Wann mache ich mich wegen Fahrlässigkeit strafbar? Anwalt für Strafrecht informiert

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Im Alltag kommt es täglich zu Unfällen, bei denen auch immer wieder Personen bzw. Sachen zu Schaden kommen können. In diesen Fällen handeln die beteiligten Personen oft nicht mit schlechten Absichten oder dem Vorsatz, jemandem zu schaden. Dennoch kann es sein, dass die Person in ihrem konkreten Fall unvorsichtig gehandelt hat und bei genauerer Überlegung hätte erkennen können, dass sie jemand anderen bzw. etwas anderes gefährdet. Auch ein solches fahrlässiges Verhalten wird von der Rechtsordnung nicht gebilligt und unter bestimmten Voraussetzungen unter Strafe gestellt.


Wann mache ich mich bei nur fahrlässigem Handeln strafbar?

Im deutschen Strafrecht wird deshalb zwischen vorsätzlichem und fahrlässigem Verhalten unterschieden. Fahrlässigkeit bezeichnet dabei das Verhalten einer Person, die nicht vorsätzlich handelt, sondern durch Unachtsamkeit oder Sorglosigkeit einen (strafbewehrten) Schaden verursacht. 

Aus § 15 StGB (Strafgesetzbuch) ergibt sich, dass fahrlässiges Handeln nur dann mit Strafe bedroht ist, wenn dies im Gesetz ausdrücklich vorgesehen ist. Vorgeworfen wird dem Beschuldigten im Wesentlichen die ungewollte Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch eine pflichtwidrige Außerachtlassung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt.

Beispiel: Die fahrlässige Tötung ist gem. § 222 StGB und die fahrlässige Körperverletzung gem. § 229 StGB ausdrücklich unter Strafe gestellt. 

Dagegen gibt es keine Norm, die zum Beispiel eine fahrlässige Sachbeschädigung mit Strafe bedroht, d.h. dieses Verhalten ist auch nicht strafbar.


Was ist strafbares fahrlässiges Verhalten? Arten von Fahrlässigkeit

Die Fahrlässigkeit lässt sich in zwei verschiedene Arten von Fahrlässigkeit unterteilen. Zum einen gibt es die unbewusste und zum anderen die bewusste Fahrlässigkeit. 

Unbewusst fahrlässig handelt, wer bei einem bestimmten Tun oder Unterlassen die gebotene Sorgfalt außer Acht lässt und infolgedessen einen gesetzlichen Tatbestand verwirklicht, ohne dies zu erkennen. Es bestehen also weder Wissen noch Wollen bzgl. der Verwirklichung einer Straftat. Einfach gesagt liegt diese vor, wenn ein verständiger Beobachter denkt: Das kann jedem mal passieren (es darf aber nicht passieren). 

Ein Beschuldigter handelt dagegen bewusst fahrlässig, wenn er es für möglich hält, dass er den gesetzlichen Tatbestand verwirklicht, aber pflichtwidrig darauf vertraut, dass er ihn nicht verwirklichen werde. Auf der Seite des Wissens besteht also das „für möglich halten“ der Verwirklichung einer Straftat, während diese aber nicht gewollt ist. 

Es gibt auch Vorschriften im Strafgesetzbuch, bei denen leichtfertiges Handeln für eine Strafbarkeit verlangt wird, zum Beispiel die fahrlässige Brandstiftung mit Todesfolge gem. § 306c StGB. Leichtfertig handelt, wer aus besonderer Gleichgültigkeit oder grober Unachtsamkeit die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße verletzt. Es handelt sich also um eine qualifizierte Form der Fahrlässigkeit.


Strafe wegen Fahrlässigkeit nur bei strafbewehrtem Verhalten

Entsprechend zu den Vorsatzdelikten muss auch bei den Fahrlässigkeitsdelikten eine Handlung im strafrechtlichen Sinne und ein Taterfolg gegeben sein. Dieser könnte beispielsweise in der Tötung eines anderen Menschen gem. § 222 StGB oder der körperlichen Misshandlung oder Gesundheitsschädigung einer anderen Person gem. § 229 StGB liegen.

Eine weitere Parallele zu den Vorsatzdelikten ist, dass die Handlung ursächlich für den Eintritt des Schadens oder der Verletzung gewesen sein muss.


Wann ist die Verletzung einer Sorgfaltspflicht strafbar?

Für die Feststellung einer strafrechtlichen Fahrlässigkeit ist es entscheidend, ob eine objektive Verletzung der Sorgfaltspflicht vorliegt. Dies stellt einen wichtigen Unterschied zu Vorsatzdelikten dar. Eine Handlung gilt als objektiv pflichtwidrig, wenn die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nicht beachtet wird, vgl. § 276 Abs. 2 BGB. Der Maßstab für diese Sorgfalt ergibt sich aus den Anforderungen, die an eine vernünftige und gewissenhafte Person in der konkreten Situation und sozialen Rolle des Handelnden gestellt werden. Am besten stellt man sich dafür einen durchschnittlichen Menschen vor, der in die Situation des Beschuldigten zurückversetzt wird und zu beurteilen hat, wie er sich in der konkreten Situation und in der Rolle verhalten hätte. Diese Rolle könnte zum Beispiel ein Autofahrer, eine Mutter oder ein Arzt sein. 

