Was Sie beim Errichten eines gemeinschaftlichen Testaments über dessen Inhalt wissen müssen 2/4

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Oft vergessen die Verfasser eines gemeinschaftlichen Testaments, Regelungen für den ersten Erbfall oder Regelungen für den zweiten Erbfall zu treffen, weil sie sich falsche Vorstellungen darüber machen, was geschieht, wenn ein Testament lückenhaft ist.

Bevor Sie und Ihr Ehepartner ein gemeinschaftliches Testament errichten, halten Sie sich bitte folgende Punkte vor Augen:

  1. Auch wenn Sie im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft verheiratet sein sollten (weil Sie keinen Ehevertrag geschlossen haben), ist Ihr und das Vermögen Ihres Ehepartners kein Gemeinschaftsgut. Vielmehr gehört jedem Ehegatten das, was er in die Ehe eingebracht und während der Ehe durch Arbeit, Ertrag, Schenkung oder Erbschaft erworben hat. Jeder Ehegatte hat also sein eigenes Vermögen und sollte über diese Vermögensmasse Verfügungen für den Todesfall treffen.
  2. Ehegatten versterben in der Regel zu unterschiedlichen Zeitpunkten. Schon deshalb sollte geregelt werden, was mit dem Vermögen des Erstversterbenden und was mit dem Vermögen des Längerlebenden geschehen soll. Auch für den Ausnahmefall, dass beide Eheleute zusammen versterben (z.B. infolge eines Unfalls), sollte eine Regelung getroffen werden.
  3. Der längerlebende Ehegatte ist nur im Ausnahmefall der gesetzliche Alleinerbe des vorverstorbenen Ehegatten. Der verbreitete Irrtum, dass der Längerlebende „sowieso alles erbt“, wirkt sich besonders gravierend aus bei kinderlosen Ehepaaren. Diese finden sich oft ungewollt wieder in Erbengemeinschaften mit Verwandten des Verstorbenen.
  4. Und: Bitte berücksichtigen Sie immer auch Ihre Kinder.

Überlegen Sie genau, wie der längerlebende Ehegatte und wie die Kinder erben sollen

Hier ergibt sich die Frage, ob der längerlebende Ehegatte Miterbe, Alleinerbe oder Vorerbe werden soll.

1. Der Ehegatte wird Miterbe neben den Kindern

Die gesetzliche Erbfolge sieht vor, dass der Ehegatte neben den Kindern erbt, mit ihnen also eine Erbengemeinschaft bildet. Eine Miterbenstellung bietet sich an, wenn beide Eheleute ungefähr gleichermaßen vermögend oder gut abgesichert sind, so dass keiner auf das gesamte Vermögen des anderen wirtschaftlich angewiesen ist – und wenn die Ehegatten und Kinder gut miteinander auskommen.

2. Der Ehegatte wird Alleinerbe und die Kinder erben erst nach ihm

Das ist der Fall, der nach dem klassischen sogenannten Berliner Testament eintritt:

„Wir, die Eheleute X und Y, setzen uns gegenseitig zu alleinigen Erben ein. Erben nach dem Längerlebenden von uns sind unsere Kinder A, B und C zu gleichen Anteilen.“

Das Berliner Testament stammt aus alten Zeiten, in denen der Ehemann meist Alleinverdiener war, meist auch mehr Vermögen hatte als seine Frau und in der Regel auch eher verstarb. Sinn dieser Testamentsform war und ist noch immer die Versorgung der kaum oder gar nicht abgesicherten Ehefrau.

Die Folge: Das Vermögen des Erblassers geht zur Gänze an den längerlebenden Ehegatten und verschmilzt mit dessen Vermögen. Der alleinerbende Ehegatte kann mit der vereinigten Vermögensmasse nach Belieben verfahren, sie also auch vollständig aufbrauchen.

Die Kinder sind im ersten Erbgang, also nach dem Tod des erstversterbenden Elternteils, enterbt, können also ihr Pflichtteilsrecht nach dem Erstverstorbenen geltend machen – und da wird das Testament oft streitanfällig:

Ist der längerlebende Ehegatte tatsächlich versorgungsbedürftig, wird in einer funktionierenden Familie kein Kind nach seinem Pflichtteil krähen. Aber wenn beide Ehegatten berufstätig waren und einigermaßen gut abgesichert sind, wie es heute der Regelfall ist, kann es schon vorkommen, dass das eine oder andere Kind sich zumindest Gedanken macht, ob es die Füße bis zum Tod des längerlebenden Elternteils wirklich stillhalten soll.

