Völkermordfall Gaza: Nutzt MV Kathrin Gesetzeslücke, um waffenfähigen Sprengstoff an Israel zu liefern - aktualisiert

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Das im Eigentum des deutschen Unternehmens Lubeca Marine stehende Frachtschiff MV Kathrin hat eine lange Reise hinter sich, von der wir bisher nicht wissen, ob sie zu Ende ist:

Am 21. Juli 2024 stach das Schiff vom Hafen Hai Phong, Vietnam, wo es beladen worden war, in Richtung Koper, Slovenien (vorgesehene Entladung) in See. Mit Schreiben vom 24. August 2024 widerrief jedoch Namibia seine am 13. August erteilte Erlaubnis, in namibische Häfen einzufahren, mit der Begründung, entgegen den ursprünglichen Angaben sei eine Teilladung "RDX Hexogen" Sprengstoff für Israel bestimmt; hierdurch werde gegen ein Verbot Namibias vom 04. Juni 2024 verstoßen.

Offenbar aufgrund des von Aktivisten und Menschenrechtlern (einschließlich Amnesty International) ausgeübten Drucks schlossen sich weitere Küstenstaaten Afrikas dem Verbot Namibias an. Am 17. Oktober 2024 zwang Portugal die Eigentümer zur Aufgabe der portugiesischen Flagge, am 18. Oktober 2024 wiederum erteilte die deutsche Bundesregierung die Erlaubnis zum Weiterfahren unter deutscher Flagge. Nach der Einfahrt ins Mittelmeer verweigerten weitere europäische Länder die Einfahrt, insbesondere Montenegro, Malta und selbst der angebliche Zielort Slovenien. Am 25. Oktober entlud das Schiff einen Teil der Ladung im albanischen Hafen Durres und Ende Oktober eine weitere Ladung im ägyptischen Hafen Alexandria; laut ägyptischen Behörden soll diese Ladung für das ägyptische Militär bestimmt gewesen sein.

Laut der angesehenen Times of Israel hat sich die deutsche Bundesregierung in Gestalt des Wirtschaftsministeriums auf einen Eilantrag des European Legal Support Center (ELSC) im Namen von drei betroffenen PalästinenserInnen von Gaza beim Verwaltungsgericht Berlin dahingehend eingelassen, dass die Lieferung auf deutschem Territorium weder beladen noch von dort aus versandt wurde, so dass keine Exportlizenz von deutscher Seite erforderlich gewesen sei. Das ELSC stützt seine Klage offenbar vor allem - ähnlich wie Namibia sein Verbot - darauf, dass Israel in Gestalt von Elbit Systems, Israels größtem Hersteller von Kriegswaffen, den RDX-Sprengstoff "zur Herstellung von Kriegswaffen wie Fliegerbomben, Mörsern und Raketen" nutzt, um "Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Völkermord und Kriegsverbrechen" zu begehen.

In der Tat enthält die jetzt gültige Kriegswaffenliste des Kriegswaffenkontrollgesetzes weder den Abschnitt "V. Pulver und Sprengstoffe" wie noch das Kriegswaffenkontrollgesetz in der Fassung vom 20. April 1961, noch den Unterabschnitt "59. Trimethylentrinitramin (Hexogen)". Wohl aber führt sie "Treibladungen" für Kanonen, Haubitzen, Maschinenkanonen, tragbare Panzerabwehrwaffen und "Minenleg- und Minenwurfsysteme für Landminen" auf. Sofern also das waffenfähige RDX/Hexogen für die in der Waffenliste im einzelnen genannten Waffen nutzbar war, wäre auch die Beförderung im Ausland gemäß  § 4 Kriegswaffenkontrollgesetz genehmigungspflichtig gewesen.

Spätestens bei Erteilung der Genehmigung des Führens der deutschen Flagge am 18. Oktober 2024 müsste sich die Bundesregierung mit Hilfe von Sachverständigen davon überzeugt haben, dass die mit der MV Kathrin beförderten Stoffe nicht für die betreffenden, im Kriegswaffenkontrollgesetz aufgeführten Waffen geeignet waren bzw. nicht unter die Vorschrift fielen. Auf die Darlegungen der Bundesregierung vor dem VG Berlin darf man also gespannt sein.

Nachtrag: Inzwischen sprengt Israel nicht mehr nur Universitäten, Schulen und Wohnhäuser in Gaza in die Luft, sondern auch ganze Wohnviertel, ja Dörfer und Städte im südlichen Libanon. Es steht zu befürchten, dass im Rahmen des sogenannten "Generals Plan" in Kürze auch der nördliche Gazastreifen auf diese Art und Weise dem Erdboden gleichgemacht werden wird. Angesichts der weltweit bestehenden Knappheit an waffenfähigen bzw. militärtauglichem Sprengstoff drängt sich die weitere Frage auf, inwieweit die Hilfe Deutschlands für diese "Vorhaben" zwingend benötigt wird und somit umgekehrt durch eine gerichtliche Intervention diese Verbrechen effektiv verhindert werden könnten.











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