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Ware im Supermarkt geöffnet – wozu Kunden verpflichtet sind

  • 4 Minuten Lesezeit
anwalt.de-Redaktion

Auch wenn man in vielen Supermärkten nach wie vor den Hinweis findet, dass das Öffnen der Ware zum Kauf verpflichtet, gehört diese angebliche Regel zu den größten Rechtsmythen im Supermarkt. Jedoch ist ein simples „Nein“ auf die Frage, ob man geöffnete Waren im Supermarkt bezahlen muss, genauso falsch – denn es gilt wie so oft: Es kommt drauf an. 

Kunden dürfen Kaufgegenstand begutachten 

Grundsätzlich gilt, dass man im Laden das Recht hat, sich den Kaufgegenstand genau anzusehen. Hierzu gehört auch, dass man den Gegenstand aus der Verpackung nimmt, statt sich auf die Abbildung zu verlassen. Bei einem Fernseher kann man nur so sehen, ob er tatsächlich die notwendigen Anschlüsse besitzt, die Jacke im Supermarkt muss man herausnehmen, um zu prüfen, ob sie auch passt, und die tatsächliche Farbe eines Bildes kann sich von der Abbildung auf dem Karton unterscheiden. Es ist deshalb erlaubt, sich die Ware, für die man sich interessiert, genauestens anzusehen. 

Diese Möglichkeit unterscheidet den gewöhnlichen Kaufvertrag vom Fernabsatzvertrag, bei dem man sich den Kaufgegenstand gerade nicht selbst ansehen kann, sondern nur auf Bildern in Katalogen oder im Netz sieht. Damit Kunden bei diesen am Telefon oder im Internet geschlossenen Verträgen nicht die Katze im Sack kaufen müssen, dürfen sie diese Verträge innerhalb von 14 Tagen ohne Angabe von Gründen widerrufen. Dieses Widerrufsrecht gilt aber nur bei solchen Onlinekäufen, telefonischen Bestellungen etc. Wird der Kaufvertrag dagegen vor Ort im Geschäft geschlossen, hat man dieses Recht nicht, weil man vorher Gelegenheit hatte, sich das Produkt anzusehen, und zu prüfen, ob man es wirklich haben will. Der Vorteil beim Kauf im Laden liegt daher gerade in der Möglichkeit, sich Produkte anzusehen und sie hierzu aus der Verpackung zu nehmen. 

Es kommt auf die Art der Ware an

Das Öffnen der Verpackung kommt also keinesfalls einer Kaufverpflichtung gleich, sondern zählt vielmehr zu den elementaren Rechten und Vorteilen beim Einkauf im Geschäft. Es gibt aber trotzdem verschiedene Grenzen. So darf das Öffnen der Verpackung z. B. nicht zu einem Wertverlust führen. Der Wert der oben beispielhaft angeführten Fernseher, Kleidungsstücke oder Bilder ändert sich nicht, wenn die Verpackung geöffnet ist. Beschädigt wird hier allenfalls die Verpackung. Dieser Schaden kann aber meistens mit sehr geringem Aufwand wieder beseitigt werden. Daher kommt es nur selten vor, dass man den Schaden an der Verpackung ausgleichen muss. Anders sieht es dagegen z. B. im Lebensmittelbereich aus, denn nach den lebensmittelrechtlichen Vorschriften dürfen diese geöffnet nicht mehr verkauft werden. Geöffnete Lebensmittel werden deshalb für den Verkäufer nutzlos, sodass ihm bei Nichtabnahme ein entsprechender Schaden entsteht. Deshalb gilt bei diesen Waren tatsächlich die Regel „geöffnete Produkte müssen gekauft werden“. 

Es ist der entstandene Schaden zu ersetzen 

Rechtstechnisch gesehen beschreibt dieser vereinfachte Satz aber lediglich das Ergebnis für den Kunden, nicht aber seine tatsächlich bestehende rechtliche Pflicht. Das deutsche Vertragsrecht ist vom Grundsatz der Vertragsfreiheit geprägt. Zur Vertragsfreiheit gehört nicht nur die inhaltliche Gestaltung von Verträgen, sondern auch die Frage, ob bzw. mit wem man überhaupt einen Vertrag schließen will (Abschlussfreiheit). Daher gibt es nur in wenigen Fällen eine rechtliche Pflicht zum Abschluss eines Vertrages (Kontrahierungszwang), die in speziellen Gesetzen enthalten ist. Typische Beispiele sind hier der Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge oder der Bereich der Pflichtversicherung. Im Einzelhandel gibt es eine derartige gesetzliche Pflicht jedoch nicht. Man muss deshalb als potenzieller Kunde auch dann keinen Kaufvertrag schließen, wenn man nicht weiterverkäufliche Waren geöffnet hat.

Jedoch ist man als Kunde verpflichtet, dem Verkäufer den Schaden zu ersetzen, der ihm durch das Öffnen der Verpackung entstanden ist. Eine Mindermeinung vertritt die Ansicht, dass dieser Schaden nicht den vollen Kaufpreis, sondern lediglich den Einkaufspreis erfasst. Man müsste demzufolge als Kunde nur den Einkaufspreis bezahlen. Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) zählt hingegen bei seinen Vorschriften zum Umfang eines Schadensersatzanspruchs auch den entgangenen Gewinn explizit als mögliche Schadensposition auf. Demnach setzt sich der Schaden des Verkäufers aus dem Einkaufspreis und dem Gewinn zusammen, den er mit dem Verkauf der Ware gemacht hätte, was im Ergebnis den Kaufpreis ergibt. Durch die regelmäßig sehr kleinen Werte der betroffenen Waren wurde diese Frage von den Gerichten bisher nicht geklärt, weil sich die gerichtliche Austragung des Streits für Kunde und Verkäufer nicht lohnt. Nach dem Gesetz dürfte der Verkäufer aber einen Anspruch auf Erstattung des vollen Kaufpreises haben. Dennoch kann man als Kunde mit dem Einkaufswert argumentieren, da sich viele Geschäfte z. B. aus Gründen der Kundenbindung darauf einlassen. 

Fazit: Rechtlich gesehen gibt es also keinen Automatismus, wonach Kunden geöffnete Produkte immer bezahlen müssen. Vielmehr gehört die genaue Begutachtung des Kaufgegenstands zu ihren Rechten im Geschäft. Es kommt aber auf die Art der Ware an, denn dem Verkäufer darf hierdurch kein Schaden entstehen. Einen solchen Schaden muss der Kunde ersetzen, was im Ergebnis dazu führt, dass er den Kaufpreis bezahlt und das Produkt somit quasi kauft.

Foto(s): fotolia.com

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