Wenn Kontokorrentkredite zur gefährlichen Abwärtsspirale werden

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Mit einem Kontokorrentkredit verschaffen sich Unternehmen zwar flexibel, aber höchst risiko- und kostenträchtig Liquidität für ihre geschäftliche Tätigkeit. Es handelt sich um einen veränderbaren Kreditrahmen, den eine Bank auf einem Geschäftskonto ohne festgelegte Tilgung einräumt. Die Rückzahlung des Kredits geschieht durch laufende Zahlungseingänge, die das Unternehmen generiert.

Je nach Gebührenmodell der Banken fallen für den in Anspruch genommenen Kreditbetrag neben den Kontokorrentzinsen weitere Überziehungs- sowie Bereitstellungszinsen an. Die Zinssätze für Kontokorrentkredite sind in der Regel variabel. Sie setzen sich aus einem Referenzzinssatz und einem Zuschlag zusammen. Zum Beispiel berechnet eine Bank den 3-Monats-Euribor zzgl. 7,48 % Zinsen jährlich. 

Was vielen Unternehmen nicht bewusst ist: Sobald die Bank einen eingeräumten Kontokorrentkredit ordentlich kündigt, wird eine gefährliche Dynamik in Gang gesetzt, die gerade in Corona-Zeiten bis in die Unternehmensinsolvenz führen kann. 

Die Hamburger Bankrechtsanwältin Dr. Ina Becker betreut bundesweit Firmen aus diversen Wirtschaftssparten. Sie warnt: „Die Abhängigkeit von der Bank ist enorm. Ein Kontokorrentkredit ohne feste Laufzeit kann jederzeit ohne Angabe von Gründen und ohne Einhaltung einer Frist gekündigt werden.“ 

Zwar verpflichten sich Banken in ihren Geschäftsbedingungen, auf die berechtigten Belange ihrer Kunden Rücksicht zu nehmen. In praxi sieht die Lage nach Kündigung der einstmals flexiblen Kreditlinie allerdings wenig rosig aus. 

„Vor allem in wirtschaftlichen Krisenzeiten mit verlängerten Bearbeitungszeiten ist es für Unternehmen schwer, anderweitig Kredit zu erhalten und den offenen Gesamtsaldo rechtzeitig zurückzuführen. Auf die ordentliche Kündigung kann dann schnell zusätzlich die fristlose Bankkündigung folgen“, erläutert Dr. Becker.

„Problematisch ist vor allem, dass die Banken bei der Kreditvergabe im Hinblick auf die Basel IV-Vorgaben tendenziell zurückhaltend sind. Staatliche Förderkredite als vermeintliche Rettungsmaßnahmen dürfen häufig gerade nicht zur Tilgung offener Verbindlichkeiten aus Kontokorrentkredit verwendet werden. Mangels Liquidität drohen Zahlungsengpässe, ein Wegfall von Lieferantenkrediten sowie Mitarbeitern, Produktionsausfälle, die Verwertung von Sicherheiten durch die Bank, ein verschlechtertes Rating und schließlich sogar die Unternehmensinsolvenz“, warnt Rechtsanwältin Dr. Becker.

„In einer derart prekären Situation ist das notwendige Verhandlungsgleichgewicht mit der Bank dringend sicherzustellen, indem ein bankrechtlich versierter Anwalt eingeschaltet wird“, rät die Hamburger Expertin weiter. „In vielen Fällen ist die Bankkündigung rechtlich angreifbar. Oder der beauftragte Anwalt findet Fehler in der Forderungsabrechnung der Bank. Vor allem kann er für das Unternehmen annehmbare Konditionen zur Rückführung der Verbindlichkeiten aushandeln“, erklärt Dr. Becker.

Viele Firmeninhaber haften als Bürge persönlich für die verbindlichkeiten aus Kontokorrent. Auch dies kann zu einer Haftungsfalle bei Insolvenz werden.

„Wegen ihrer persönlichen Betroffenheit sollten sich Unternehmensleiter in der existentiell bedrohlichen Situation nicht eigenständig an die Bank wenden. Ohne ausreichende juristische Kenntnisse drohen dem Unternehmen erhebliche rechtliche Nachteile“, sagt die Hamburger Anwältin.

Foto(s): Dr. Ina Becker

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