Untreuerelevanz des kommunalrechtlichen Spekulationsverbots

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Im Zuge der Finanzkrise von 2008 kam es vermehrt zu Untreueverfahren im Zusammenhang mit Finanzgeschäften von Gemeinden. Dies warf die Rechtsfrage der strafrechtlichen Haftung für Spekulationsgeschäfte auf kommunaler Ebene auf. Der BGH hob nun bzgl. solcher Geschäfte ein Urteil des LG (Landgericht) Regensburg auf und legte zugleich die Voraussetzungen einer Pflichtwidrigkeit in Untreuefällen fest.

Folgender Sachverhalt lag der Entscheidung zu Grunde: Der Angeklagte war bis Mitte 2008 für die V, eine Anstalt des öffentlichen Rechts, u. a. als Vorsitzender des Verwaltungsrats tätig.

1999 nahm die V bei der C-Bank Kredite i.H.v. 25,6 Mio. € auf, die baulichen Investitionen dienen sollten. Ein erheblicher Teil dieser Summe (23 Mio. €) wurde in eigens für die V geschaffene Cofonds investiert, welche durch die C-Invest, einem Tochterunternehmen der C-Bank, verwaltet wurden. Diese Fonds setzten sich aus Aktien deutscher Unternehmen und festverzinslichen Wertpapieren zusammen. Ziel war es, eine Rendite zu bekommen, die über die Kreditzinsen hinausgeht und damit die Baumaßnahmen der V zu finanzieren.

Der Anklagte war neben seiner Tätigkeit bei der V auch Mitglied des Anlagenausschusses für den Fonds. Für die V und den Fonds regelte der Angeklagte alle wichtigen Finanzangelegenheiten und war außerdem ggü. der C-Bank der einzige Ansprechpartner und Bevollmächtigte.

2005 erreichte der Fonds seine Renditeerwartung nicht. Der Angeklagte beriet sich daraufhin mit der C-Bank und Mitgliedern des Anlagenausschusses. Es war die Rede von einer Renditeerhöhung mit überschaubaren Risiken, einer Risikostreuung, Aktienanleihen und festverzinslichen Wertpapieren. Der Angeklagte zeigte ggü. dem Anlageberater der C-Bank eine mittlere Risikobereitschaft. Es kam zur Eröffnung eines eigens für die V geschaffenen Depots. Dafür entnahm der Angeklagte Fondsanteile von insgesamt 5 Mio. €, die in hochspekulative Wertpapiergeschäfte wie Indexanleihen und Währungsoptionsgeschäfte investiert wurden. Im Zuge der Finanzkrise 2008 sank aber widererwartend die Rendite, sodass der Angeklagte 2009 die vorhandenen Wertpapiere auf Druck des Landratsamtes verkaufte.

Laut zuständiger Staatsanwaltschaft soll der Angeklagte 160 Wertpapiergeschäfte getätigt haben und so das Vermögen der V i.H.v. fast 83 Mio. € gefährdet haben. Deshalb erhob die Staatsanwaltschaft Anklage mit dem Vorwurf der Untreue in 160 Fällen gegen den Angeklagten. Das LG Regensburg sprach aber den Angeklagten frei. Staatsanwaltschaft und Angeklagte legten gegen dieses Urteil Revision vor dem BGH ein. Dieser hob das Urteil des LG auf und verwies es zurück.

Das LG habe in seiner Urteilsbegründung unzureichend festgestellt, ob die Finanzgeschäfte gegen kommunalrechtliche Haushaltsvorgaben verstießen und so der Angeklagte seine Vermögensbetreuungspflicht pflichtwidrig verletzt habe. Zwar habe das LG die Vermögensbetreuungspflicht zutreffend bejaht, habe aber nicht die für die Untreue erforderliche Pflichtwidrigkeit überprüft. Der BGH betonte, dass der Verstoß gegen haushaltsrechtliche Vorgaben und Prinzipien, die insb. auf Landesebene getroffen werden, grundsätzlich eine Pflichtwidrigkeit darstelle.

Grundsätzlich dürften die Gemeinden ihre Finanzangelegenheiten im gesetzlichen Rahmen selbst regeln. Sie haben aber bei Anlagegeschäften auf ausreichend Sicherheit zu achten. Es gelte ein Spekulationsverbot, welches aus dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit folge. Finanzgeschäfte dürften nur der Aufgabenerfüllung dienen.

Es müsse ein konkret abgeschlossener Kreditvertrag – Grundgeschäft – vorhanden sein, welcher einen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem Finanzgeschäft aufweisen müsse. Dieses Grundgeschäft müsse durch das Finanzgeschäft abgesichert oder optimiert sein. Die Laufzeit habe sich am Grundgeschäft zu orientieren. Das Risiko eines Kapitalverlusts dürfe die Chance auf einen Gewinn nicht deutlich übersteigen. Es bedürfe auch einer ausreichenden Informationsgrundlage: sorgfältige Risikoanalysen seien vorzunehmen und Aufsichtsbehörden seien zu kontaktieren. Der Entscheidungsträger dürfe sich auch nicht alleine auf Angaben jener Bank verlassen, welche das Geschäft dann auch vornehme. Die Entscheidung für ein Finanzgeschäft dürfe schließlich auch nicht auf sachfremden Erwägungen beruhen, wie etwa dem Zweck einer reinen Gewinnerzielung.

Die Nichtbeachtung einer dieser Leitlinien stelle ein Indiz für die Pflichtwidrigkeit dar. Außerdem müsse der Entscheidungsträger mit Vorsatz gehandelt haben. Zu erwähnen sei dabei, dass Ländern wie Bayern schon Jahre vor der Finanzkrise ihre Gemeinden auf das Spekulationsverbot und die haushaltsrechtlichen Schranken nebst der Option der Beratung bei Rechtsaufsichtsbehörden hingewiesen habe.

Das LG Regensburg wird nun also erneut über die Strafbarkeit des Angeklagten zu entscheiden haben.

BGH, Urteil v. 21.02.2017 – 2 StR 296/16

Rechtsanwalt Daniel Krug

unter Mitwirkung von stud. iur. Benedikt Skibbe


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