Vermächtnis bei Zuwendung eines einzelnen Gegenstandes

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Das Oberlandesgericht Rostock (Beschluss des OLG Rostock vom 08.02.2022, 3 W 143/20) hat entschieden, dass eine Anordnung im Testament auch dann ein Vermächtnis sein kann, wenn der Gegenstand fast das gesamte oder das gesamte Vermögen des Erblassers ausmacht. Nach § 2087 Abs. 2 BGB („sind dem Bedachten nur einzelne Gegenstände zugewendet, so ist im Zweifel nicht anzunehmen, dass er Erbe sein soll, auch wenn er als Erbe bezeichnet ist“) kann jedoch auch eine Auslegung dergestalt in Betracht kommen, dass der Vermächtnisnehmer Erbe geworden ist. Der Umstand alleine, dass der vermachte Gegenstand fast das gesamte Vermögen ausmacht, rechtfertigt nicht allein die Annahme der Erbeinsetzung. 

Entscheidung über das Vermächtnis

Vorliegend ging es darum, dass der Erblasser mit seiner Ehefrau ein gemeinschaftliches Testament errichtet hat. Dabei haben sich die Eheleute zunächst gegenseitig als Alleinerben eingesetzt und dem Sohn ein Grundstück vermacht. Zum Zeitpunkt des Todes bestand der Nachlass im Wesentlichen aus diesem Grundstück.

Das OLG erläutert zunächst, dass der Vermächtnisnehmer durch Testament isoliert das Hausgrundstück des verstorbenen Erblassers und seiner Ehefrau zugewendet worden ist. Als Schlusserbe ist dieser jedoch nicht eingesetzt worden. Gemäß § 2087 Abs. 2 BGB ist die Zuwendung eines einzelnen Gegenstandes im Zweifel nicht als Erbeinsetzung, sondern als Vermächtnisanordnung anzusehen. 

Im vorliegenden Einzelfall müsse jedoch eine vorrangige Testamentsauslegung herangezogen werden. Nach dem OLG ist eine Auslegung als Vermächtnis auch möglich, wenn der zugewendete Einzelgegenstand das gesamte oder fast das gesamte Vermögen des Erblassers ausmacht.

Auch bei Einsetzung eines Vermächtnisses, welches beinahe das gesamte Vermögen des Erblassers ausmacht, ist eine Auslegung dergestalt möglich, dass keine Erbeinsetzung vorliegt. Bei einem solchen Fall müsse lediglich gut geprüft werden, ob entgegen § 2087 Abs. 2 BGB eine Erbeinsetzung vorliegt.

Es müsse danach geschaut werden, ob der Erblasser dem Vermächtnisnehmer mehr rechte habe einräumen wollen, als diese üblicherweise einem Vermächtnisnehmer zustehen. Es müsse die Vorstellung des Erblassers über die Zusammensetzung des Nachlasses herangezogen werden, welche er zum Zeitpunkt der Erstellung des Testaments gehabt habe.

Im konkreten Fall konnte nun der Vermächtnisnehmer nicht die notwendigen Feststellungen treffen, dass bei Testamentserrichtung kein wesentliches anderes Vermögen der Eheleute vorhanden gewesen sei. Dies gehe zu Lasten des Vermächtnisnehmers mit dem Ergebnis, dass dieser nicht als Erbe anzusehen ist.

Hinweis für die Erstellung eines Testaments

Wenn entgegen des § 2087 Abs. 2 BGB als Vermächtnisnehmer als Erbe angesehen werden will, muss im Einzelnen darlegen und beweisen, dass der zugewandte Gegenstand praktisch das gesamte Vermögen des Erblassers ausgemacht hat im Zeitpunkt der Testamentserrichtung. Wenn dies bewiesen werden kann ist es ein starkes Indiz dafür, dass der Erblasser den Vermächtnisnehmer auch als Erben einsetzen wollte. Das Indiz schlägt nicht durch, wenn sich aus dem weiteren Inhalt des Testaments ergibt, dass der Vermächtnisnehmer nicht die Verbindlichkeiten zu übernehmen hat, nicht den Nachlass zu regeln hat und auch nicht die Beerdigungskosten oder die Grabpflege zu übernehmen hat. 

Bei der Einsetzung von Vermächtnissen in einem Testament ist deshalb immer Vorsicht geboten und genau zu prüfen, welchen Wert der vermachte Gegenstand hat. Im Ergebnis kann hierdurch die Erbeinsetzung nach einer Auslegung völlig anders ausfallen, als dies der Erblasser womöglich wollte.


Ihr Rechtsanwalt

Christian Keßler

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