafrechtlichen Compliance-Management-Systems zur Verhinderung und Aufdeckung von Straftaten reduziert werden. Teilweise sehen Fachgesetze auch die Beauftragung eines Betriebsbeauftragten (etwa für Gewässerschutz, Immissionsschutz, Störfallschutz etc.) vor. Er soll durch Kontrolle gefährlicher Anlagen und Information der Betriebsleitung bei der Vermeidung von Umweltschäden durch Betriebsstörungen helfen. Sollte es trotzdem zu einem Verstoß kommen, wirkt sich die Existenz eines wirksamen Compliance-Management-Systems, mit dem Rechtsverstöße unter Anerkennung und Einhaltung der Rechtsnormen ernsthaft vermieden werden sollen, sanktionsmindernd aus.


Fazit: Frühzeitige Beauftragung eines spezialisierten Strafrechtlers

Schon heute sieht das geltende Recht bereits einschneidende Sanktionsmöglichkeiten für Unternehmen sowie deren Leitungspersonen und Mitarbeiter vor. Mit Blick auf die neue EU-Umweltstrafrechts-Richtlinie, die von den Mitgliedsstaaten innerhalb von zwei Jahren umgesetzt werden muss, ist von einer weiteren Verschärfung der strafrechtlichen Risiken in der Unternehmenspraxis auszugehen. Unternehmen sind daher gut beraten, frühzeitig Kontakt zu einem im Umweltstrafrecht tätigen Anwalt zu suchen und ein wirksames umweltstrafrechtliches Compliance-System zu implementieren.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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