Verteidigungsstrategie bei Abmahnung wegen unerlaubter Verwertung „Live aus dem Hotel Atlantic“

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Im Rahmen meiner Beratungspraxis werden mir erneut Mandate mit Abmahnungen wegen illegalen Downloads (im Rahmen sog. Peer to Peer Tauschbörsen wie Torrent, Emule etc.) des Werkes „MTV Unplugged - Live aus dem Hotel Atlantic", Warner Music Group, Künstler Udo Lindenberg zur Kenntnis gebracht. Die Abmahnung wurde von den Rechtsanwälten Rasch ausgesprochen. Im Rahmen des vermeintlichen Verstoßes wurden festgestellt: Datum, Uhrzeit, IP-Adresse.

Neben der Unterlassungserklärung wird für die Kosten der Rechtsverfolgung und der vermeintlichen Schadensersatzansprüche ein pauschaler Betrag gefordert. Dabei wird darauf hingewiesen, dass die anwaltliche Tätigkeit als solche und darüber hinaus Schadensersatz in Form einer angemessenen Nutzungsgebühr geltend gemacht werde.

Dabei gilt zu berücksichtigen, dass je nach Einzelfall folgende Punkte zur Verteidigung angeführt werden können und überprüft werden sollten:

a) Nachweis der Lizenzinhaberschaft

b) Prozentsatz der Gesamtdatei, die heruntergeladen bzw. angeboten wurde

c) fremder Zugriff auf das unverschlüsselte WLAN Netzwerk

d) Einbruch in das verschlüsselte WLAN Netzwerk durch Dritte

e) rechtsmissbräuchliche Massenabmahnung

f) HASH-Wert

g) ggf. § 97a UrhG - Deckelung der Abmahnkosten auf 100 € in einem einfach gelagerten Fall mit einer nur unerheblichen Rechtsverletzung außerhalb des geschäftlichen Verkehrs (Rechtsprechung regelmäßig abweichende Auffassung)

h) IP-Adressen-Prüfung - fehlerhafte Beweissicherung durch die Antipiracyfirmen

i) überhöhter Streitwert

j) überhöhte Rechtsverfolgungskosten / Anwaltskosten

k) Sonstige

Neue Aspekte der Rechtsverteidigung ergeben sich nunmehr auch aus den Ausführungen des LG Frankfurt a.M. (LG Frankfurt a.M. vom 22.09.2009, Az. 2-18 O 162/09). Ein Unterlassungsanspruch kann danach ausscheiden, wenn der Betroffene Anschlussinhaber vortragen kann, dass sein PC ausgeschaltet war und hierfür Orte, Zeiten und Zeugen benennen kann.

Im Hinblick auf die neuere Rechtsprechung des BGH zum § 97a UrhG wird darauf verwiesen, dass der BGH in seiner Urteilsbegründung keine Ausführungen zur Anwendbarkeit gemacht habe. Diese Frage ist gerade im Hinblick auf die vom BGH ausgegebene Presseerklärung immer noch nicht abschließend geklärt. Gleichwohl dürfte der BGH seine Tendenz mitgeteilt haben. Die Instanzgerichte urteilen derzeit absolut differenziert (wohl ablehnend: AG Hamburg vom 26.06.2011 - 36A C 172/10). Problematisch ist weiterhin, dass nach der Rechtsprechung eine tatsächliche Vermutung dahingehend besteht, dass diejenige Person, der die IP-Adresse zugeordnet ist, von welcher die Rechtsverletzungen begangen wurden, für die Rechtsverletzungen verantwortlich sein soll. Der betroffene Anschlussinhaber kann diese Vermutung entkräften. Hierzu hat er im Rahmen der ihn treffenden sog. „sekundären Darlegungslast" alle Umstände vorzutragen, die einen abweichenden Geschehensablauf nahe legen (so z.B. LG Köln, Urteil vom 11.05.2011, Az. 28 O 763/10).

Zudem gibt es neue Auffassungen im Bereich der Lizenzinhaberschaften, namentlich der sog „Aktivlegitimation" (d.h. wer denn überhaupt wen verklagen darf).

Es bestehen somit verschiedene im Einzelfall zu prüfende Rechts- und Verteidigungsmöglichkeiten. Hier seien - vorbehaltlich eine Prüfung des Einzelfalls - nur genannt: Prüfung eventuell fehlerhafter IP-Adressen, fehlerhafte Beweissicherung, sog. Fake-Dateien, Teil- Gesamtdatei, fremder Zugriff auf das unverschlüsselte WLAN Netzwerk, illegaler Einbruch in das (verschlüsselte) WLAN Netzwerk durch Dritte, rechtsmissbräuchliche Massenabmahnung, § 97a UrhG - Deckelung der Abmahnkosten, Lizenzinhaberschaft, überhöhte Lizenzforderung, überhöhter Streitwert, überhöhte Rechtsverfolgungs- und Anwaltskosten

Bei den regelmäßig beigefügten vorformulierten Unterlassungserklärungen der Gegenseite ist Vorsicht geboten: diese Erklärungen sind oftmals zu weit gefasst, sodass für den Erklärenden langfristige Verpflichtungen entstehen können. Ohne eingehende rechtliche Überprüfung sollte diese Unterlassungserklärung nicht abgegeben werden. Es handelt sich hierbei um ein Schuldanerkenntnis, das bis zu 30 Jahre Bestand haben kann.

Die Abmahnung sollte nicht einfach „weggelegt" werden, weil ja ohnehin „nichts passieren wird". Im Falle des Untätigbleibens besteht das Risiko eines gerichtlichen Prozesses, durch den erhebliche weitere Kosten entstehen können. Zudem häufen sich derzeit die auf Schadensersatz gerichteten Klagen.

Es ist dringend anzuraten, die Unterlassungserklärung zu prüfen und auch die weiteren rechtlichen und taktischen (Reaktions-) Möglichkeiten abzuwägen.

Gerne berate ich Sie sofort, wenn Sie eine solche Abmahnung erhalten haben.

Rechtsanwalt Dr. Stephan Schmelzer, Fachanwalt IT-Recht, Fachanwalt Arbeitsrecht, LL.M. (USA/Delaware) http://www.ra-schmelzer.de, Ostberg 3, 59229 Ahlen, Tel.: 02382.6646

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