Volksverhetzung wegen Facebook-Post? –Veröffentlichung eines „Judensterns“ mit dem Zusatz „Ungeimpft“
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Die Coronapandemie wirkte sich in zahlreichen Konstellationen strafrechtlich aus. Bestimmte Straftaten wurden vermehrt oder gerade aufgrund der spezifischen Besonderheiten oder Umstände der Pandemie begangen. So beispielsweise Subventionsbetrug im Zusammenhang mit Coronahilfen oder die Fälschung von Impfausweisen.
Aber auch der Vorwurf der Volksverhetzung tauchte im Zusammenhang mit der Coronapandemie auf. So kam es beispielsweise vor, dass in sozialen Medien Beiträge gepostet wurden, die einen „Judenstern“ mit der Aufschrift „Ungeimpft“ zeigten.
Können Sie sich wegen Volksverhetzung durch social-media-Posts strafbar machen?
Grundsätzlich ja. Einschlägige Norm ist hier § 130 StGB. Im schlimmsten Fall erwartet Sie bei einer Verurteilung wegen Volksverhetzung eine Freiheitsstrafe von bis zu 5 Jahren.
Maßgeblich ist aber natürlich, dass der jeweilige Post eine Strafbarkeit wegen Volksverhetzung begründet.
Eine solche verneinte beispielsweise das Kammergericht Berlin (Urteil v. 11.05.2023 – (4) 121 Ss 124/22 in BeckRS 2023, 10845). Dem Urteil lag der Vorwurf zugrunde, dass der Angeklagte einen sog. „Judenstern“ mit der Aufschrift „Ungeimpft“ auf Facebook postete.
Ist das Posten eines „Judensterns“ mit der Aufschrift „Ungeimpft“ Volksverhetzung?
Nach § 130 Abs. 3 StGB macht sich wegen Volksverhetzung strafbar, „wer eine unter der Herrschaft des Nationalsozialismus begangene Handlung der in § 6 Abs. 1 des Völkerstrafgesetzbuches bezeichneten Art in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich oder in einer Versammlung billigt, leugnet oder verharmlost.“
Das Kammergericht verneinte zwar in dem konkreten Fall eine strafbare Volksverhetzung. Zu beachten ist aber, dass das Kammergericht eine Strafbarkeit wegen Volksverhetzung durch das Posten eines „Judensterns“ mit der Aufschrift „Ungeimpft“ nicht generell auszuschließen ist. Nur im konkreten Fall fehlte es an der Eignung zur Störung des öffentlichen Friedens, welche für eine Volksverhetzung in dieser Variante notwendig ist.
Worüber musste das Kammergericht entscheiden?
Der Angeklagte teilte den Facebook-Post eines Bekannten auf seinem öffentlich einsehbaren Profil. In dem Post zu sehen war ein gelber Stern mit der Inschrift „Nicht geimpft“. Diese gelben Sterne wurden in der Zeit des Nationalsozialismus zur Kennzeichnung von Juden verwendet. Unmittelbar darüber stand: „Die Jagd auf den Menschen kann nun wieder beginnen“. Der Angeklagte hatte seinen Post zudem kommentiert mit: „Ich bin dabei, einen Judenstern zu basteln und an meine Jacke zu stecken, wenn die indirekte Impflicht kommt!“.
Von anderen Facebook-Nutzern wurde der Kommentar teilweise positiv, aber vermehrt negativ kommentiert. Insbesondere sei der Vergleich mit dem Holocaust unverhältnismäßig und verharmlose diesen.
Der Angeklagte hat selbst jüdische Vorfahren, ist seit 2017 Mitglied in der Deutsch-Israelischen Gesellschaft e.V. und wollte 2015 zum Judentum konvertieren. Mit dem Post wollte er auf die Diskriminierung von Ungeimpften und Impfgegner (wie er selbst) hinweisen und sich als Opfer der Coronapolitik durch die Bundesregierung darstellen.
Vgl. KG Berlin, Urteil v. 11.05.2023 – (4) 121 Ss 124/22 (164/22)
Warum verneinte das Gericht eine Strafe wegen Volksverhetzung durch das Posten eines „Judensterns“ mit der Aufschrift „Ungeimpft“?
Das Kammergericht verneinte allerdings eine Strafbarkeit wegen Volksverhetzung.
Der Post des Angeklagten war nicht geeignet, des öffentlich Frieden zu stören.
Unter öffentlichem Frieden versteht man zum einen den Zustand der allgemeinen Rechtssicherheit und des friedlichen Zusammenlebens der Bürger. Zum anderen das Bewusstsein der Bevölkerung in Frieden leben zu können und somit das Sicherheitsgefühl des Einzelnen.
Zu einer tatsächlichen Störung des öffentlichen Friedens muss es nicht kommen. Die Eignung hierzu genügt. Die Handlung muss generell dazu geeignet sein, den öffentlichen Frieden zu gefährden. Das bedeutet, es darf nicht nur auf den Inhalt der Ankündigung abgestellt werden. Vielmehr ist eine Gesamtwürdigung aller Umstände (Art, Inhalt, Form, Umfeld) vorzunehmen. Danach muss aus Sicht eines objektiven Betrachters die begründete Befürchtung bestehen, dass es nach dem voraussichtlichem Geschehensablauf im konkreten Einzelfall zu einer solchen Störung kommt.
