Unschuldig im Gefängnis unschuldig verurteilt, Chancen des Wiederaufnahmeverfahrens, letzte Chance?

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In den letzten Jahren und insbesondere im Rahmen meines Fachanwaltslehrganges im Strafrecht habe ich mich intensiv mit dem Thema „Wiederaufnahmeverfahren im Strafverfahren nach § 359 ff. StPO“ auseinandergesetzt, da immer wieder Mandate sich mit diesem Anliegen an mich wenden.

Meist sind Verwandte und Freunde des Verurteilten, die mich bitten, mich um das Wiederaufnahmeverfahren zu kümmern. Der Verurteilte setzt aufgrund eines rechtskräftigen Urteils seine Strafe in einer Justizvollzugsanstalt (Gefängnis) ab. Das heißt, gegen das Urteil sind sämtliche Rechtsmittel (Berufung und Revision) ausgeschöpft. Nunmehr kann nur die Wiederaufnahme des Verfahrens die Rechtskraft des Urteils durchbrechen. Die Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen Strafverfahrens ist jedoch nach deutschem Recht nur nach strengen Voraussetzungen der §§ 359 ff StPO möglich. Die gesetzliche Aufzählung der Wiederaufnahmegründen sind abschließend. Ziel einer Wiederaufnahme zugunsten des Verurteilten besteht in erster Linie darin, dass der Verurteilte freigesprochen wird, das Verfahren eingestellt oder die Strafe gemildert wird. Andere Ziele der Wiederaufnahme im Sinne des § 359 StPO sind unzulässig.

Da am häufigsten der Wiederaufnahmegrund des § 359 Nr. 5 StPO in der Praxis anzutreffen ist und auch im Vergleich zu den anderen Wiederaufnahmegründe für den Verurteilten erfolgsversprechend ist, möchte ich daher ein besonderes Augenmerk darauf richten. Nach § 359 Nr. 5 StPO ist die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens zugunsten des Verurteilten zulässig, wenn neue Tatsachen oder Beweismittel beigebracht sind, die allein oder in Verbindung mit den früher erhobenen Beweisen die Freisprechung des Angeklagten oder in Anwendung eines milderen Strafgesetzes eine geringere Bestrafung oder eine wesentlich andere Entscheidung über eine Maßregel der Besserung und Sicherung zu begründen geeignet sind.

In diesem Zusammenhang möchte der Mandant von mir als erfahrene Strafverteidigerin konkret wissen, ob und wann die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens zu seinen Gunsten möglich ist.

Zunächst vereinbare ich mit dem Mandanten in der Haftanstalt einen Beratungstermin. Um Kosten zu sparen und mich vorher besser auf die Sache vorzubereiten, lasse ich mir vor dem Beratungstermin mit dem Mandanten das Urteil, auch Berufungs- sowie Revisionsurteil, die Hauptverhandlungsprotokolle und wesentliche Bestandteile der Akte auszuhändigen. Im Rahmen des Beratungsgesprächs erörtere ich mit dem Mandanten die Geeignetheit der einzelnen Tatsachen und Beweise. Im Beratungsgespräch werde ich meinem Mandanten eine kurze vorläufige Einschätzung über die Erfolgsaussichten eines Wiederaufnahmeverfahrens abgeben und vor allem meine Mandanten auf die Besonderheiten der Wiederaufnehme unter Berücksichtigung der Einzelheiten seines Falles nach der Rechtsprechung aufmerksam machen. Meist tun die Verurteilten im Beratungsgespräch ihren Unmut über ihre ehemaligen Anwälte und Richter sowie Formalitäten in dem Prozess kund und beschweren sich des Öfteren über die falsche Beweiswürdigung durch das Gericht. Allerdings kann allein eine falsche Beweiswürdigung nach deutschem Recht nicht zu einem Wiederaufnahmeverfahren nach § 359 Nr. 5 StPO führen. Deshalb gehört zu den Aufgaben eines jeden guten Strafverteidiger in einem Wiederaufnahmeverfahren auf jeden Fall das umfassende Aktenstudium der Instanzen, die Kontaktaufnahme mit den Zeugen und Sachverständen sowie ehemaligen Strafverteidiger des Verurteilten und eventuell mit einem erfahrenen Detektiv-Team. Sobald der Strafverteidiger diese Schritte abgearbeitet hat, beginnt er mit dem juristischen Teil der Arbeit.

Das Wiederaufnahmeverfahren unterteilt sich in zwei Abschnitten: Im Additionsverfahren werden die Zulässigkeitsvoraussetzungen des Antrages und im Probationsverfahren dessen Begründetheit geprüft. Das heißt, erst wenn das Gericht die Zulässigkeit und Begründetheit des Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens geprüft hat, wird es die Wiederaufnahme des Verfahrens anordnen. Gegen die Verwerfung des Antrages als unzulässig oder als unbegründet ist in der Regel die sofortige Beschwerde möglich und in der Praxis auch allzu oft erforderlich.

Mein Rechtstipp!

Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens ist an keine Frist gebunden. Für den Verurteilten bestehen im Falle eines Wiederaufnahmeverfahrens keine Risiken. Insbesondere kann ein erfolgloses Wiederaufnahmeverfahren nicht zu einer höheren als der ursprünglich ausgeurteilten Strafe führen. Zudem kann die Staatsanwaltschaft den Beschluss, mit dem die Wiederaufnahme und die Erneuerung der Hauptverhandlung angeordnet wurde, nicht anfechten. Allerdings ist in diesem Zusammenhang auf jeden Fall darauf zu achten, dass nicht bereits durch einen früheren Wiederaufnahmeantrag ein Verbrauch des Wiederaufnahmevorbringens eingetreten ist. Deshalb sollte der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens nur von einem auf das Strafrecht spezialisierten Anwalt gestellt werden.

Bei Fragen rund um Wiederaufnahmeverfahren nehmen Sie bitte Kontakt mit mir auf und übersenden Sie mir Ihre bisherigen Unterlagen zwecks Prüfung. Gerne unterbreite ich Ihnen sodann ein individuelles Angebot für Ihre Verteidigung im Wiederaufnahmeverfahren. Ich prüfe für Sie zudem die Voraussetzungen einer Pflichtverteidigerbestellung schon für die Vorbereitung des Wiederaufnahmeverfahrens.

Rechtsanwältin Jacqueline Ahmadi

Strafverteidigerin und Fachanwältin für Verkehrsrecht


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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