Unfallschadensregulierung - Erschüttert starkes Abbremsen des Vordermanns den Anscheinsbeweis?

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Das LG Saarbrücken, Urteil vom 04.10.2019, Az. 13 S 69/19 entschied, dass das vorausfahrende Fahrzeug nach Tatsachenfeststellung auf freier Strecke das Fahrzeug bis zum Stillstand abgebremst hat, ohne dass hierfür ein erkennbarer Grund vorhanden war. Ob dies die Vorrausetzungen eines starken Abbremsens im Sinne des § 4 Abs. 1 S. 2 StVO darstelle, könne dahinstehen, da das vorausfahrende und abbremsende Fahrzeug den nachfolgenden Verkehr einer unnötigen Gefahr ausgesetzt und damit gegen die Verpflichtung aus § 1 Abs. 2 StVO verstoßen habe.

Nichtsdestotrotz entschied das LG Saarbrücken, dass der gegen das nachfolgende auffahrende Fahrzeug entsprechende Anscheinsbeweis für dessen Verschulden nicht erschüttert ist. Dies resultiert aus der Tatsache, dass ein nachfolgender Kraftfahrer grundsätzlich einkalkulieren müsse, dass der Vorausfahrende plötzlich scharf bremst. Der Anscheinsbeweis wird deshalb nicht dadurch erschüttert, dass das ausfahrende Fahrzeug durch eine Vollbremsung oder Notbremsung zum Stillstand kommt (vergleiche auch BGH, DAR 08, 337; OLG Karlsruhe, NJW 2017, 2626).

Im zugrunde liegenden Fall wurde in Abwägung der beiderseitigen Verursachungs- und Verschuldensanteile eine Haftungsquote zwischen vorausfahrendem und nachfolgendem auffahrendem Fahrzeug in Höhe von 50% zu 50% ausgeurteilt.

Kernaussage

Trotz grundlosem Abbremsen verbleibt es bei der Anwendung des Anscheinsbeweises für ein Verschulden des auffahrenden Fahrzeugs.

Die klassische Entlastungsbehauptung des Auffahrenden, der Vordermann habe grundlos und/oder stark gebremst, wird nunmehr auf Prüfungsebene der Anwendbarkeit des Anscheinsbeweises bzw. dessen Erschütterung behandelt.

Das bedeutet, dass wenn Art und Weise des Abbremsens wie in den meisten Fällen, umstritten ist, stellt sich die Frage der Erschütterung des Anscheinsbeweises.

Dass selbst ein nachgewiesenes starkes Abbremsen ohne zwingenden Grund den Anscheinsbeweis gegen den Auffahrenden nicht erschüttern bzw. zu Fall bringen kann, entspricht ebenfalls der aktuellen Rechtsprechung des ersten Zivilsenates des OLG Düsseldorf (vgl. Urteil vom 26.03.2019, Az. I-1 U 87/18).

Ulm, den 06.02.2021

gez. RA Fischer


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