Vorläufige Leistungen - Nachreichung von Unterlagen erst im Prozess?

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Herr B. schildert uns folgendes Problem:

Herr B. bezog vom Jobcenter vorläufige Leistungen. Im Verlauf des Bewilligungszeitraums wurde Herr B. aufgefordert, Einkommensnachweise und Kontoauszüge bis zu einem bestimmten Termin vorzulegen. Im Schreiben des Jobcenters war folgender Hinweis enthalten: „Sofern Sie oder die mit Ihnen in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen Ihrer Nachweis- und Auskunftspflicht bis zum oben genannten Termin nicht oder nicht vollständig nachkommen, werde ich feststellen, dass im kompletten Bewilligungszeitraum ein Leistungsanspruch nach dem SGB II nicht bestand (§ 41 a Abs. 3 Satz 3 und 4 SGB II). Dies hätte zur Folge, dass Sie und die gegebenenfalls mit Ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen die für diese Monate ausgezahlten Leistungen vollständig erstatten müssen (§ 41 a Abs. 6 SGB II)."

Herr B. kam dieser Verpflichtung nicht nach. Daraufhin setzte das Jobcenter den Leistungsanspruch für den Zeitraum auf 0,00 EUR fest und forderte von Herrn B. einen beachtlichen Betrag zurück. Hiergegen erhob Herr B. Widerspruch. Zur Begründung führte er aus, dass er die geforderten Unterlagen an das Jobcenter übersandt hätte. Wenn die Unterlagen nicht mehr auffindbar seien, wäre dies nicht sein Problem. Das Jobcenter wies den Widerspruch zurück. Entgegen der Behauptung von Herrn B. würden tatsächlich keine Unterlagen vorliegen.

Herr B. fragt an, ob sich bei der Sachlage eine Klage vor dem Sozialgericht lohnt. Aufgrund seiner finanziellen Lage habe er aber praktisch kein Geld, um ein solches Verfahren zu führen.

Prozesskostenhilfe

Nun, wenn die finanzielle Situation eher düster aussieht, so sollte dies nicht unbedingt dazu führen, dass man von einer Klage abgehalten wird. Hier kommt unter Umständen die Möglichkeit der Prozesskostenhilfe in Betracht. Diese setzt voraus, dass Herr B. zum Zeitpunkt der Klage nicht in der Lage ist, den Rechtsstreit aus eigenen Mitteln zu bestreiten. Gehen wir mal davon aus, dass diese Voraussetzung vorliegen könnte. Zum anderen wird Prozesskostenhilfe nur gewährt, wenn die Klage hinreichend Aussicht auf Erfolg hat. Dies ist nach unserer Ansicht der Fall.

Rechtslage nach dem Gesetz

Der Gesetzestext in § 41a Abs. 3 SGB II erscheint auf den ersten Blick eindeutig und unmissverständlich. Dieser lautet nämlich:

Die leistungsberechtigte Person und die mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen sind nach Ablauf des Bewilligungszeitraums verpflichtet, die von den Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende zum Erlass einer abschließenden Entscheidung geforderten leistungserheblichen Tatsachen nachzuweisen; die §§ 60, 61, 65 und 65a des Ersten Buches gelten entsprechend. Kommen die leistungsberechtigte Person oder die mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen ihrer Nachweis- oder Auskunftspflicht bis zur abschließenden Entscheidung nicht, nicht vollständig oder trotz angemessener Fristsetzung und schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen nicht fristgemäß nach, setzen die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende den Leistungsanspruch für diejenigen Kalendermonate nur in der Höhe abschließend fest, in welcher seine Voraussetzungen ganz oder teilweise nachgewiesen wurden. Für die übrigen Kalendermonate wird festgestellt, dass ein Leistungsanspruch nicht bestand.

Rechtslage nach der Rechtsprechung

Allerdings hat das Bundessozialgericht (BSG) am 12.9.2018 (B 14 AS 4/18 R) entschieden, dass Unterlagen im Sinne der vorgenannten Vorschrift noch bis zum Ende des Widerspruchsverfahrens vorgelegt werden können. Das bedeutet im Ergebnis, dass die Rechtsfolgenbelehrung des Jobcenters nicht zutreffend ist. 

Konsequenzen

Ist die Rechtsfolgenbelehrung nicht zutreffend, kann diese, fehlerhafte Rechtsfolgenbelehrung auch keine Folgen auslösen, wenn dagegen verstoßen wird. Genauso hat es das Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg in seiner Entscheidung vom 9.4.2019 (L 32 AS 816/18 B PKH) gesehen. 

Natürlich ist die Entscheidung des LSG Berlin-Brandenburg für andere Sozialgerichte nicht bindend, allerdings sollte es für einen PKH-Antrag ausreichen. Folgt man der Entscheidung des LSG Berlin-Brandenburg, so können die maßgeblichen Unterlagen im Klageverfahren nachgereicht werden, so dass man sich auf die Diskussion, ob und wann nun die Unterlagen zum Jobcenter versendet wurden, nicht einlassen muss.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet Sozialrecht

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