Es gilt also grundsätzlich einen objektiven Maßstab, an dem das Verhalten gemessen wird. Bei der Beurteilung wird aber auch das spezielle Wissen des Beschuldigten berücksichtigt. Wenn jemand beispielsweise über die Gefährlichkeit einer bestimmten Kreuzung informiert ist, muss er dort vorsichtiger handeln als der Durchschnitt. Es wird erwartet, dass der Beschuldigte auch sein spezielles Können einsetzt. 

Es wird zunächst geprüft, ob geschriebene Regeln verletzt wurden, wie zum Beispiel die Vorschriften der Straßenverkehrsordnung. Fehlen solche Regeln, werden ungeschriebene Sorgfaltsregeln und Verkehrsgepflogenheiten herangezogen. Der Vertrauensgrundsatz spielt vor allem im Straßenverkehr eine Rolle: Ein Verkehrsteilnehmer kann grundsätzlich darauf vertrauen, dass andere sich ebenfalls korrekt verhalten, es sei denn, es gibt konkrete Anzeichen für das Gegenteil.

Ein weiterer Aspekt ist die Übernahmefahrlässigkeit, bei der jemand eine Aufgabe übernimmt oder fortsetzt, obwohl ihm die erforderlichen Fähigkeiten fehlen.


Strafe wegen Fahrlässigkeit nur bei Vorhersehbarkeit der Verletzung

Ferner muss der Beschuldigte objektiv vorhersehen können, wie sich das Geschehen entwickeln wird. Objektiv vorhersehbar ist etwas, was eine umsichtige Person aus dem Umfeld des Beschuldigten unter den gegebenen Umständen aufgrund allgemeiner Lebenserfahrung erwarten würde. Die Vorhersehbarkeit ist nur dann ausgeschlossen, wenn es sich um einen atypischen Geschehensverlauf handelt. Bei einem atypischen Verlauf liegt der eingetretene Erfolg völlig außerhalb dessen, was nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge und allgemeiner Lebenserfahrung zu erwarten wäre.

Ein Beispiel hierfür wäre, dass der Beschuldigte einen Fahrradfahrer anfährt, der daraufhin vom Krankenwagen ins Krankenhaus gebracht wird. Während der Rettungsfahrt kommt es zu einem Unfall mit weiteren Verletzungen für den Fahrradfahrer. In diesem Fall wäre die Vorhersehbarkeit noch gegeben, da es nicht extrem unwahrscheinlich ist, dass es bei einer solchen Sonderfahrt zu Zusammenstößen mit anderen Verkehrsteilnehmern kommt.

Im Gegensatz dazu liegt grundsätzlich wohl ein atypischer Verlauf vor, wenn in der Klinik ein Brand ausbricht und der Fahrradfahrer daraufhin verstirbt. In einem solchen Fall entfällt die objektive Vorhersehbarkeit, da ein solcher Verlauf nicht erwartet werden kann.


Strafe wegen Fahrlässigkeit nur bei Zurechenbarkeit der Verletzung

Die verursachte Verletzung oder der Schaden muss dem Beschuldigten objektiv zurechenbar sein. Das bedeutet, dass der Beschuldigte eine rechtlich missbilligte Gefahr geschaffen haben muss, die sich im konkreten Taterfolg realisiert.

Die Verletzung ist nur dann objektiv zurechenbar, wenn sich im Eintritt des Erfolgs genau die durch die Pflichtwidrigkeit geschaffene Gefahr auswirkt (sog. Pflichtwidrigkeitszusammenhang). Das bedeutet, dass der Beschuldigte den Erfolg nur verantworten kann, wenn er diesen bei pflichtgemäßem Verhalten hätte vermeiden können. Es stellt sich also die Frage, ob der Erfolg auch bei einem rechtmäßigen Alternativverhalten des Beschuldigten eingetreten wäre. Wenn dem nicht so ist, kann dem Beschuldigten kein Vorwurf gemacht werden, da er die Verletzung auch durch korrektes Verhalten nicht hätte verhindern können.

Beispiel: Autofahrer A überholt den stark betrunkenen Fahrradfahrer F mit zu geringem Sicherheitsabstand. F erschrickt, stürzt und erleidet schwere Verletzungen. Aufgrund seiner Trunkenheit wäre F höchstwahrscheinlich auch gestürzt, wenn A genügend Abstand gehalten hätte. In diesem Fall fehlt der Pflichtwidrigkeitszusammenhang, da der Erfolg auch bei pflichtgemäßem Verhalten des Fahrers eingetreten wäre.

Der Verstoß gegen eine Verhaltensnorm hat nicht automatisch einer rechtlich relevanten Gefahr zur Folge. Man muss immer auf den Schutzzweck dieser Norm abstellen. Nur wenn die verletzte Norm dem Schutz des betroffenen Rechtsguts dienen soll, wurde eine rechtlich relevante Gefahr geschaffen (sog. Schutzzweck der Norm). Daher muss geschaut werden, ob die verletzte Sorgfaltspflicht nach ihrem Sinn und Zweck den eingetretenen Schaden hätte vermeiden können.


Gerade bei Verkehrsunfällen steht recht schnell der Vorwurf insbesondere einer fahrlässigen Körperverletzung im Raum. 

Sollte Ihnen eine Straftat vorgeworfen werden, machen Sie am besten zunächst von Ihrem Schweigerecht Gebrauch und wenden sich so bald wie möglich an einen erfahrenen und spezialisierten Anwalt für Strafrecht.

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