Unfallflucht - Genaues Hinsehen beim Fremd-Schaden kann den Führerschein retten
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Bei einer „Unfallflucht“ ist nach dem Gesetz eine Fahrerlaubnisentziehung in der Regel vorgesehen, wenn der Täter weiß oder wissen kann, dass durch den Unfall ein bedeutender Fremd-Schaden verursacht worden ist. Gleiches gilt, wenn der Täter von einer nicht unerheblichen Verletzung einer Person ausgehen konnte. Während die Erheblichkeitsgrenze bei der Verletzung eines Menschen durch das Kriterium der Notwendigkeit ärztlicher Versorgung definiert wird, ist die betragsmäßige Grenze des bedeutenden Fremd-Sachschadens keine starre Größe. Darin liegt oft eine Chance der Verteidigung, die drohende Entziehung der Fahrerlaubnis zu verhindern bzw. eine bereits aufgrund einer ersten Schadenschätzung erfolgte vorläufige Entziehung des Führerscheins rückgängig zu machen.
Derzeit wird die Bedeutsamkeitsgrenze von der Rechtsprechung ganz überwiegend bei 1.300,00 Euro, vereinzelt aber auch schon darüber, angesehen. Die Bedeutsamkeitsgrenze ist in den Entscheidungen der Gerichte in den letzten Jahren heraufgesetzt worden, da die Einführung des Euro sowie die starken allgemeinen Preissteigerungen im Kfz-Gewerbe „eingepreist“ wurden. Vereinzelt erkennen Gerichte auch schon einen Höheren Betrag als Grenze des „bedeutenden Fremdschadens“ an. Ob ein bedeutender Sachschaden entstanden ist, beurteilt sich nach der Höhe des Betrages, um den das Vermögen des Geschädigten als direkte Folge des Unfalls vermindert wird. Bei der Berechnung der Schadenshöhe dürfen aber nur die Schadenspositionen berücksichtigt werden, die zivilrechtlich erstattungsfähig sind.
Legt beispielsweise ein Geschädigter nur einen Kostenvoranschlag oder ein Schadensgutachten vor, orientiert sich die Schadenshöhe allein am Nettobetrag, da die Mehrwertsteuer nur zu erstatten ist, soweit diese bei der Durchführung einer Reparatur auch tatsächlich angefallen ist. Wenn ein Geschädigter einen Kostenvoranschlag vorlegt, wird - sofern es sich um ein älteres Fahrzeug handelt - auch überprüft, ob gegebenenfalls eine Wertverbesserung „Neu für Alt“ abzuziehen ist. Ebenso ist gerade bei älteren Kfz fraglich, inwieweit am Fahrzeug des Geschädigten ein merkantiler Minderwert verbleibt. Letzteres gilt auch bei reinen – nicht gravierenden – Blechschäden; auch hier entfällt normalerweise eine Wertminderung.
Der tatsächlich entstandene Sachschaden kann also häufig geringer sein, als der in einem Kostenvoranschlag ausgewiesene Netto-Schadensbetrag. Liegt ein wirtschaftlicher Totalschaden vor, übersteigen also die Reparaturkosten den Wiederbeschaffungswert, folgt aus der maßgelblichen wirtschaftlichen Betrachtungsweise, dass statt der Reparaturkosten nur der Wiederbeschaffungswert zu veranschlagen ist. Eine begrüßenswerte Entscheidung des LG Paderborn (Beschl. v. 5.9.2005, 1 Qs 118/05) lässt auch die schriftlich dokumentierte Bestätigung des Geschädigten, dass er vom Verursacher zum Zweck der Schadensregulierung einen unterhalb der Bedeutsamkeitsgrenze von 1.300,00 € liegenden Betrag erhalten habe und damit keine weiteren Ansprüche im Zusammenhang mit dem Unfall stellen werde, genügen, um von einer Fahrerlaubnisentziehung abzusehen. Die Kammer verneinte das Vorliegen eines Regelfalls nach § 69 II StGB, obwohl im Ermittlungsverfahren bereits ein Schadensgutachten über einen Reparaturaufwand in Höhe fast 2.400 € vorlag.
Die Entscheidung ist auch deshalb zu begrüßen, weil sie den Schutzzweck des Straftatbestandes des unerlaubten Entfernens vom Unfallort berücksichtigt. Geschütztes Rechtsgut des § 142 StGB ist allein die Feststellung und Sicherung der durch einen Unfall entstandenen zivilrechtlichen Ansprüche sowie der Schutz vor unberechtigten Ansprüchen. Durch die vom Beschuldigten vorgelegte Urkunde konnte bestätigte werden, dass alle zivilrechtlichen Ansprüche durch die Zahlung der (unterhalb der Bedeutsamkeitsgrenze liegenden) Summe vollständig befriedigt worden sind. Durch die Abgabe dieser Erklärung durch den Geschädigten in Kenntnis des Gutachtens war der vom Beschuldigten verursachte Schaden auch nicht höher anzusetzen.
Doch auch wenn über die „Stell-Schrauben“ am Merkmal „bedeutender Fremd-Sachschaden“ eine Rettung des Führerscheins nicht möglich erscheint, kann der Täter kann durch sein Verhalten nach der Tat unter Umständen dazu beitragen, das Interesse an einer Strafverfolgung und des Eintritts des Regefalls Fahrerlaubnisentziehung selbst zu beseitigen, wenn hierdurch Umstände in der Gesamtpersönlichkeit ersichtlich werden, die die Gewähr dafür bieten, dass in Zukunft gleiche oder ähnliche Taten nicht mehr begangen werden oder subjektive oder objektive Umstände feststellbar werden, die den (Fahr-)Eignungsmangel entfallen lassen. Von der Regelfolge Entziehung der Fahrerlaubnis kann so beispielsweise nach einer Entscheidung des Landgerichts Zweibrücken abgewichen werden, wenn der – die Unfallstelle zunächst verlassende Schädiger – den Unfall am nächsten Tag polizeilich meldet, die Regulierung des Schadens veranlasst und sich bei dem Geschädigten entschuldigt, mit der Folge, dass dieser kein Interesse mehr an einer Strafverfolgung hat. Ob ein solches Verhalten im Einzelfall sinnvoll ist, sollte aber immer erst nach der Beratung mit einem Verteidiger entschieden werden.
Frühe anwaltliche Hilfe kann entscheidend für den Erhalt des Führerscheins sein.
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Der Verfasser, Rechtsanwalt Christian Demuth, berät und verteidigt Menschen, die mit dem Verkehrsrecht in Konflikt gekommen sind. Weitere Infos zum Thema "Unfallflucht": http://www.cd-recht.de und http://www.straffrei-mobil.de
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