2018 hat das Bundesverfassungsgericht (Beschluss v. 22.06.2018 – 1 BvR 2083/15) entschieden, dass die Eignung, den öffentlichen Frieden zu stören bei einer Begehungsweise durch Verharmlosung positiv festzustellen ist und nicht, wie bei einer Billigung oder Leugnung, indiziert ist.
Der Begriff des öffentlichen Friedens ist im Lichte der Meinungsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 1 GG auszulegen. Eine Auseinandersetzung mit beunruhigenden Meinungen, welche unter Umständen die geltende Ordnung gefährden, gehört zum freiheitlichen Staat. Vgl. KG Berlin, Urteil v. 11.05.2023 – (4) 121 Ss 124/22 (164/22) m.w.N.
Bei einer Gesamtwürdigung der Umstände ergibt sich in diesem Fall folgendes:
Das Kammergericht stützte seine Verneinung der Volksverhetzung im konkreten Fall unter anderem auf folgende Gesichtspunkte (vgl. KG Berlin, Urteil v. 11.05.2023 – (4) 121 Ss 124/22 (164/22): Die Äußerungen des Angeklagten waren nicht darauf gerichtet, zu emotionalisieren, Hemmschwellen herabzusetzen oder Dritte einzuschüchtern. Strafbar können Äußerungen dann sein, wenn sie nicht nur der Überzeugungsbildung dienen, sondern darauf gerichtet sind bei anderen eine Reaktion zu bewirken, wie beispielsweise Appelle zum Rechtsbruch.
Unter Berücksichtigung der politischen Situation während der Pandemie, könnte man die Äußerung des Angeklagten allenfalls als weiteren Beitrag zur Vergiftung des geistigen Klimas sehen, aber nicht als unfriedlich.
Die Reaktionen auf den Post waren überwiegend negativ und wiesen auf die Unverhältnismäßigkeit hin. Der Angeklagte steht dem Judentum nahe und ist Mitglied eines deutsch-israelischen Vereins.
Der vom Angeklagten hinzugefügte Kommentar, er bastele sich einen „Judenstern“ und wolle diesen tragen, wenn die „indirekte Impfpflicht“ komme, lässt vielmehr erkennen, dass die Äußerung auf eine Kundgabe des Protests in dieser zwar besonders provozierenden, aber dennoch nicht unfriedlichen Form gerichtet war.
Im konkreten Fall keine Volksverhetzung durch Posten eines „Judensterns“ mit Inschrift „Umgeimpft“ bei Facebook
Das Landgericht und das Kammergericht gingen also davon aus, dass es an einer Geeignetheit zur Störung des öffentlichen Friedens fehlt.
Der Teufel kann insbesondere in derartigen Entscheidungen im Detail stecken. Man kann also nicht sagen, dass solche Postings keine strafbare Volksverhetzung darstellen, nur weil im konkreten Fall eine Strafbarkeit wegen Volksverhetzung verneint wurde.
So hat zum Beispiel das Bayerische Oberste Landesgericht die Eignung einer Friedensstörung durch eine Abbildung eines Judensterns bejaht. Allerdings lag dieser Entscheidung ein anderer, nicht vergleichbarer Sachverhalt zugrunde. In der Abbildung waren die Jahreszahlen 1933-1945 und das AfD Logo mit dem Zusatz „2013 - ?“ zu sehen. Außerdem wurde das Plakat auf einem Messegelände sowie auf Twitter veröffentlicht. Aufgrund des erheblichen medialen Echos, dem öffentlichen Interesse einer Bundestagspartei und der durch die Jahreszahlen (1944-1945) konkreten Bezugnahme auf das Nazi-Unrecht waren die Gesamtumstände anders zu beurteilen (vgl. Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss v. 25.06.2020 – 205 StRR 240/20).
Beachten Sie, dass § 130 StGB bereits die Geeignetheit zur Störung des öffentlichen Friedens ausreichen lässt. Dies ermöglicht Gerichten einen gewissen Spielraum und wurde in der Vergangenheit auch bereits unterschiedlich beurteilt. Da dies auch künftig zu erwarten ist, sollten Sie bei einem entsprechenden Vorwurf, bei Erhalt einer polizeilichen Vorladung, einer Anklage oder bei einer Hausdurchsuchung und ähnlichem einen spezialisierten Fachanwalt für Strafrecht kontaktieren, welcher Sie in Ihrem Einzelfall optimal vertritt.
Wie verhalte ich mich, wenn ich eine Vorladung wegen Volksverhetzung erhalte?
Als Kanzlei für Strafrecht vertreten wir Sie beim Vorwurf der Volksverhetzung. Nehmen Sie dringend zunächst Ihr Schweigerecht wahr und lassen Sie sich möglichst frühzeitig vertreten.
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