Um dem längerlebenden Ehegatten eine Pflichtteilsauseinandersetzung zu ersparen, wird dem Berliner Testament oft eine Pflichtteils(straf-)klausel hinzugefügt, etwa so:

„Wer von unseren Kindern nach dem Tod des Erstversterbenden von uns seinen Pflichtteil geltend macht, soll nach dem Tod des Letztversterbenden auch nur seinen Pflichtteil bekommen.“ Aber auch solche Klauseln sind streitanfällig.

3. Der Ehegatte wird Vorerbe und die Kinder werden Nacherben

Das ist der Fall, der nach dem sogenannten Hamburger Testament eintritt:

„Wir, die Eheleute X und Y, setzen uns gegenseitig zu (befreiten oder nicht befreiten) Vorerben ein, Nacherben sind unsere Kinder A, B und C zu gleichen Anteilen. Der Nacherbfall tritt ein mit ………. . Nach dem Tod des Letztversterbenden von uns erben unsere Kinder zu gleichen Anteilen.“

Die Folge einer Vorerben-Einsetzung ist, dass das Vermögen des Erstversterbenden ein Sondervermögen bleibt: Es geht zunächst an den Vorerben und bei Eintritt des Nacherbfalles (spätestens mit dem Tod des Vorerben) an die Nacherben über. Beide, Vorerbe und Nacherben, erben vom Erstversterbenden, so dass keine Enterbung stattfindet.

Keine Enterbung – das klingt zwar gut, aber dennoch ist dieses Modell bei den Hinterbliebenen nicht beliebt: Der Vorerbe kann mit der Erbmasse eben nicht nach Belieben verfahren und die Nacherben müssen oft viele Jahre warten, bis sie zum Zuge kommen. Zudem langt der Fiskus bei wohlgemerkt der gleichen Erbmasse zweimal zu, nämlich im Vorerbfall ebenso wie im Nacherbfall.

Formulieren Sie klar und deutlich

Wenn Sie und Ihr Ehepartner Ihr Testament machen wollen, dann schreiben Sie bitte ganz genau und deutlich auf, was Sie beabsichtigen! Und benutzen Sie Rechtsbegriffe nur, nachdem Sie sich bei einer fachkundigen Person über deren Bedeutung schlau gemacht haben.

Wenn ein Testament unklar oder auch lückenhaft gefasst wurde, dann ruft dies meist diejenigen Personen auf den Plan, die im Testament übergangen wurden oder weniger bekommen, als ihnen gesetzlich zusteht, und dann muss das Testament es von einem Gericht ausgelegt werden. Wegen der Auslegung von Testamenten werden unendlich viel teure und oft erbitterte Rechtsstreitigkeiten geführt, die bei einer anwaltlichen Beratung vermeidbar gewesen wären!

Beispiele für die gerichtliche Auslegung unklar gefasster testamentarischer Verfügungen

Wenn ein Testament ausgelegt werden muss, dann geht es nicht darum, zu ergründen, wie eine Verfügung des einen oder der beiden Erblasser objektiv zu verstehen ist. Vielmehr muss der subjektive Wille der Verfasser im Zeitpunkt der Testamentserrichtung ermittelt werden, notfalls unter Einvernahme von Zeugen. Es ist vielfach so, dass der subjektive Wille von dem, wie die Willensäußerung objektiv verstanden werden kann, abweicht, weil diese Abweichung den Erblassern entweder verborgen blieb oder weil sie sich über den wahren Inhalt fälschlich gebrauchter Fachbegriffe nicht im Klaren waren.

Beispiele für die Auslegungen lückenhafter Testamente und unklarer Formulierungen seitens des Oberlandesgerichts Brandenburg:

1. Fehlende Erbeinsetzung für den ersten Erbfall

Die Eheleute hatten vergessen, für den ersten Erbfall eine Erbeinsetzung zu verfügen.  Der Mann starb und die Tochter des Ehepaares machte geltend, dass sie (gesetzliche) Miterbin neben ihrer Mutter sei. Anders das OLG:

„Sollen Enkelkinder nach dem Tod beider Eheleute den „Hauptnachlass“ erhalten, ergibt die Testamentsauslegung, dass der überlebende Ehepartner trotz fehlender ausdrücklicher Bestimmung im ersten Fall Alleinerbe des vorversterbenden Ehegatten wird.“  (Beschluss v. 30.03.2021, 3 W 38/21, BeckRS 2021, 10179)

2. Vollerbschaft/Schlusserbschaft contra Vorerbschaft/Nacherbschaft

Die Eheleute setzten sich gegenseitig zu „Alleinerben unseres gesamten Nachlasses“ ein und die gemeinsame Tochter als „Erbe unseres gesamten Vermögens“ nach dem Letztversterbenden. Das OLG sah hierin eine gegenseitige Einsetzung als Alleinerben im ersten Erbfall. (Beschluss v. 21.12.2020, 3 W 134/20, BeckRS 2020, 40103)


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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