Soll ich schweigen?

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Oft passiert es, dass Mandant*innen den Rat eines Rechtsbeistandes dann suchen, wenn sie gegenüber den ermittelnden Polizeibehörden bereits Aussagen getätigt haben. Im besten und in einem meiner Fälle vermeintlich häuslicher Gewalt hatte der Mandant den Wunsch geäußert, eine Erklärung abgeben zu wollen. Die ermittelnde Polizeibehörde hatte ihn aufgefordert, einen Termin wahrzunehmen, da ihm eine einfache Körperverletzung vorgeworfen werde. Der Mandant versuchte, mich zu überzeugen, dass seine Erklärung so plausibel sei, dass man ihm Glauben schenken werde. Schließlich sage er die Wahrheit. Ich riet ihm erfolgreich davon ab. Die Argumentation, die ihn davon überzeugte, war Folgende: neben dem gesetzlich vorgesehenem Recht, als Beschuldigter schweigen zu dürfen, beeindruckte ihn, dass für die Staatsanwaltschaft, als «Herrin des Ermittlungsverfahrens», ein Tatverdacht hinreichend sein muss, damit er rechtlich relevant werden kann. 

Was bedeutet hinreichender Tatverdacht? Es kommt auf das Wort hinreichend an: ein Tatverdacht ist hinreichend, wenn bei Beurteilung der bestehenden Sach- und Rechtslage eine Verurteilung überwiegend wahrscheinlich ist. Das bedeutet, dass in tatsächlicher Hinsicht der Vorwurf beweisbar ist, und zwar zu dem Zeitpunkt, in dem die Staatsanwaltschaft zu entscheiden hat, ob sie Anklage erheben will. 

Im obigen Fall vermeintlich häuslicher Gewalt hieße das, dass die Körperverletzung beweisbar sein muss, damit das Verfahren fortgeführt und eben nicht eingestellt wird. Ich habe nach Vollmachtserteilung der zuständigen Polizei gegenüber erklärt, dass mein Mandant von seinem Schweigerecht Gebrauch macht. Daneben beantragte ich gegenüber der zuständigen Staatsanwaltschaft Akteneinsicht in den Ermittlungsvorgang. Sie dürfte es nicht überraschen, dass das Verfahren eingestellt worden ist, denn: ein hinreichender Tatverdacht bestand nicht! In der Akte gab es keinen Nachweis darüber, dass der anzeigende Ehepartner Körperverletzungen erlitten hat. Ganz im Gegenteil äusserte die diensthabende Polizeibeamtin, dass bei Eintreffen dieser der Ehepartner keinerlei Verletzungen aufwies. Auch drei Monate nach dieser Anzeige wurden keine weiteren Befunde oder Atteste zur Akte gereicht, die eine Körperverletzung hätten ausweisen können. Die Polizei hingegen ermittelte weiter. Die Aktenlage war allen bekannt. 

Das Ergebnis? Ein Rosenkrieg mit unberechenbaren Mitteln, um den Partner verächtlich zu machen. 

Hätte mein Mandant versucht, sich zu erklären, hätte er sich selbst geschadet. So hat er nicht ein Wort verloren und das Verfahren wurde nach meinem Antrag nebst Begründung gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. 

Schweigen Sie! Sie dürfen das! Und holen Sie sich rechtzeitig Beistand, es ist der sicherste Weg.

Foto(s): Foto von Anna Shvets von Pexels

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