Verschärfung des Wettbewerbsrechts für digitale Märkte

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Am 1. September 2023 ist das fünfte „Antimonopolpaket“ in Russland in Kraft getreten. Es bringt wichtige Änderungen zum russischen Wettbewerbsgesetz („WettbG“).


Wichtig sind insbesondere die Gesetzesänderungen, die Internet-Marktplätze zur Einhaltung des Kartellrechts verpflichten. Klarer geregelt wurde nunmehr, wie eine marktbeherrschende Stellung auf dem „digitalen Markt“ festgestellt werden kann.


Auch Unternehmenskäufe sind betroffen: Eine Genehmigung ist jetzt auch dann beim russischen Kartellamt („FAS“) einzuholen, wenn der Vertragspreis einer Transaktion höher als RUB 7 Milliarden (ca. EUR 70 Mio.) ist.


Der FAS ist der Ansicht, dass die Neuerungen einen effektiveren Schutz der Verbraucherrechte schaffen. Die Verfahren zur Untersuchung von Kartellfällen wurden verkürzt und der Prüfungsansatz bei der Analyse des Marktes verändert. 


Die Regulierungsbehörde wird sich nur für solche Plattformen interessieren, die ein „unehrliches“ Verhalten zulassen:


  • ungerechtfertigte Verweigerung des Zugangs zu einer digitalen Plattform;
  • Auferlegung ungünstiger Bedingungen für die Verbraucher;
  • Diskriminierung von Unternehmern, die Waren auf dem Marktplatz verkaufen.


Obwohl das fünfte Antimonopolpaket als „digitales" Paket bezeichnet wird, betreffen die Änderungen die Kontrolle einer großen Reihe von Transaktionen. 



„Netzwerkeffekt“ und wofür ist er gut?


Die für traditionelle Märkte verwendeten Wettbewerbsanalysen sind für Online-Märkte nicht geeignet. Daher führt das Gesetz den Begriff des „Netzwerkeffekts“ ein - eine Eigenschaft des digitalen Warenmarktes, die den Wert eines Programms von der Veränderung der Anzahl seiner Nutzer abhängig macht. Der Netzwerkeffekt wird als eine besondere Eigenschaft betrachtet, die im Rahmen der Analyse der Wettbewerbssituation auf einem Warenmarkt untersucht werden soll. Dieser Effekt wird vom FAS am Beispiel von Taxi-Aggregatoren erläutert. Je mehr Fahrer es in der App gibt, desto mehr Fahrgäste verbinden sich mit ihr. Auch die Zahl der Transportunternehmen wächst. Denn für die Fahrer verkürzt sich die Wartezeit auf einen neuen Auftrag und für die Kunden die Zeit, bis ein Auto eintrifft.


Der FAS wird nun die Netzwerkeffekte ermitteln und feststellen, ob der Eigentümer einer digitalen Plattform die Bedingungen für die Verbreitung einer Ware oder Dienstleistung wesentlich beeinflussen kann. Dabei betont die Antimonopolbehörde, dass das Vorhandensein eines solchen Effekts nicht bedeutet, dass ein Monopol vorliegt. In einem wettbewerbsorientierten Markt wirkt der Netzwerkeffekt als Gegengewicht und Regulator. Ist der Markt monopolnah, so wird dieser Effekt zu einer Marktzutrittsschranke.



Bedingungen für die Anerkennung eines Monopols


Das WettbG enthält einen neuen Artikel 10.1, der Monopole für Inhaber digitaler Plattformen verbietet. Monopole können unter einer Kombination mehrerer Bedingungen anerkannt werden:


  • Aufgrund des Netzwerkeffekts kann der Eigentümer der Plattform einen entscheidenden Einfluss auf den Warenverkehr ausüben, Konkurrenten ausschalten und deren Zugang zum Markt behindern;
  • der Anteil der Transaktionen auf einem bestimmten Warenmarkt, die über die digitale Plattform getätigt werden, übersteigt 35%;
  • der Umsatz der Plattform im letzten Kalenderjahr beträgt mehr als RUB 2 Mrd. (EUR 20 Mio.).


Der Gesetzgeber hat diesen Artikel aber in zweiter Lesung dahingehend ergänzt, dass der Eigentümer einer Plattform Beweise vorlegen kann, dass seine Tätigkeit kartellrechtlich als zugelassen gilt, d.h. keine Möglichkeit für Wettbewerbsausschaltungen geschaffen werden und wenn die Ergebnis seiner Tätigkeit ist oder sein kann:


  • Verbesserung der Produktion, des Verkaufs von Waren oder Förderung des technischen, wirtschaftlichen Fortschritts oder Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der in Russland hergestellten Waren auf dem Weltwarenmarkt;
  • Erlangung von Vorteilen durch Käufer, die den Vorteilen des Eigentümers der Plattform entsprechen.


Schwellenwert für die Genehmigung von Transaktionen


Gemäß Artikel 28 WettbG hängt die Genehmigung einer M&A-Transaktion durch den FAS vom Buchwert der Vermögenswerte und den Einnahmen ab. Bisher wurde eine Genehmigung erforderlich, wenn der Wert der Aktiva RUB 7 Mrd. (ca. EUR 70 Mio.) übersteigt oder wenn die Einnahmen aus dem Verkauf von Waren im Jahr RUB 10 Mrd. (ca. EUR 100 Mio.) und der Preis der Aktiva RUB 800 Mio. (ca. EUR 8 Mio.) übersteigt.


Diese Bestimmung wurde nun ergänzt. Jetzt ist die Genehmigung der Antimonopolbehörde einzuholen, wenn allein der Wert der Transaktion RUB 7 Milliarden übersteigt. Dies ist insbesondere für den IT-Sektor aktuell, wo die buchhalterischen Aktiva oft nicht besonders hoch sind.



Kartellfreistellungen


Artikel 11 WettbG verbietet wettbewerbswidrige Vereinbarungen, einschließlich Kartelle bei Ausschreibungen. Das Verbot gilt nicht für Vereinbarungen zwischen Unternehmen, die derselben Personengruppe angehören, oder wenn ein Unternehmen die Kontrolle über das andere erlangt hat, oder wenn beide von derselben Person kontrolliert werden. Nach den Änderungen fallen Maßnahmen von Wirtschaftsteilnehmern zur Erhöhung, Senkung oder Beibehaltung von Angebotspreisen nicht in den Anwendungsbereich der Freistellungsregel.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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