Untersuchungshaft – Welche Rechtsmittel gibt es dagegen?

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Untersuchungshaft – Welche Rechtsmittel gibt es dagegen?

Die Anordnung der Untersuchungshaft trifft den Betroffenen im Kern und härter als jede andere hoheitliche Maßnahme. Ihm wird seine Freiheit genommen, er kann seinem Beruf nicht mehr nachgehen und man riskiert oftmals sogar den Verlust des Arbeitsplatzes.

Nachvollziehbarer Weise ist es daher aus Sicht des Betroffenen und seiner Angehörigen eine der wichtigsten Aufgabe eines Strafverteidigers, die Rechtmäßigkeit der Untersuchungshaft zu überprüfen und bei dessen Unrechtmäßigkeit dafür zu sorgen, dass der Haftbefehl, der der Untersuchungshaft zugrunde liegt, aufgehoben oder außer Vollzug gesetzt wird. Welche Rechtsmittel es gibt und wie dies praktisch abläuft, wird nachfolgend dargestellt.

Grundsätzlich stehen zwei Rechtsmittel zur Verfügung: die mündliche Haftprüfung, § 117 StPO und die schriftliche Haftbeschwerde, § 304 StPO.

I. Die mündliche Haftprüfung, § 117 StPO

Die mündliche Haftprüfung nach § 117 StPO wird auf Antrag des Betroffenen bzw. dessen Verteidigers durchgeführt und wird regelmäßig sinnvollerweise zugleich mit einem Antrag auf Akteneinsicht verbunden. Er kann jederzeit gestellt werden. Grundsätzlich ist ein Haftprüfungsantrag an keine Fristen gebunden. Die mündliche Verhandlung ist unverzüglich durchzuführen; sie darf ohne Zustimmung des Beschuldigten nicht über zwei Wochen nach dem Eingang des Antrags anberaumt werden.

Ziel einer Haftprüfung ist die Aufhebung des Haftbefehls oder dessen Außervollzugsetzung und die sofortige Freilassung. Über den formlosen Antrag entscheidet der Haftrichter in mündlicher Verhandlung. Der zuständige Richter lernt also den Beschuldigten kennen und kann sich einen persönlichen Eindruck von ihm und seinen Lebensumständen verschaffen. Beschuldigter und Verteidiger können sich zum Tatvorwurf äußern und die persönlichen Umstände und besondere individuelle Härte der Untersuchungshaft im konkreten Fall darstellen. Praktisch wird oftmals über die familiäre Bindung des Beschuldigten, seinen Arbeitsplatz, Krankheiten von ihm und Angehörigen, etc. gesprochen. Zudem können Beweisanträge gestellt werden.

Liegen die Voraussetzungen für die Untersuchungshaft (sog. Haftgründe, d. h. Flucht-, Wiederholungs- oder Verdunkelungsgefahr) nicht (mehr) vor oder gibt es ein weniger einschneidendes Mittel (z. B. Abgabe des Reisepasses, Meldeauflage bei der örtlich nächsten Polizeiwache – im Zweifel täglich), so ist die Haftanordnung unrechtmäßig.

Die Entscheidung ist am Schluss der mündlichen Verhandlung zu verkünden. Ist dies nicht möglich, so ist die Entscheidung spätestens binnen einer Woche zu erlassen (sog. Entscheidung im Schriftweg).

Ziel der Haftprüfung ist es, den dringenden Tatverdacht zu entkräften und/oder Argumente gegen die Haftgründe vorzutragen. Sind diese Ausführungen überzeugend begründet, können schon hier oftmals die Weichen für einen positiven Prozessausgang gelegt werden.

Die Haftprüfung findet, soweit der Beklagte keinen Verteidiger hat, nach drei Monaten von Amts wegen statt. Überschreitet die Untersuchungshaft einen Zeitraum von sechs Monaten werden die Fortsetzungsbedingungen nochmals von dem Oberlandesgericht (OLG) geprüft.

Sollte der Haftrichter einen zweifelhaften Haftbefehl nicht aufheben, kann der Antrag auf mündliche Haftprüfung zurückgenommen werden oder es kann gegen diese Entscheidung eine Haftbeschwerde eingereicht werden.

II. Haftbeschwerde, § 304 StPO

Eine weitere Schutzmöglichkeit vor rechtswidrigen Haftbefehlen bietet die Haftbeschwerde gemäß § 304 StPO. Der Beschwerdeantrag erfolgt grundsätzlich schriftlich. Dadurch entfällt allerdings die Gelegenheit, dem Richter einen persönlichen Eindruck der eigenen Person zu vermitteln. Sie darf allerdings nicht gleichzeitig mit einem Antrag auf mündliche Haftprüfung gestellt werden. Dafür erreicht man auf diesem Wege eine schnelle Entscheidung des Landgerichts (LG) bzw. des Oberlandesgerichts (OLG). Zugleich birgt dies aber die Gefahr, dass „höhere“ Gerichte bereits zu einem sehr frühen Verfahrenszeitpunkt die Staatsanwaltschaft in deren Auffassung bekräftigen, sollte dem Haftbefehl nicht abgeholfen werden. Es ist daher immer gut abzuwägen, ob dieses Risiko eingegangen werden soll.

Im Gegensatz zur Haftprüfung kann die Beschwerde sogar schon vor der Vollzugsanordnung gestellt werden. Dem Gericht wird die Gelegenheit geboten, seinen Haftbefehl zu überprüfen. Entscheidet es sich gegen die Abhilfe, muss es dem Beschwerdegericht als höherer Instanz vor Ablauf von drei Tagen den Sachverhalt zur Entscheidung vorlegen.

In manchen Fällen kann es sinnvoll sein, den Haftbefehl gleich mit einer Haftbeschwerde anstatt mit einem Antrag auf Haftprüfung anzugreifen. Die Festlegung der Strategie, die Vorbereitung und die Auswahl des „richtigen“ Rechtsbehelfs erfordert entsprechende Erfahrung. Deshalb ist die Auswahl eines spezialisierten Rechtsanwalts für Strafrecht mit Erfahrung im Bereich Untersuchungshaftverfahren besonders wichtig.


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